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Kulturgeschichte - Klassik


Klassik

Frühromantik

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 1785
Kindheit und Ausbildung

1810
Arnim, Goethe und Beethoven

1812
Ehe und Familie

1831
Die emanzipierte Kämpferin

Clemens von Brentano

Werke

Literatur

 

 

Bettina Brentano
Goethes Briefwechsel mit einem Kinde
Auszug

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<Hinweis: Diese Texte sind nicht authentische Briefe, trotzdem gibt es ab und zu einen biographischen Hinweis. MS>
 
Vorrede
 
Dies Buch ist für die Guten und nicht für die Bösen.
 
Während ich beschäftigt war, diese Papiere für den Druck zu ordnen, hat man mich vielfältig bereden wollen, manches auszulassen oder anders zu wenden, weil es Anlaß geben könne zu Mißdeutungen. Ich merkte aber bald, man mag nur da guten Rat annehmen, wo er der eignen Neigung nicht widerspricht.
 
Unter den vielen Ratgebern war nur einer, dessen Rat mir gefiel; er sagte: »Dies Buch ist für die Guten und nicht für die Bösen; nur böse Menschen können es übel ausdeuten, lassen Sie alles stehen, wie es ist, das gibt dem Buch seinen Wert, und Ihnen kann man auch nur Dank wissen, daß Sie das Zutrauen haben, man werde nicht mißdeuten, was der gute Mensch nie mißverstehen kann.« - Dieser Rat leuchtete mir ein, er kam von dem Faktor der Buchdruckerei von Trowitzsch und Sohn, Herrn Klein, derselbe, der mir Druck und Papier besorgte, Orthographiefehler korrigierte, Komma und Punkt zurechtrückte und bei meinem wenigen Verstand in diesen Sachen viel Geduld bewies. Diese seine ausgesprochne Meinung bestärkte mich darin, daß ich den bösen Propheten und den ängstlichen Ansichten der Ratgebenden nicht nach gab. Wie auch der Erfolg dieses Rates ausfallen mag, ich freue mich seiner, da er unbezweifelt von den Guten als der edelste anerkannt wird, die es nicht zugeben werden, daß die Wahrheit eines freudigen Gewissens sich vor den Auslegungen der Bösen flüchte. -
 
Auch dem Herrn Kanzler von Müller in Weimar sage ich Dank, daß er auf meine Bitte sich bemühte, trotz dem Drang seiner Geschäfte, meine Briefe aus Goethes umfassendem Nachlaß hervorzusuchen, es sind jetzt achtzehn Monate, daß ich sie in Händen habe; er schrieb mir damals: »So kehre denn dieser unberührte Schatz von Liebe und Treue zu der reichen Quelle zurück, von der er ausgeströmt! Aber eins möchte ich mir zum Lohn meiner gemess'nen Vollziehung Ihres Wunsches und Willens wie meiner Enthaltsamkeit doch von Ihrer Freundschaft ausbitten. -
 
Schenken Sie mir irgendein Blatt aus dieser ohne Zweifel lebenswärmsten Korrespondenz; ich werde es heilig aufbewahren, nicht zeigen noch kopieren lassen, aber mich zuweilen dabei still erfreuen, erbauen oder betrüben, je nachdem der Inhalt sein wird; immerhin werde ich ein zweifach liebes Andenken, einen Tropfen gleichsam Ihres Herzbluts, das dem größten und herrlichsten Menschen zuströmte, daran besitzen.« -
Ich habe diese Bitte nicht befriedigt, denn ich war zu eifersüchtig auf diese Blätter, denen Goethe eine ausgezeichnete Teilnahme geschenkt hatte, sie sind meistens von seiner Hand korrigiert, sowohl Orthographie als auch hie und da Wortstellung, manches ist mit Rötel unterstrichen, anderes wieder mit Bleistift, manches ist eingeklammert, anderes ist durchstrichen. - Da ich ihn nach längerer Zeit wiedersah, öffnete er ein Schubfach, worin meine Briefe lagen, und sagte: »Ich lese alle Tage darin.«
Damals erregten mir diese Worte einen leisen Schauer. Als ich jetzt diese Briefe wieder las, mit diesen Spuren seiner Hand, da empfand ich denselben Schauer, und ich hätte mich nicht leichtlich von einem der geringsten Blätter trennen mögen. Ich habe also die Bitte des Kanzler von Müller mit Schweigen übergangen, aber nicht undankbar vergessen; möge ihm der Gebrauch, den ich davon gemacht habe, beides, meinen Dank und meine Rechtfertigung, beweisen.
 
 
Briefwechsel mit Goethes Mutter
 
Liebste Frau Rat!
 
Am 1. März 1807
 
Ich warte schon lange auf eine besondere Veranlassung, um den Eingang in unsere Korrespondenz zu machen. Seitdem ich aus Ihrem Abrahamsschoß, als dem Hafen stiller Erwartung, abgesegelt bin, hat der Sturmwind noch immer den Atem angehalten, und das Einerleileben hat mich wie ein schleichend Fieber um die schöne Zeit gebracht. Wie sehr bejammere ich die angenehme Aussicht, die ich auf der Schawell zu Ihren Füßen hatte, nicht die auf den Knopf des Katharinenturms, noch auf die Feueresse der rußigen Zyklopen, die den goldnen Brunnen bewachen; nein! die Aussicht in Ihren vielsagenden feurigen Blick, der ausspricht, was der Mund nicht sagen kann. - Ich bin zwar hier mitten auf dem Markt der Abenteuer, aber das köstliche Netz, in dem mich Ihre mütterliche Begeistrung eingefangen, macht mich gleichgültig für alle. Neben mir an, Tür an Tür, wohnt der Adjutant des Königs; er hat rotes Haar, große blaue Augen, ich weiß einen, der ihn für unwiderstehlich hält, der ist er selber. Vorige Nacht weckte er mich mit seiner Flöte aus einem Traum, den ich für mein Leben gern weitergeträumt hätte, am andern Tag bedankt ich mich, daß er mir noch so fromm den Abendsegen vorgeblasen habe; er glaubte, es sei mein Ernst, und sagte, ich sei eine Betschwester, seitdem nennen mich alle Franzosen so und wundern sich, daß ich mich nicht drüber ärgere; - ich kann aber doch die Franzosen gut leiden.
 
Gestern ist mir ein Abenteuer begegnet. Ich kam vom Spaziergang und fand den Rothschild vor der Tür mit einem schönen Schimmel; er sagte: es sei ein Tier wie ein Lamm, und ob ich mich nicht draufsetzen wolle? - Ich ließ mich gar nicht bitten, kaum war ich aufgestiegen, so nahm das Lamm Reißaus und jagte in vollem Galopp mit mir die Wilhelmshöher Allee hinauf, ebenso kehrte es wieder um. Alle kamen totenblaß mir entgegen, das Lamm blieb plötzlich stehen, und ich sprang ab; nun sprachen alle von ihrem gehabten Schreck; - ich fragte: »Was ist denn passiert?« - »Ei, der Gaul ist ja mit Ihnen durchgegangen!« - »So!« sagt ich, »das hab ich nicht gewußt.« -
 
Rothschild wischte mit seinem seidnen Schnupftuch dem Pferde den Schweiß ab, legte ihm seinen Überrock auf den Rücken, damit es sich nicht erkälten solle, und führte es in Hemdärmel nach Haus; er hatte gefürchtet, es nimmermehr wiederzusehen. - Wie ich am Abend in die Gesellschaft kam, nannten mich die Franzosen nicht mehr Betschwester, sie riefen alle einstimmig: »Ah l'héroïne!«
 
Leb Sie wohl, ruf ich Ihr aus meiner Traumwelt zu, denn auch über mich verbreitet sich ein wenig diese Gewalt. Ein gar schöner (ja ich müßte blind sein, wenn ich dies nicht fände), nun, ein feiner, schlanker brauner Franzose sieht mich aus weiter Ferne mit scharfen Blicken an, er naht sich bescheiden, er bewahrt die Blume, die meiner Hand entfällt, er spricht von meiner Liebenswürdigkeit; Frau Rat, wie gefällt einem das? - Ich tue zwar sehr kalt und ungläubig, wenn man indessen in meiner Nähe sagt: »Le roi vient«, so befällt mich immer ein kleiner Schreck, denn so heißt mein liebenswürdiger Verehrer.
Ich wünsche Ihr eine gute Nacht, schreib Sie mir bald wieder.
 
Bettine
 
 
 
Goethes Mutter an Bettine
 
Am 14. März 1807
 
Ich habe mir meine Feder frisch abknipsen lassen und das vertrocknete Tintenfaß bis oben vollgegossen, und weil es denn heute so abscheulich Wetter ist, daß man keinen Hund vor die Tür jagt, so sollst Du auch gleich eine Antwort haben. Liebe Bettine, ich vermisse Dich sehr in der bösen Winterzeit; wie bist Du doch im vorigen Jahr so vergnügt dahergesprungen kommen? - Wenn's kreuz und quer schneite, da wußt ich, das war so ein recht Wetter für Dich, ich braucht nicht lange zu warten, so warst Du da. Jetzt guck ich auch immer noch aus alter Gewohnheit nach der Ecke von der Katharinenpfort, aber Du kommst nicht, und weil ich das ganz gewiß weiß, so kümmert's mich. Es kommen Visiten genug, das sind aber nur so Leutevisiten, mit denen ich nichts schwätzen kann.
 
Die Franzosen hab ich auch gern - das ist immer ein ganz ander Leben, wenn die französische Einquartierung hier auf dem Platz ihr Brot und Fleisch ausgeteilt kriegt, als wenn die preußische oder hessische Holzböck einrücken.
 
Ich hab recht meine Freud gehabt am Napoleon,wie ich den gesehen hab; er ist doch einmal derjenige, der der ganzen Welt den Traum vorzaubert, und dafür können sich die Menschen bedanken, denn wenn sie nicht träumten, so hätten sie auch nichts davon und schliefen wie die Säck, wie's die ganze Zeit gegangen ist.
Amüsiere Dich recht gut und sei lustig, denn wer lacht, kann keine Todsünd tun.
Deine Freundin
 
Elisabeth Goethe
 
Nach dem Wolfgang frägst Du gar nicht; ich hab Dir's ja immer gesagt: wart nur bis einmal ein andrer kommt, so wirst Du schon nicht mehr nach ihm seufzen.
 
 
Brief an Goethes Mutter
 
Frau Rat!
 
Am 20. März 1807
Geh Sie doch mit Ihren Vorwürfen; - das antwort ich Ihr auf Ihre Nachschrift, und sonst nichts.
 
Jetzt rat Sie einmal, was der Schneider für mich macht. Ein Andrieng? - Nein! Eine Kontusche? - Nein! Einen Joppel? - Nein! Eine Mantille? - Nein! Ein paar Boschen? - Nein! Einen Reifrock? - Nein! Einen Schlepprock? - Nein! Ein Paar Hosen? - Ja! - Vivat - jetzt kommen andre Zeiten angerückt - und auch eine Weste und ein Überrock dazu. Morgen wird alles anprobiert, es wird schon sitzen, denn ich hab mir alles bequem und weit bestellt, und dann werf ich mich in eine Chaise und reise Tag und Nacht Kurier durch die ganzen Armeen zwischen Feind und Freund durch; alle Festungen tun sich vor mir auf, und so geht's fort bis Berlin, wo einige Geschäfte abgemacht werden, die mich nichts angehn. Aber dann geht's eilig zurück und wird nicht eher haltgemacht bis Weimar. O Frau Rat, wie wird's denn dort aussehen? -
 
Mir klopft das Herz gewaltig, obschon ich noch bis zu Ende April reisen kann, ehe ich dort hinkomme. Wird mein Herz auch Mut genug haben, sich ihm hinzugeben? - Ist mir's doch, als ständ er eben vor der Tür! - Alle Adern klopfen mir im Kopf; ach wär ich doch bei Ihr! - Das allein könnt mich ruhig machen, daß ich säh, wie Sie auch vor Freud außer sich wär, oder wollt mir einer einen Schlaftrunk geben, daß ich schlief, bis ich bei ihm erwachte. Was werd ich ihm sagen? - Ach, nicht wahr, er ist nicht hochmütig? -
Von Ihr werd ich ihm auch alles erzählen, das wird er doch gewiß gern hören. Adieu, leb Sie wohl und wünsch Sie mir im Herzen eine glückliche Reis. Ich bin ganz schwindlig.
 
Bettine
 
Aber das muß ich Ihr doch noch sagen, wie's gekommen ist. Mein Schwager kam und sagte, wenn ich seine Frau überreden könne, in Männerkleidern mit ihm eine weite Geschäftsreise zu machen, so wolle er mich mitnehmen und auf dem Rückweg mir zulieb über Weimar gehen. Denk Sie doch, Weimar schien mir immer so entfernt, als wenn es in einem andern Weltteil läg, und nun ist's vor der Tür.
 
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