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Kulturgeschichte - Klassik


 

 

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Friedrich Schiller - Don Carlos
Schillerzurück - Vierter Akt, Neunzehnter Auftritt - weiter
  
Königin. Prinzessin von Eboli.
 
Eboli
(athemlos, bleich und entstellt vor der Königin niedergesunken)
Königin! Zu Hilfe!
Er ist gefangen!
 
Königin
Wer?
 
Eboli
Der Marquis Posa
Nahm auf Befehl des Königs ihn gefangen.
 
Königin
Wen aber? wen?
 
Eboli
Den Prinzen.
 
Königin
Rasest du?
 
Eboli
So eben führen sie ihn fort.
 
Königin
Und wer
Nahm ihn gefangen?
 
Eboli
Marquis Posa.
 
Königin
Nun,
Gott sei gelobt, daß es der Marquis war,
Der ihn gefangen nahm!
 
Eboli
Das sagen Sie
So ruhig, Königin? so kalt? O Gott!
Sie ahnen nicht - Sie wissen nicht -
 
Königin
Warum er
Gefangen worden? - Eines Fehltritts wegen,
Vermuth' ich, der dem heftigen Charakter
Des Jünglings sehr natürlich war.
 
Eboli
Nein, nein!
Ich weiß es besser - Nein - O Königin!
Verruchte, teufelische That! Für ihn
Ist keine Rettung mehr! Er stirbt!
 
Königin
Er stirbt!
 
Eboli
Und seine Mörderin bin ich!
 
Königin
Er stirbt!
Wahnsinnige, bedenkst du?
 
Eboli
Und warum -
Warum er stirbt! - O, hätt' ich wissen können,
Daß es bis dahin kommen würde!
 
Königin
(nimmt sie gütig bei der Hand) 
Fürstin!
Noch sind Sie außer Fassung. Sammeln Sie
Erst Ihre Geister, daß Sie ruhiger,
Nicht in so grauenvollen Bildern, die
Mein Innerstes durchschauern, mir erzählen.
Was wissen Sie? Was ist geschehen?
 
Eboli
O!
Nicht diese himmlische Herablassung,
Nicht diese Güte, Königin! Wie Flammen
Der Hölle schlägt sie brennend mein Gewissen.
Ich bin nicht würdig, den entweihten Blick
In Ihrer Glorie empor zu richten.
Zertreten Sie die Elende, die sich,
Zerknirscht von Reue, Scham und Selbstverachtung
Zu Ihren Füßen krümmt.
 
Königin    
Unglückliche!
Was haben Sie mir zu gestehen?
 
Eboli
Engel
Des Lichtes! Große Heilige! Noch kennen,
Noch ahnen Sie den Teufel nicht, dem Sie
So liebevoll gelächelt - Lernen Sie
Ihn heute kennen. Ich - ich war der Dieb,
Der Sie bestohlen. -
 
Königin
Sie?
 
Eboli
Und jene Briefe
Dem König ausgeliefert -
 
Königin
Sie?
 
Eboli
Der sich
Erdreistet hat, Sie anzuklagen -
 
Königin            
Sie,
Sie konnten -
 
Eboli
Rache - Liebe - Raserei -
Ich haßte Sie und liebte den Infanten -
 
Königin
Weil Sie ihn liebten -?
 
Eboli
Weil ich's ihm gestanden
Und keine Gegenliebe fand.
 
Königin
(nach einigem Stillschweigen) 
O, jetzt
Enträthselt sich mir Alles! - Stehn Sie auf,
Sie liebten ihn - ich habe schon vergeben.
Es ist nun schon vergessen - Stehn Sie auf.
        (Sie reicht ihr den Arm.)
 
Eboli
Nein! nein!
Ein schreckliches Geständniß ist noch übrig.
Nicht eher, große Königin -
 
Königin
(aufmerksam).       
Was werd' ich
Noch hören müssen? Reden Sie -
 
Eboli
Der König -
Verführung - O, Sie blicken weg - ich lese
In Ihrem Angesicht Verwerfung - das
Verbrechen, dessen ich Sie zeihte - ich
Beging es selbst.
 
(Sie drückt ihr glühendes Gesicht auf den Boden. Die Königin geht ab. Große Pause.
 
Die Herzogin von Olivarez kommt nach einigen Minuten aus dem Kabinet, in welches die Königin gegangen war, und findet die Fürstin noch in der vorigen Stellung liegen. Sie nähert sich ihr stillschweigend; auf das Geräusch richtet sich die Letztere auf und fährt wie eine Rasende in die Höhe, da sie die Königin nicht mehr gewahr wird)