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              Gotthold Ephraim 
              Lessing: Nathan der Weise 1.5
               Fünfter Auftritt (1/5)
  
                Szene: ein Platz mit Palmen, unter welchen der Tempelherr 
                  auf und nieder geht. Ein Klosterbruder folgt ihm in einiger 
                  Entfernung von der Seite, immer als ob er ihn anreden wolle. 
                  
  
                 
                Tempelherr.
                Der folgt mir nicht vor langer Weile! - Sieh,
                Wie schielt er nach den Händen! - Guter Bruder, ...
                Ich kann Euch auch wohl Vater nennen; nicht? 
                 
                Klosterbruder.
                Nur Bruder - Laienbruder nur; zu dienen. 
                 
                Tempelherr.
                Ja, guter Bruder, wer nur selbst was hätte!
                Bei Gott! bei Gott! Ich habe nichts - 
                 
                Klosterbruder.       
                Und doch
                Recht warmen Dank! Gott geb' Euch tausendfach,
                Was Ihr gern geben wolltet. Denn der Wille
                Und nicht die Gabe macht den Geber. - Auch
                Ward ich dem Herrn Almosens wegen gar
                Nicht nachgeschickt. 
                 
                Tempelherr.       
                Doch aber nachgeschickt? 
                 
                Klosterbruder.
                Ja; aus dem Kloster. 
                 
                Tempelherr.       
                Wo ich eben jetzt
                Ein kleines Pilgermahl zu finden hoffte? 
                 
                Klosterbruder.
                Die Tische waren schon besetzt; komm' aber
                Der Herr nur wieder mit zurück. 
                 
                Tempelherr.       
                Wozu?
                Ich habe Fleisch wohl lange nicht gegessen:
                Allein was tut's? Die Datteln sind ja reif. 
                 
                 
                Klosterbruder.
                Nehm' sich der Herr in acht' mit dieser Frucht.
                Zu viel genossen taugt sie nicht; verstopft
                Die Milz; macht melancholisches Geblüt. 
                 
                Tempelherr.
                Wenn ich nun melancholisch gern mich fühlte? -
                Doch dieser Warnung wegen wurdet Ihr
                Mir doch nicht nachgeschickt? 
                 
                Klosterbruder.       
                O nein! - Ich soll
                Mich nur nach Euch erkunden; auf den Zahn
                Euch fühlen. 
                 
                Tempelherr.       
                Und das sagt Ihr mir so selbst? 
                 
                Klosterbruder.
                Warum nicht? 
                 
                Tempelherr.       
                (Ein verschmitzter Bruder!) - Hat
                Das Kloster Euresgleichen mehr? 
                 
                Klosterbruder.       
                Weiß nicht.
                Ich muß gehorchen, lieber Herr. 
                 
                Tempelherr.       
                Und da
                Gehorcht Ihr denn auch ohne viel zu klügeln? 
                 
                Klosterbruder.
                Wär's sonst gehorchen, lieber Herr? 
                 
                Tempelherr.       
                (Daß doch
                Die Einfalt immer Recht behält!) - Ihr dürft
                Mir doch auch wohl vertrauen, wer mich gern
                Genauer kennen möchte? - Daß Ihr's selbst
                Nicht seid, will ich wohl schwören. 
                 
                Klosterbruder.       
                Ziemte mir's?
                Und frommte mir's? 
                 
                Tempelherr.      
                Wem ziemt und frommt es denn,
                Daß er so neubegierig ist? Wem denn? 
                 
                Klosterbruder.
                Dem Patriarchen; muß ich glauben. - Denn
                Der sandte mich Euch nach. 
                 
                Tempelherr.       
                Der Patriarch?
                Kennt der das rote Kreuz auf weißem Mantel
                Nicht besser? 
                 
                Klosterbruder.       
                Kenn ja ich's! 
                 
                Tempelherr.       
                Nun, Bruder? nun? -
                Ich bin ein Tempelherr; und ein gefangner. -
                Setz ich hinzu: gefangen bei Tebnin,
                Der Burg, die mit des Stillstands letzter Stunde
                Wir gern erstiegen hätten, um sodann
                Auf Sidon loszugehn; - setz ich hinzu:
                Selbzwanzigster gefangen und allein
                Vom Saladin begnadiget: so weiß
                Der Patriarch, was er zu wissen braucht;
                Mehr, als er braucht. 
                 
                Klosterbruder.       
                Wohl aber schwerlich mehr,
                Als er schon weiß. - Er wüßt' auch gern, 
                  warum
                Der Herr vom Saladin begnadigt worden;
                Er ganz allein. 
                 
                Tempelherr.       
                Weiß ich das selber? - Schon
                Den Hals entblößt, kniet' ich auf meinem Mantel,
                Den Streich erwartend: als mich schärfer Saladin
                Ins Auge faßt, mir näher springt, und winkt.
                Man hebt mich auf; ich bin entfesselt; will
                Ihm danken; seh sein Aug' in Tränen: stumm
                Ist er, bin ich; er geht, ich bleibe. - Wie
                Nun das zusammenhängt, enträtsle sich
                Der Patriarche selbst. 
                 
                Klosterbruder.       
                Er schließt daraus,
                Daß Gott zu großen, großen Dingen Euch
                Müss' aufbehalten haben. 
                 
                Tempelherr.       
                Ja, zu großen!
                Ein Judenmädchen aus dem Feu'r zu retten;
                Auf Sinai neugier'ge Pilger zu
                Geleiten; und dergleichen mehr. 
                 
                Klosterbruder.      
                Wird schon
                Noch kommen! - Ist inzwischen auch nicht übel. -
                Vielleicht hat selbst der Patriarch bereits
                Weit wicht'gere Geschäfte für den Herrn. 
                 
                Tempelherr.
                So? meint Ihr, Bruder? - Hat er gar Euch schon
                Was merken lassen? 
                 
                Klosterbruder.       
                Ei, Jawohl! - Ich soll
                Den Herrn nur erst ergründen, ob er so
                Der Mann wohl ist. 
                 
                Tempelherr.       
                Nun ja; ergründet nur!
                (Ich will doch sehn, wie der ergründet!) - Nun? 
                 
                Klosterbruder.
                Das Kürzste wird wohl sein, daß ich dem Herrn
                Ganz gradezu des Patriarchen Wunsch
                Eröffne. 
                 
                Tempelherr.       
                Wohl! 
                 
                Klosterbruder.            
                Er hätte durch den Herrn
                Ein Briefchen gern bestellt. 
                 
                Tempelherr.       
                Durch mich? Ich bin
                Kein Bote. - Das, das wäre das Geschäft,
                Das weit glorreicher sei, als Judenmädchen
                Dem Feu'r entreißen? 
                 
                Klosterbruder.       
                Muß doch wohl! Denn - sagt
                Der Patriarch - an diesem Briefchen sei
                Der ganzen Christenheit sehr viel gelegen.
                Dies Briefchen wohl bestellt zu haben, - sagt
                Der Patriarch, - werd einst im Himmel Gott
                Mit einer ganz besondern Krone lohnen.
                Und dieser Krone, - sagt der Patriarch,
                Sei niemand würd'ger, als mein Herr. 
                 
                Tempelherr.       
                Als ich? 
                 
                Klosterbruder.
                Denn diese Krone zu verdienen, - sagt
                Der Patriarch, - sei schwerlich jemand auch
                Geschickter, als mein Herr. 
                 
                Tempelherr.       
                Als ich? 
                 
                Klosterbruder.             
                
                Er sei
                Hier frei; könn' überall sich hier besehn;
                Versteh', wie eine Stadt zu stürmen und
                Zu schirmen; könne, - sagt der Patriarch, -
                Die Stärk' und Schwäche der von Saladin
                Neu aufgeführten, innern, zweiten Mauer
                Am besten schätzen, sie am deutlichsten
                Den Streitern Gottes, - sagt der Patriarch, -
                Beschreiben. 
                 
                Tempelherr.       
                Guter Bruder, wenn ich doch
                Nun auch des Briefchens nähern Inhalt wüßte. 
                
                 
                Klosterbruder.
                Ja den, - den weiß ich nun wohl nicht so recht.
                Das Briefchen aber ist an König Philipp. -
                Der Patriarch ... Ich hab mich oft gewundert,
                Wie doch ein Heiliger, der sonst so ganz
                Im Himmel lebt, zugleich so unterrichtet
                Von Dingen dieser Welt zu sein herab
                Sich lassen kann. Es muß ihm sauer werden. 
                 
                Tempelherr.
                Nun dann? Der Patriarch? 
                 
                Klosterbruder.      
                Weiß ganz genau,
                Ganz zuverlässig, wie und wo, wie stark,
                Von welcher Seite Saladin, im Fall
                Es völlig wieder losgeht, seinen Feldzug
                Eröffnen wird. 
                 
                Tempelherr.       
                Das weiß er? 
                 
                Klosterbruder.             
                
                Ja, und möcht'
                Es gern dem König Philipp wissen lassen:
                Damit der ungefähr ermessen könne,
                Ob die Gefahr denn gar so schrecklich, um
                Mit Saladin den Waffenstillestand,
                Den Euer Orden schon so brav gebrochen,
                Es koste was es wolle, wiederher-
                Zustellen. 
                 
                Tempelherr.       
                Welch ein Patriarch! - Ja so!
                Der liebe tapfre Mann will mich zu keinem
                Gemeinen Boten; will mich - zum Spion.
                Sagt Euerm Patriarchen, guter Bruder,
                Soviel Ihr mich ergründen können, wär'
                Das meine Sache nicht. - Ich müsse mich
                Noch als Gefangenen betrachten; und
                Der Tempelherren einziger Beruf
                Sei mit dem Schwerte dreinzuschlagen, nicht
                Kundschafterei zu treiben. 
                 
                Klosterbruder.       
                Dacht' ich's doch! -
                Will's auch dem Herrn nicht eben sehr verübeln. -
                Zwar kömmt das Beste noch. - Der Patriarch
                Hiernächst hat ausgegattert, wie die Feste
                Sich nennt, und wo auf Libanon sie liegt,
                In der die ungeheuern Summen stecken,
                Mit welchen Saladins vorsicht'ger Vater
                Das Heer besoldet, und die Zurüstungen
                Des Kriegs bestreitet. Saladin verfügt
                Von Zeit zu Zeit auf abgelegnen Wegen
                Nach dieser Feste sich, nur kaum begleitet. -
                Ihr merkt doch? 
                 
                Tempelherr.       
                Nimmermehr! 
                 
                Klosterbruder.             
                
                Was wäre da
                Wohl leichter, als des Saladins sich zu
                Bemächtigen? den Garaus ihm zu machen? -
                Ihr schaudert? - O es haben schon ein paar
                Gottsfürcht'ge Maroniten sich erboten,
                Wenn nur ein wackrer Mann sie führen wolle,
                Das Stück zu wagen. 
                 
                Tempelherr.       
                Und der Patriarch
                Hätt' auch zu diesem wackern Manne mich
                Ersehn? 
                 
                Klosterbruder.       
                Er glaubt, daß König Philipp wohl
                Von Ptolemais aus die Hand hierzu
                Am besten bieten könne. 
                 
                Tempelherr.       
                Mir? mir, Bruder?
                Mir? Habt Ihr nicht gehört? nur erst gehört,
                Was für Verbindlichkeit dem Saladin
                Ich habe? 
                 
                Klosterbruder.       
                Wohl hab ich's gehört. 
                 
                Tempelherr.             
                
                Und doch? 
                 
                Klosterbruder.
                Ja, - meint der Patriarch, - das wär' schon gut:
                Gott aber und der Orden ... 
                 
                Tempelherr.       
                Ändern nichts!
                Gebieten mir kein Bubenstück! 
                 
                Klosterbruder.       
                Gewiß nicht! -
                Nur, - meint der Patriarch, - sei Bubenstück
                Vor Menschen, nicht auch Bubenstück vor Gott. 
                 
                Tempelherr.
                Ich wär' dem Saladin mein Leben schuldig:
                Und raubt' ihm seines? 
                 
                Klosterbruder.       
                Pfui! - Doch bliebe, - meint
                Der Patriarch, - noch immer Saladin
                Ein Feind der Christenheit, der Euer Freund
                Zu sein, kein Recht erwerben könne. 
                 
                Tempelherr.       
                Freund?
                An dem ich bloß nicht will zum Schurken werden;
                Zum undankbaren Schurken? 
                 
                Klosterbruder.       
                Allerdings! -
                Zwar, - meint der Patriarch, - des Dankes sei
                Man quitt, vor Gott und Menschen quitt, wenn uns
                Der Dienst um unsertwillen nicht geschehen.
                Und da verlauten wolle, - meint der Patriarch, -
                Daß Euch nur darum Saladin begnadet,
                Weil ihm in Eurer Mien', in Euerm Wesen
                So was von seinem Bruder eingeleuchtet ... 
                 
                Tempelherr.
                Auch dieses weiß der Patriarch; und doch? -
                Ah! wäre das gewiß! Ah, Saladin! -
                Wie? die Natur hätt' auch nur einen Zug
                Von mir in deines Bruders Form gebildet:
                Und dem entspräche nichts in meiner Seele?
                Was dem entspräche, könnt' ich unterdrücken,
                Um einem Patriarchen zu gefallen? -
                Natur, so leugst du nicht! So widerspricht
                Sich Gott in seinen Werken nicht! - Geht, Bruder!
                Erregt mir meine Galle nicht! - Geht! geht! 
                 
                Klosterbruder.
                Ich geh; und geh vergnügter, als ich kam.
                Verzeihe mir der Herr. Wir Klosterleute
                Sind schuldig, unsern Obern zu gehorchen. 
                 
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