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              Gotthold Ephraim 
              Lessing: Nathan der Weise 1.6
              
            Sechster Auftritt (1/6) 
             
             Der Tempelherr und Daja, die den Tempelherrn schon 
            eine Zeitlang von weiten beobachtet hatte und sich nun ihm nähert. 
             
             
            Daja.
                Der Klosterbruder, wie mich dünkt, ließ in
                Der besten Laun' ihn nicht. - Doch muß ich mein
                Paket nur wagen. 
                 
                Tempelherr    
                Nun, vortrefflich! - Lügt
                Das Sprichwort wohl: daß Mönch und Weib, und Weib
                Und Mönch des Teufels beide Krallen sind?
                Er wirft mich heut aus einer in die andre. 
                 
                Daja
                Was seh ich? - Edler Ritter, Euch? - Gott Dank!
                Gott tausend Dank! - Wo habt Ihr denn
                Die ganze Zeit gesteckt? - Ihr seid doch wohl
                Nicht krank gewesen? 
                 
                Tempelherr.       Nein. 
                 
                Daja             
                Gesund doch? 
                 
                Tempelherr            
                        
                Ja. 
                 
                Daja
                Wir waren Euertwegen wahrlich ganz
                Bekümmert. 
                 
                Tempelherr      
                So? 
                 
                Daja           
                Ihr wart gewiß verreist? 
                 
                Tempelherr  
                Erraten! 
                 
                Daja     
                Und kamt heut erst wieder? 
                 
                Tempelherr            
                
                Gestern. 
                 
                Daja
                Auch Rechas Vater ist heut angekommen.
                Und nun darf Recha doch wohl hoffen? 
                 
                Tempelherr  
                Was? 
                 
                Daja
                Warum sie Euch so öfters bitten lassen.
                Ihr Vater ladet Euch nun selber bald
                Aufs dringlichste. Er kömmt von Babylon.
                Mit zwanzig hochbeladenen Kamelen,
                Und allem, was an edeln Spezereien,
                An Steinen und an Stoffen, Indien
                Und Persien und Syrien, gar Sina,
                Kostbares nur gewähren. 
                 
                Tempelherr      
                Kaufe nichts. 
                 
                Daja
                Sein Volk verehret ihn als einen Fürsten.
                Doch daß es ihn den Weisen Nathan nennt
                Und nicht vielmehr den Reichen, hat mich oft
                Gewundert. 
                 
                Tempelherr    
                Seinem Volk ist reich und weise
                Vielleicht das Nämliche. 
                 
                Daja   
                Vor allen aber
                Hätt's ihn den Guten nennen müssen. Denn
                Ihr stellt Euch gar nicht vor, wie gut er ist.
                Als er erfuhr, wieviel Euch Recha schuldig:
                Was hätt', in diesem Augenblicke, nicht
                Er alles Euch getan, gegeben! 
                 
                Tempelherr        
                Ei! 
                 
                Daja
                Versucht's und kommt und seht! 
                 
                Tempelherr     
                Was denn? wie schnell
                Ein Augenblick vorüber ist? 
                 
                Daja    
                Hätt' ich,
                Wenn er so gut nicht wär', es mir so lange
                Bei ihm gefallen lassen? Meint Ihr etwa,
                Ich fühle meinen Wert als Christin nicht?
                Auch mir ward's vor der Wiege nicht gesungen,
                Daß ich nur darum meinem Ehgemahl
                Nach Palästina folgen würd', um da
                Ein Judenmädchen zu erziehn. Es war
                Mein lieber Ehgemahl ein edler Knecht
                In Kaiser Friedrichs Heere - 
                 
                Tempelherr    
                Von Geburt
                Ein Schweizer, dem die Ehr' und Gnade ward,
                Mit Seiner Kaiserlichen Majestät
                
            In einem Flusse zu ersaufen. 
              - Weib!
                Wievielmal habt Ihr mir das schon erzählt?
                Hört Ihr denn gar nicht auf mich zu verfolgen? 
                 
                Daja
                Verfolgen! lieber Gott! 
                 
                Tempelherr        
                Ja, ja, verfolgen.
                Ich will nun einmal Euch nicht weiter sehn!
                Nicht hören! Will von Euch an eine Tat
                Nicht fort und fort erinnert sein, bei der
                Ich nichts gedacht; die, wenn ich drüber denke,
                Zum Rätsel von mir selbst mir wird. Zwar möcht'
                Ich sie nicht gern bereuen. Aber seht;
                Ereignet so ein Fall sich wieder: Ihr
                Seid schuld, wenn ich so rasch nicht handle; wenn
                Ich mich vorher erkund - und brennen lasse,
                Was brennt. 
                 
                Daja     
                Bewahre Gott! 
                 
                Tempelherr            
                    
                Von heut an tut
                Mir den Gefallen wenigstens, und kennt
                Mich weiter nicht. Ich bitt Euch drum. Auch laßt
                Den Vater mir vom Halse. Jud' ist Jude.
                Ich bin ein plumper Schwab. Des Mädchens Bild
                Ist längst aus meiner Seele; wenn es je
                Da war. 
                 
                Daja   
                Doch Eures ist aus ihrer nicht. 
                 
                Tempelherr  
                Was soll's nun aber da? was soll's? 
                 
                Daja
                Wer weiß!
                Die Menschen sind nicht immer, was sie scheinen. 
                 
                Tempelherr  
                Doch selten etwas Bessers.
                (Er geht.) 
                 
                Daja     
                Wartet doch!
                Was eilt Ihr? 
                 
                Tempelherr      
                Weib, macht mir die Palmen nicht
                Verhaßt, worunter ich so gern sonst wandle. 
                 
                Daja
                So geh, du deutscher Bär! so geh! - Und doch
                Muß ich die Spur des Tieres nicht verlieren. 
                 
                (Sie geht ihm von weiten nach.) 
              
            
             
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