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              Gotthold Ephraim 
              Lessing: Nathan der Weise 3.8
             
              Achter Auftritt 
            Die Szene: unter den Palmen, in der Nähe des Klosters,
             wo der Tempelherr Nathans wartet.
                 
                Tempelherr 
                (geht, mit sich selbst kämpfend, auf und ab; bis er 
                  losbricht)
                 
                - Hier hält das Opfertier ermüdet still. -
                Nun gut! Ich mag nicht, mag nicht näher wissen,
                Was in mir vorgeht; mag voraus nicht wittern,
                Was vorgehn wird. - Genug, ich bin umsonst
                Geflohn! umsonst. - Und weiter konnt' ich doch
                Auch nichts, als fliehn! - Nun komm', was kommen soll! -
                Ihm auszubeugen, war der Streich zu schnell
                Gefallen; unter den zu kommen, ich
                So lang und viel mich weigerte. - Sie sehn,
                Die ich zu sehn so wenig lüstern war,
                Sie sehn, und der Entschluß, sie wieder aus
                Den Augen nie zu lassen. - Was Entschluß?
                Entschluß ist Vorsatz, Tat: und ich, ich litt',
                Ich litte bloß. - Sie sehn, und das Gefühl
                An sie verstrickt, in sie verwebt zu sein,
                War eins. - Bleibt eins. - Von ihr getrennt
                Zu leben, ist mir ganz undenkbar; wär'
                Mein Tod, - und wo wir immer nach dem Tode
                Noch sind, auch da mein Tod. - Ist das nun Liebe:
                So - liebt der Tempelritter freilich, - liebt
                Der Christ das Judenmädchen freilich. - Hm!
                Was tut's? - Ich hab in dem gelobten Lande, -
                Und drum auch mir gelobt auf immerdar! -
                Der Vorurteile mehr schon abgelegt. -
                Was will mein Orden auch? Ich Tempelherr
                Bin tot; war von dem Augenblick ihm tot,
                Der mich zu Saladins Gefangnen machte.
                Der Kopf, den Saladin mir schenkte, wär'
                Mein alter? - Ist ein neuer; der von allem
                Nichts weiß, was jenem eingeplaudert ward,
                Was jenen band. - Und ist ein beßrer; für
                Den väterlichen Himmel mehr gemacht.
                Das spür ich ja. Denn erst mit ihm beginn
                Ich so zu denken, wie mein Vater hier
                Gedacht muß haben; wenn man Märchen nicht
                Von ihm mir vorgelegen. - Märchen? - doch
                Ganz glaubliche; die glaublicher mir nie,
                Als itzt geschienen, da ich nur Gefahr
                Zu straucheln laufe, wo er fiel. - Er fiel?
                Ich will mit Männern lieber fallen, als
                Mit Kindern stehn. - Sein Beispiel bürget mir
                Für seinen Beifall. Und an wessen Beifall
                Liegt mir denn sonst? - An Nathans? - O an dessen
                Ermuntrung mehr, als Beifall, kann es mir
                Noch weniger gebrechen. - Welch ein Jude! -
                Und der so ganz nur Jude scheinen will!
                Da kömmt er; kömmt mit Hast; glüht heitre Freude.
                Wer kam vom Saladin je anders? - He!
                He, Nathan! 
               
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