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              Gotthold Ephraim 
              Lessing: Nathan der Weise 3.10
                Zehnter Auftritt 
                Der Tempelherr und bald darauf Daja.
                 
                Tempelherr
                Schon mehr als g'nug! - Des Menschen Hirn faßt so
                Unendlich viel; und ist doch manchmal auch
                So plötzlich voll! von einer Kleinigkeit
                So plötzlich voll! - Taugt nichts, taugt nichts; es sei
                Auch voll wovon es will. - Doch nur Geduld!
                Die Seele wirkt den auf gedunsnen Stoff
                Bald ineinander, schafft sich Raum, und Licht
                Und Ordnung kommen wieder. - Lieb ich denn
                Zum ersten Male? - Oder war, was ich
                Als Liebe kenne, Liebe nicht? - Ist Liebe
                Nur was ich itzt empfinde? ...
                 
                Daja 
                (die sich von der Seite herbeigeschlichen).
                Ritter! Ritter!
                 
                Tempelherr
                Wer ruft? - Ha, Daja, Ihr?
                 
                Daja 
                Ich habe mich
                Bei ihm vorbeigeschlichen. Aber noch
                Könnt' er uns sehn, wo Ihr da steht. - Drum kommt
                Doch näher zu mir, hinter diesen Baum.
                 
                Tempelherr
                Was gibt's denn? - So geheimnisvoll? - Was ist's?
                 
                Daja 
                Ja wohl betrifft es ein Geheimnis, was
                Mich zu Euch bringt; und zwar ein doppeltes.
                Das eine weiß nur ich; das andre wißt
                Nur Ihr. - Wie wär' es, wenn wir tauschten?
                Vertraut mir Euers: so vertrau ich Euch
                Das meine.
                 
                Tempelherr
                Mit Vergnügen. - Wenn ich nur
                Erst weiß, was Ihr für meines achtet. Doch
                Das wird aus Euerm wohl erhellen. - Fangt
                Nur immer an.
                 
                Daja 
                Ei denkt doch! - Nein, Herr Ritter.
                Erst Ihr; ich folge. - Denn versichert, mein
                Geheimnis kann Euch gar nichts nutzen, wenn
                Ich nicht zuvor das Eure habe. - Nur
                Geschwind! - Denn frag ich's Euch erst ab: so habt
                Ihr nichts vertrauet. Mein Geheimnis dann
                Bleibt mein Geheimnis; und das Eure seid
                Ihr los. - Doch armer Ritter! - Daß Ihr Männer
                Ein solch Geheimnis vor uns Weibern haben
                Zu können, auch nur glaubt! .
                 
                Tempelherr
                Das wir zu haben
                Oft selbst nicht wissen.
                 
                Daja 
                Kann wohl sein. Drum muß
                Ich freilich erst, Euch selbst damit bekannt
                Zu machen, schon die Freundschaft haben. - Sagt -
                Was hieß denn das, daß Ihr so Knall und Fall
                Euch aus dem Staube machtet? daß Ihr uns
                So sitzenließet? - daß Ihr nun mit Nathan
                Nicht wiederkommt? - Hat Recha denn so wenig
                Auf Euch gewirkt? wie? oder auch, so viel? -
                So viel! so viel! - Lehrt Ihr des armen Vogels,
                Der an der Rute klebt, Geflattre mich
                Doch kennen! - Kurz: gesteht es mir nur gleich,
                Daß Ihr sie liebt, liebt bis zum Unsinn; und
                Ich sag Euch was ...
                 
                Tempelherr
                Zum Unsinn? Wahrlich; Ihr
                Versteht Euch trefflich drauf.
                 
                Daja 
                Nun gebt mir nur
                Die Liebe zu; den Unsinn will ich Euch
                Erlassen.
                 
                Tempelherr
                Weil er sich von selbst versteht? -
                Ein Tempelherr ein Judenmädchen lieben! ...
                 
                Daja 
                Scheint freilich wenig Sinn zu haben. - Doch
                Zuweilen ist des Sinns in einer Sache
                Auch mehr, als wir vermuten; und es wäre
                So unerhört doch nicht, daß uns der Heiland
                Auf Wegen zu sich zöge, die der Kluge
                Von selbst nicht leicht betreten würde.
                 
                Tempelherr
                Das
                So feierlich? - (Und setz ich statt des Heilands
                Die Vorsicht: hat sie denn nicht recht? -) Ihr macht
                Mich neubegieriger, als ich wohl sonst
                Zu sein gewohnt bin.
                 
                Daja 
                Oh! das ist das Land
                Der Wunder!
                 
                Tempelherr
                (Nun! - des Wunderbaren. Kann
                Es auch wohl anders sein? Die ganze Welt
                Drängt sich ja hier zusammen.) - Liebe Daja,
                Nehmt für gestanden an, was Ihr verlangt:
                Daß ich sie liebe; daß ich nicht begreife,
                Wie ohne sie ich leben werde; daß ...
                 
                Daja 
                Gewiß? gewiß? - So schwört mir, Ritter, sie
                Zur Eurigen zu machen; sie zu retten:
                Sie zeitlich hier, sie ewig dort zu retten.
                 
                Tempelherr
                Und wie? - Wie kann ich? - Kann ich schwören, was
                In meiner Macht nicht steht?
                 
                Daja 
                In Eurer Macht
                Steht es. Ich bring es durch ein einzig Wort
                In Eure Macht.
                 
                Tempelherr
                Daß selbst der Vater nichts
                Dawider hätte?
                 
                Daja. 
                Ei, was Vater! Vater!
                Der Vater soll schon müssen.
                 
                Tempelherr
                Müssen, Daja? -
                Noch ist er unter Räuber nicht gefallen.
                Er muß nicht müssen.
                 
                Daja. 
                Nun, so muß er wollen;
                Muß gern am Ende wollen.
                 
                Tempelherr
                Muß und gern! -
                Doch, Daja, wenn ich Euch nun sage, daß
                Ich selber diese Sait' ihm anzuschlagen
                Bereits versucht?
                 
                Daja. 
                Was? und er fiel nicht ein?
                 
                Tempelherr
                Er fiel mit einem Mißlaut ein, der mich -
                Beleidigte.
                 
                Daja 
                Was sagt Ihr? - Wie? Ihr hättet
                Den Schatten eines Wunsches nur nach Recha
                Ihm blicken lassen: und er wär' vor Freuden
                Nicht aufgesprungen? hätte frostig sich
                Zurückgezogen? hätte Schwierigkeiten
                Gemacht?
                 
                Tempelherr
                So ungefähr.
                 
                Daja 
                So will ich denn
                Mich länger keinen Augenblick bedenken
                 
                (Pause.)
                 
                Tempelherr
                Und Ihr bedenkt Euch doch?
                 
                Daja 
                Der Mann ist sonst
                So gut! - Ich selber bin so viel ihm schuldig! -
                Daß er doch gar nicht hören will! - Gott weiß,
                Das Herze blutet mir, ihn so zu zwingen.
                 
                Tempelherr
                Ich bitt Euch, Daja, setzt mich kurz und gut
                Aus dieser Ungewißheit. Seid Ihr aber
                Noch selber ungewiß; ob, was Ihr vorhabt,
                Gut oder böse, schändlich oder löblich
                Zu nennen: - schweigt! - Ich will vergessen, daß
                Ihr etwas zu verschweigen habt.
                 
                Daja 
                Das spornt,
                Anstatt zu halten. Nun; so wißt denn: Recha
                Ist keine Jüdin; ist - ist eine Christin.
                 
                Tempelherr 
                (kalt).
                So? Wünsch Euch Glück! Hat's schwer gehalten? Laßt
                Euch nicht die Wehen schrecken! - Fahret ja
                Mit Eifer fort, den Himmel zu bevölkern:
                Wenn Ihr die Erde nicht mehr könnt!
                 
                Daja 
                Wie, Ritter?
                Verdienet meine Nachricht diesen Spott?
                Daß Recha eine Christin ist: das freuet
                Euch, einen Christen, einen Tempelherrn,
                Der Ihr sie liebt, nicht mehr?
                 
                Tempelherr
                Besonders, da
                Sie eine Christin ist von Eurer Mache.
                 
                Daja 
                Ah! so versteht Ihr's? So mag's gelten! - Nein!
                Den will ich sehn, der die bekehren soll!
                Ihr Glück ist, längst zu sein, was sie zu werden
                Verdorben ist.
                 
                Tempelherrvvvv
                Erklärt Euch, oder - geht!
                 
                Daja 
                Sie ist ein Christenkind, von Christeneltern
                Geboren; ist getauft ...
                 
                Tempelherr
                (hastig). Und Nathan?
                 
                Daja 
                Nicht
                Ihr Vater!
                 
                Tempelherr
                Nathan nicht ihr Vater? - Wißt
                Ihr, was Ihr sagt?
                 
                Daja 
                Die Wahrheit, die so oft
                Mich blut'ge Tränen weinen machen. - Nein,
                Er ist ihr Vater nicht ...
                 
                Tempelherr
                Und hätte sie
                Als seine Tochter nur erzogen? hätte
                Das Christenkind als eine Jüdin sich
                Erzogen?
                 
                Daja 
                Ganz gewiß.
                 
                Tempelherr
                Sie wüßte nicht,
                Was sie geboren sei? - Sie hätt' es nie
                Von ihm erfahren, daß sie eine Christin
                Geboren sei, und keine Jüdin?
                 
                Daja 
                Nie!
                 
                Tempelherr
                Er hätt' in diesem Wahne nicht das Kind
                Bloß auferzogen? ließ das Mädchen noch
                In diesem Wahne?
                 
                Daja 
                Leider!
                 
                Tempelherr
                Nathan - Wie?
                Der weise gute Nathan hätte sich
                Erlaubt, die Stimme der Natur so zu
                Verfälschen? - Die Ergießung eines Herzens
                So zu verrenken, die, sich selbst gelassen,
                Ganz andre Wege nehmen würde? - Daja,
                Ihr habt mir allerdings etwas vertraut -
                Von Wichtigkeit, - was Folgen haben kann, -
                Was mich verwirrt, - worauf ich gleich nicht weiß,
                Was mir zu tun. - Drum laßt mir Zeit. - Drum geht!
                Er kömmt hier wiederum vorbei. Er möcht'
                Uns überfallen. Geht!
                 
                Daja 
                Ich wär' des Todes!
                 
                Tempelherr
                Ich bin ihn itzt zu sprechen ganz und gar
                Nicht fähig. Wenn Ihr ihm begegnet, sagt
                Ihm nur, daß wir einander bei dem Sultan
                Schon finden würden.
                 
                Daja 
                Aber laßt Euch ja
                Nichts merken gegen ihn. - Das soll nur so
                Den letzten Druck dem Dinge geben; soll
                Euch, Rechas wegen, alle Skrupel nur
                Benehmen! - Wenn Ihr aber dann sie nach
                Europa führt: so laßt Ihr doch mich nicht
                Zurück?
                 
                Tempelherr
                Das wird sich finden. Geht nur, geht! 
                 
                 
                4. Akt (kommt noch)
               
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