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Kulturgeschichte - Klassik - Mozart als Kinderstar


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Literatur

Wolfgang Amadeus Mozart
Der Kinderstar 1762 - 1767
erstellt von Martin Schlu 2005, aktualisiert 20. 2. 2009

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1762 - 1763 - 1764 -1765 - 1766 - 1767
Nun beginnt für Wolfgang und die vier Jahre ältere Schwester der Tourneebetrieb. Der Vater knüpft für ihn erste Kontakte für die spätere Karriere, allerdings haben die vielen Reisen auch Nachteile: Sie kosten mehr Geld, als sie einbringen und weil man auf den Sponsor Hagenauer und andere angewiesen ist, muß man oft am Komfort sparen. Ungefähr ein Drittel seines Lebens verbringt Mozart in ungeheizten Kutschen, weil der Reiseetat oft nur für die billigsten Verbindungen ausreicht und er wird öfter krank - möglicherweise hat in dieser Zeit sein Abwehrsystem gelitten.
 
Die erste Tournee wird zum Testfall für eine große Tour: Im Januar 1762 spielen die Mozartkinder vor dem bayrischen Kurfürsten Maximilian III. in München - für Leopold ein Zeichen, daß man auch mehr erreichen kann, solange seine Wunderkinder noch Kinder sind. Also wird nun der Kaiserliche Hof in Wien das nächste Ziel.
(Filmhinweis: "Ich hätte München Ehre gemacht", da ist das ganz gut beschrieben)
 
zurück Unterdessen hat der künftige Kaiser eine Tochter bekommen (die als Thronfolgerin aber nur bedingt zählt), seine Frau hat ansonsten mit Männern nichts am Hut und ist lieber mit der Lieblingstochter der Kaiserin, Marie Christine, zusammen, mit der sie eine lesbische Beziehung hat - der künftige Kaiser Joseph ahnt aber nichts davon. weiter
 
 Mitte September fahren Leopold, Wolfgang und Nannerl Mozart los, reisen über Passau und Linz weiter und geben in den größeren Städten Konzerte - gewissermaßen als Generalprobe für den Auftritt am Hof und Leopold organisiert alle Reisen so, daß sich immer ein Bewunderer findet, der in das nächste Ziel vorausfährt, die Werbetrommel rührt und dort die Auftritte vorbereitet. Dadurch finanzieren sich die Reisen im Prinzip selbst.
 
Fiaker in der Wiener Hofburg (Foto: © Martin Schlu 2009)
 
Im Oktober sind sie endlich in Wien und am 13. Oktober spielen Wolfgang und Nannerl vor dem Habsburger Kaiserpaar Franz I. Stephan und Maria Theresia in der Hofburg. Kaiser Franz I. Stephan wird von Wolfgang gebeten, den Hofkomponisten Georg Christoph Wagenseil zu holen, damit dieser Wolfgang bei einem der Wagenseil'schen Klavierkonzerte blättere:
 
"der soll herkommen, der versteht's..."
(zit. nach Hennenberg, 13)
 
- Größenwahn also schon damals, denn selbstverständlich hätten beide Kaiser blättern können - ihre musikalische Vorbildung war exzellent. Maria Theresia läßt - man hat ihr gesagt, daß Musiker nicht viel verdienen - zwei abgelegte Kleider der Prinzen Joseph und Leopold bringen und Wolfgang und Nannerl bekommen endlich eine gute Bühnenkleidung, auch wenn sie schon ein paar Jahre gelegen hat, denn der Kronprinz ist schon 21 Jahre alt und verheiratet. Leopold Mozart schreibt später an die Freunde nach Hause:
 
"Wolferl ist der Kaiserin auf den Schoß gesprungen, hat sie um den Hals bekommen und rechtschaffen abgeküßt. Kurz, wir waren von drei Uhr bis sechs Uhr bei ihr gewesen, und der Kaiser kam selbst in das andere Zimmer heraus, mich hinein zu holen, um die Infantin auf der Violine spielen zu hören."
(zit. nach Gruber, 14, "die Infantin" ist offenbar Marie Christine, die außergewöhnlich kulturell beschlagen war, MS)
 
Die Wirkung dieses Auftrittes ist unglaublich: Mozarts werden ab sofort herumgereicht und spielen einen Auftritt nach dem anderen. Von Wien aus schreibt Leopold auch seinem Freund und Geldgeber Lorenz Hagenauer, er möge sich doch informieren, wie weit er Chancen habe, die begehrte Stelle des Vizekapellmeisters zu bekommen - nach dem Auftritt bei Hofe macht der Vater sich auch Hoffnungen auf eine berufliche Verbesserung:
 
Ich bitte Sie thun Sie mir alles mögliches um zu erfahren, was seiner Hoch: Gnaden denn endlich machen werden, und was Ich endlich wegen der vicecapellmeister Stelle zu hofen habe. Ich frage nicht vergebens. Sie sind mein Freund. Wer weis was ich thue: wenn ich nur weis, wo es endlich hinaus will./ daß ist einmahl gewis, daß ich mich in solchen Umständen befinde, die mir auch hier Brod Verschaffen./ Ich ziehe Salzburg noch immer allen anderem Vortheil vor: allein man Muß auch mich nicht zurück setzen. ...
(zit. nach Publig, S. 30)
 
Im Dezember rächt sich der Streß, dem die Kinder ausgesetzt sind: Wolfgang wird krank und man fährt nach Salzburg zurück, mehr ist im Moment nicht zu erreichen, denn die Kinder brauchen eine Pause und Leopold muß sich um seine Stelle kümmern. An Schule ist aber auch Zuhause nicht zu denken - Nannerl dürfte als Mädchen sowieso keine öffentliche Schule besuchen und der Vater ist ein guter Lehrer, umfassend gebildet, er spricht mehrere Sprachen und kann seinen Kindern alles beibringen, was sie im späteren Leben brauchen werden.
 
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"Nannerl" Mozart 1763,
Ölbild von Pietro Antonio Lorenzon i(?)
 
 
  - 1762 - 1763 - 1763 - 1764 -1765 - 1766 - 1767 - Seitenanfang
Im Februar wird Leopold Mozart vom Erzbischof zum Vizekapellmeister ernannt und die politische Lage ändert sich im gleichen Monat, weil der Siebenjährige Krieg zwischen Preußen und Österreich am 15. Februar beendet wird. Weil man nun gefahrlos durch Europa reisen kann, riskiert Leopold eine große Tournee mit seinen Kindern, so daß sein Dienstherr von seinem neuen Vize nicht mehr viel hat.
 
Im Juli geht Familie Mozart auf die ganz große Tournee. Zuerst geht es wieder nach München, wo man vor dem Kurfürsten Maximilian III. spielt , weitere Stationen sind Augsburg, Passau, Ludwigsburg, Schwetzingen bis nach Frankfurt, wo sie fünf Konzerte geben (Goethe erinnert sich später "des kleinen Mannes in seiner Frisur und Degen noch ganz deutlich" ), den Rhein hinauf über Mainz, Koblenz, Bonn ( 27. und 28. September), Köln (wobei Wolfgang der Dom überhaupt nicht gefällt), weiter nach Aachen, Brüssel bis nach Paris. Dort kommen sie am 18. November an. Daß sie fünf Monate dort bleiben werden, ist nicht abzusehen.
 
Der damalige Kulturpapst Friedrich Melchior Grimm ist von den Mozart-Kindern restlos begeistert und weil er eine Kulturzeitschrift herausgibt, die in ganz Europa von den wichtigsten Leuten gelesen wird ("Correspondence Litteraire..."), hat dies auch Auswirkungen auf künftige Engagements. Grimm schreibt am 1. Dezember:
 
... "Ein Kapellmeister aus Salzburg mit Namen Mozart ist hier kürzlich mit zwei Kindern von allerliebstem Anblick eingetroffen. Seine elfjährige Tochter spielt hinreißend Klavier; sie bewältigt die längste und schwierigsten Stücke mit staunenswerter Sicherheit. Ihr Bruder, der im nächsten Jahr sieben Jahre alt wird, ist ein so ungewöhnliches Wunderkind, daß man kaum glauben kann, was man mit seinen Augen sieht und mit seinen Ohren hört... geradezu unglaublich ist es, ihn eine Stunde lang aus dem Kopfe ... spielen .. zu sehen <die> Menge entzückender Einfälle ... zu sehen, die er zudem geschmackvoll und geordnet aufeinander folgen zu lassen weiß. ... Harmonielehre und Modulation < die Art und Weise, wie man Tonarten verbindet > <kann> der erfahrenste Kapellmeister nicht <besser>... Mühelos liest er alle Noten... er komponiert mit wunderbarer Leichtigkeit.... <und kann> die Melodie, die man ihm vorlegt, in jede gewünschte Tonart ... transponieren..."
(zit nach Böttger, 29)
 
Mit anderen Worten: "Wolfgangerl" kann pianistisch und musikalisch bereits das, was üblicherweise gestandene Kantoren und Kapellmeister können, die zwanzig Jahre älter sind. Übrigens funktionieren die Beurlaubungen Leopolds vom Kapellendienst auch nur deswegen, weil der Domherr beim Fürsterzbischof für Leopold spricht und der wiederum argumentiert, so ein Gottesgeschenk an Begabung dürfe man der Welt nicht vorenthalten. Daß die Familie erst Ende November 1766, also nach dreieinhalb Jahren wieder nach Salzburg kommen wird, kann sich noch niemand vorstellen.
 
zurück - Am 27. November stirbt die junge Ehefrau des künftigen Kaisers Joseph II. bei der Geburt der zweiten Tochter. Es ist also abzusehen, daß Joseph keinen Thronfolger mehr haben wird. - weiter
 
An Heiligabend fahren Mozarts für zwei Wochen nach Versailles (Mozart spielt dort in der Christmette der Hofkirche) und speisen am Neujahrsempfang mit König Ludwig XV. und seiner Frau - beide sprechen gut Deutsch. Natürlich lernt man auch Madame Pompadour kennen, über die Leopold später schreibt:
 
"Sie muß recht schön gewesen sein, denn sie ist noch sauber.
< offensichtlich keine Vernarbungen durch Puderinfektionen>.
Sie ist eine große ansehnliche Person, sie ist fett, wohl bei Leibe
<körperlich noch gesund> ,
aber sehr proportoniert... Sie gibt sich viele Ehre und hat einen ungemeinen Geist..."
(zit. nach Böttger,, 27)
 
1762 - 1763 - 1764 - 1765 - 1766 - 1767 - Seitenanfang
Die Tournee geht am 10. April weiter nach London, wo sie am 23. April ankommen. Dreimal werden sie von König Georg und seiner Frau empfangen und Mozart muß viele Konzerte spielen, viel üben und der Vater veröffentlicht dessen erste Kompositionen: sechs Sonaten für Klavier, Flöte oder Violine und Violoncello.
 
Zwischendurch gibt es erste Einbrüche im Kartenverkauf, aber Leopold schafft es immer wieder, neue Städte aufzutreiben, wo man das Wunderkind und dessen Zirkustricks noch nicht kennt. Nachdem Mozarts ein halbes Jahr in England gespielt haben und neue Kontakte aufgetan haben - unter anderem zu Johann Christian Bach (1735-1782), reisen sie am 1. September ab. Johann Christian Bach hat mit Wolfgang offensichtlich Klavier gespielt und dieser hat sicherlich von ihm profitiert. Zu einem regelmäßigen Unterricht scheint es aber nicht gekommen zu sein.
 
Mozart um 1764, angeblich von Johann Zoffany
 
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Die nächsten Stationen der Tournee sind Lille, Gent, Antwerpen, Rotterdam und Den Haag, wo sie wieder bei verschiedenen Königen und Fürsten auftreten.
 
zurück - Am 18. August stirbt Kaiser Franz Stephan von Lothringen und damit wird Joseph II. neuer habsburgischer Kaiser. Ab sofort weht bei Habsburgs ein frischer kultureller Wind. - weiter
 
Im Herbst erkrankt Nannerl an Bauchtyphus und bekommt am 21. Oktober die Sterbesakramente, doch sie erholt sich wieder. Zwei Wochen später passiert das Gleiche mit Wolfgang.
 
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Am Ende der Tournee geht es nochmal nach Paris, eine kurze Reise in die Schweiz, dort spielen sie in Lausanne und Zürich. Über Donaueschingen geht es wieder nach Bayern, in München und am 29. November sind sie wieder in Salzburg zurück - da ist Wolfgangs Kindheit vorbei.
 
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Bei einer zweiten Wienreise im Herbst brechen Ende des Jahres die "Blattern" (Pocken) aus, die junge Erzherzogin (mit der Wolfgang und Nannerl vor Jahren zusammen musizierten) stirbt und Wolfgang steckt sich an. Kaum ist er gesund, erwischt es Nannerl. Wieder überleben die Kinder nur knapp. Außerdem bekommt Wolfgang mehr Kinderkrankheiten als Nannerl - er hat die labilere Gesundheit und wird auch früher sterben als seine Schwester.
 
Während des Zwangsaufenthaltes in Wien regt Kaiser Joseph II. an, Mozart solle doch eine Oper schreiben und aufführen. Wolfgang schreibt die Oper auch, doch man hat die Befindlichkleiten der Hofkapelle unterschätzt, die nicht von einem Kind dirigiert werden will <was man ja verstehen kann>, die Sänger sagen aus Solidarität zu den Musikern, die Partien seien zu schwer <was natürlich nicht stimmt> , die Oper wird daher abgelehnt und da nützen auch Protestschreiben Leopold nichts. Es läuft einfach nicht so, wie es laufen müßte und das Beziehungsgeflecht in Wien ist für die Familie nicht zu durchschauen. Der Wunderkind-Status löst sich auf.
 
 
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Quellen:
Böttger, 25-32, Gruber, 14-30, Hennenberg 10-21, Publig, S. 35-43, Weissensteiner S. 269-277