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                  Johann Christoph Friedrich Schiller - Don
                  Carlos
                  
                   Fünfter
                  Akt, Erster Auftritt 
                  
                  Ein Zimmer im königlichen Palast, durch
                  eine eiserne Gitterthüre von einem
                  großen Vorhof abgesondert, in welchem Wachen
                  auf und nieder gehen. 
                  Carlos, an einem Tische sitzend, den Kopf
                  vorwärts auf die Arme gelegt, als wenn er
                  schlummerte. Im Hintergrunde des Zimmers einige
                  Officiere, die mit ihm eingeschlossen sind. Marquis
                  von Posa tritt herein, ohne von ihm bemerkt zu
                  werden, und spricht leise mit den Officieren,
                  welche sich sogleich entfernen. Er selbst tritt
                  ganz nahe vor Carlos und betrachtet ihn einige
                  Augenblicke schweigend und traurig. Endlich macht
                  er eine Bewegung, welche diesen aus seiner
                  Betäubung erweckt. 
                   
                  Carlos (steht auf, wird den Marquis gewahr und
                  fährt erschrocken zusammen. Dann sieht er ihn
                  eine Weile mit großen starren Augen an und
                  streicht mit der Hand über die Stirne, als ob
                  er sich auf etwas besinnen wollte). 
                   
                  Marquis 
                  Ich bin es, Carl. 
                   
                  Carlos (gibt ihm die Hand) 
                  Du kommst sogar noch zu mir? 
                  Das ist doch schön von dir. 
                   
                  Marquis 
                  Ich bildete 
                  Mir ein, du könntest deinen Freund hier
                  brauchen. 
                   
                  Carlos 
                  Wahrhaftig? Meintest du das wirklich? Sieh! 
                  Das freut mich - freut mich unbeschreiblich.
                  Ach! 
                  Ich wußt' es wohl, daß du mir gut
                  geblieben. 
                   
                  Marquis. Ich hab' es auch um dich verdient. 
                   
                  Carlos. Nicht wahr? 
                  O, wir verstehen uns noch ganz. So hab' 
                  Ich's gerne. Diese Schonung, diese Milde 
                  Steht großen Seelen an, wie du und ich. 
                  Laß sein, daß meiner Forderungen
                  eine 
                  Unbillig und vermessen war, mußt du 
                  Mir darum auch die billigen versagen? 
                  Hart kann die Tugend sein, doch grausam nie, 
                  Unmenschlich nie - Es hat dir viel gekostet! 
                  O ja, mir däucht, ich weiß recht gut,
                  wie sehr 
                  Geblutet hat dein sanftes Herz, als du 
                  Dein Opfer schmücktest zum Altare. 
                   
                  Marquis. Carlos! 
                  Wie meinst du das? 
                   
                  Carlos. Du selbst wirst jetzt vollenden, 
                  Was ich gesollt und nicht gekonnt - Du wirst 
                  Den Spaniern die goldnen Tage schenken, 
                  Die sie von mir umsonst gehofft. Mit mir 
                  Ist es ja aus - auf immer aus. Das hast 
                  Du eingesehn - O, diese fürchterliche
                  Liebe 
                  Hat alle frühen Blüthen meines
                  Geistes 
                  Unwiederbringlich hingerafft. Ich bin 
                  Für deine großen Hoffnungen
                  gestorben. 
                  Vorsehung oder Zufall führen dir 
                  Den König zu - es kostet mein
                  Geheimniß, 
                  Und er ist dein - du kannst sein Engel werden. 
                  Für mich ist keine Rettung mehr -
                  vielleicht 
                  Für Spanien - Ach, hier ist nichts
                  verdammlich, 
                  Nichts, nichts, als meine rasende Verblendung, 
                  Bis diesen Tag nicht eingesehn zu haben, 
                  Daß du - so groß als zärtlich
                  bist. 
                   
                  Marquis. Nein! Das, 
                  Das hab' ich nicht vorhergesehen - nicht 
                  Vorhergesehn, daß eines Freundes
                  Großmuth 
                  Erfinderischer könnte sein, als meine 
                  Weltkluge Sorgfalt. Mein Gebäude
                  stürzt 
                  Zusammen - ich vergaß dein Herz. 
                   
                  Carlos. Zwar, wenn dir's möglich wär'
                  gewesen, ihr 
                  Dies Schicksal zu ersparen - sieh, das
                  hätte 
                  Ich unaussprechlich dir gedankt. Konnt' ich 
                  Denn nicht allein es tragen? Mußte sie 
                  Das zweite Opfer sein? - Doch still davon! 
                  Ich will mit keinem Vorwurf dich beladen. 
                  Was geht die Königin Dich an? Liebst du 
                  Die Königin? Soll deine strenge Tugend 
                  Die kleinen Sorgen meiner Liebe fragen? 
                  Verzeih mir - ich war ungerecht. 
                   
                  Marquis. Du bist's. 
                  Doch - dieses Vorwurfs nicht. Verdient 
                  Ich einen, dann verdient' ich alle - und 
                  Dann würd' ich so nicht vor dir stehen. 
                  (Er nimmt sein Portefeuille heraus.) 
                  Hier 
                  Sind von den Briefen ein'ge wieder, die 
                  Du in Verwahrung mir gegeben. Nimm 
                  Sie zu dir. 
                   
                  Carlos (sieht mit Verwunderung bald die Briefe,
                  bald den Marquis an). 
                  Wie? 
                   
                  Marquis. Ich gebe sie dir wieder, 
                  Weil sie in deinen Händen sichrer jetzt 
                  Sein dürften, als in meinen. 
                   
                  Carlos. Was ist das? 
                  Der König las sie also nicht? bekam 
                  Sie gar nicht zu Gesichte? 
                   
                  Marquis. Diese Briefe? 
                   
                  Carlos. Du zeigtest ihm nicht alle? 
                   
                  Marquis. Wer sagt' dir, 
                  Daß ich ihm einen zeigte? 
                   
                  Carlos (äußerst erstaunt). Ist es
                  möglich? 
                  Graf Lerma. 
                   
                  Marquis. Der hat dir gesagt? - Ja, nun 
                  Wird Alles, Alles offenbar! Wer konnte 
                  Das auch voraussehn? - Lerma also? - Nein, 
                  Der Mann hat lügen nie gelernt. Ganz
                  recht, 
                  Die andern Briefe liegen bei dem König. 
                   
                  Carlos (sieht ihn lange mit sprachlosem Erstaunen
                  an). 
                  Weßwegen bin ich aber hier? 
                   
                  Marquis. Zur Vorsicht, 
                  Wenn du vielleicht zum zweiten Mal versucht 
                  Sein möchtest, eine Eboli zu deiner 
                  Vertrauten zu erwählen. 
                   
                  Carlos (wie aus einem Traum erwacht). Ha! Nun
                  endlich! 
                  Jetzt seh' ich - jetzt wird Alles Licht - 
                   
                  Marquis (geht nach der Thüre). Wer kommt? 
                  
                    
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