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Spätrenaissance - Jochim Schlu - Rezension der Rostocker Zeitung v. 01.01.1893


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Nr. 1 Erste Beilage zur Rostocker Zeitung v. Sonntag, dem 1. Januar 1893
(klebt als Zeitungsausschnitt in der Freybe-Ausgabe 1892 der ULB Bonn Ex. Fa 502)
Verfasser unbekannt, Signatur innerhalb der Zeitung:
"B-n" - Original lesen
(Größe: ca. 1,7 MB)

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Literargeschichtlich  und zugleich sprachgeschichtlich bedeutsam ist in Schlu's Comödie die Mischung der von Hochdeutsch und Niederdeutsch. Das finden wir allerdings auch sonst noch vielfach . Während aber sonst gewöhnlich nur die geringen Leute, die Bedienten, die Bauern, die Rüpel niederdeutsch zu sprechen haben und die Vertreter der höheren Stände sich des Hochdeutschen bedienen, ist bei Schlu ein solches Verhältnis durchaus nicht zu finden. Bei ihm redet die Mehrzahl der Personen niederdeutsch. Hochdeutsch verfaßt sind die eigentlich lehrhaften Theile der Comödie, der Prolog und die sogenannten Argumente vor den einzelnen Acten und der Schluß. Auch der Engelgesang und eine Rede des Engel Michael sind hochdeutsch, ferner mehrere Schülergespräche und die rede eines Junkers. Sehr charakteristisch ist, daß auch der Böse, der Teufel, sich hochdeutsch vernehmen läßt. Sonst aber haben wir niederdeutsche Rede. Nicht bloß der Geck, die Dienerschaft, die Bauern sprechen in ihrem heimischen Idiome, sondern der Dichter läßt auch Abraham, Sara, Isaac und verschiedene andere Gestalten des alten Testaments und sogar, was nicht minder charakteristisch ist, Jehova niederdeutsch sprechen. Und ebenso hat sich auch der Engel Michael einmal zu äußern. In dieser Bevorzugung des Niederdeutschen, ohne Zweifel ein Nachhall aus alter Zeit, die jene Mischung nicht kannte und für alle Personen nur eine einzige Sprache bereit hatte, steht für die zeit des beginnenden 17. Jahrhunderts Schlu's Isaac bis jetzt einzig da. Aber auch das ist bedeutsam, daß Schlu, dem Geiste der Zeit folgend, auch der hochdeutschen Rede ihren Antheil vergönnte. 

Aus seiner Behandlung des Hochdeutschen erleben wir aber auch, daß er vielfach niederdeutsch gedacht und Reime angewandt hat, die sich nur gezwungen in die hochdeutsche Rede fügen. Andererseits ist sein Niederdeutsch auch nicht ganz frei von hochdeutschen Einflüssen, was nicht zu verwundern ist, weil er ein hochdeutsches Drama, den Abraham Georg Rollenhagen's, zu bearbeiten sich vorgesetzt hatte.Diese Thatsache hat Gaedertz in der gedachten Monographie nachgewiesen. Wie angedeutet, ließ er die Hauptscenen in den beiderseitigen Fassungen neben einander drucken. Der Stellen waren es verhältnismäßig nicht viele, so daß ich von Gaedertz's Behauptung nicht völlig überzeugt war und ich habe das auch in einer Besprechung der Monographie von Gaedertz bekannt (4). Mir machte umgekehrt Schlu's Isaac den Eindruck des Originals: einiger Reime und Ausdrücke wegen; sodann machte ich geltend, daß Rollenhagen in seiner Diction oft recht unbeholfen sei, Schlu dagegen sich natürlicher und freier bewege. Abgesehen von der schwer ins Gewicht fallenden Entstehungszeit der beiden Stücke - Abraham 1569, Isaac 1606 -- wobei freilich die Möglichkeit nicht ausgeschlossen wäre, daß Schlu ein älteres niederdeutsches Stück, das auch Rollenhagen hätte bekannt werden können, wiederholt hätte, zeigt uns jetzt das weitere der Vergleichung sich darbietende Material, daß Gaedertz doch im Recht war mit seiner Annahme, daß Schlu aus Rollenhagen's Abraham geschöpft hat. Jene Unbeholfenheit Rollenhagen's beruht in der Gebundenheit der damaligen hochdeutschen Metrik, welche Regelmäßigkeit und bestimmte Silbenzahl erheischte, während der frische Charakter der niederdeutschen Poesie in der Freiheit der Versbehandlung wurzelt.

 Außer dem Abraham hat Schlu, worauf Freybe aufmerksam macht, auch Stellen aus der Comoedia de nuptialu contractu Isaaci (Heyraths=Spiegel) von Johannes Bütow benutzt.

Daß aber Schlu auch ohne Vorlage schaffen konnte, bisweilen eine ganze Reihe Scenen, die er selbständig verfaßt hat. Eben in ihnen zeigt sich gerade am erfreulichsten sein Dichtertalent.
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 (4)Verfasser s. o.: Im Literatur=Blatt für germanische und romanische Philologie. 3. Jahrgang 1882, Nr. 6, S. 219

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