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Lyrik bis zur ZAP- Übersicht


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Lyrik - Übersicht bis zur ZAP
Checkliste Gedichtinterpretation (9./10. Klasse)
erstellt von Martin Schlu, September 2008

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1. Schritt - Lesen mit Unterstreichen
Das Gedicht wird still gelesen, Stellen, die auffallen, werden einfach unterstrichen. Versuche bereits jetzt zu erfassen, wo Du ansetzen wirst, worum es geht und - ganz wichtig - ob Du Zugang zum Gedicht hast, ob es Dir gefällt.
 
Stichwörter: Sinnentnahme - Außergewöhnliches - Zustimmung/Ablehnung
 
Mufflepuff
(Harry Potter, Hogwarth 2003)
 
Ganz alleine lauf ich durch den Garten
Regen scheint mir tränendunkles Rauschen
Kann nicht mehr auf meine Liebe warten
Hör' nie wieder jenes stille Lauschen.
 
Peitschte doch die Weide, dass mein Mädchen
Endlich ginge mir aus meinem Sinne
Doch das Schicksal dreht mir an dem Rädchen
Und die große Liebe ist dahinne.
 
Treibt das Schicksal mit mir böse Spiele
dunkel, schwarz, so wie die Nacht am See
Nimmt der Freund mein Mädchen, wie so viele?
Diese Art von Freundschaft tut mir weh.
 
Weidengleich wiegt Wind wohl meine Seele
Zweige fassen mich so wie mein Mädchen
Leere gähnt - ich fühle, wie ich fehle -
und die Liebe stirbt. - Das Fädchen
 
meines Lebens reißt. Die Weide taumelt
Wie der Boden unter meinen Füßen
Ja, ich muß für Ron und Mine büßen
Und die Seele hängt und baumelt
 
Bin ich künftig so wie einst Nils Randers?
Glück und Zukunft liegen halt woanders.
 
 
2. Schritt - Blitzlicht
Du notierst erste Stichwörter an den Rand oder auf das Konzeptpapier, egal ob formale oder inhaltliche Dinge. In dieser Phase bist Du Sammler und Jäger und hältst erst einmal alle Ideen fest.
 
Stichwörter: Ideensammlung - Materialsammlung - Vorsortieren
 
 
3. Schritt - Inhaltsangabe
Du versuchst Sätze zu formulieren, die beschreiben, worum es in diesem Gedicht geht. Das geht am besten, wenn Du dies für jeden Sinnabschnitt einzeln machst. Ein Sinnabschnitt kann eine Strophe sein, ein Absatz,eine Zeilengruppe - das hängt vom Text ab. Du lässt außerdem zwei bis drei Zeilen für den Einleitungssatz frei. Einleitungssätze haben meist diese Struktur:
 
"Im Gedicht 'Mufflepuff" von Harry Potter (entstanden auf Schloss Hogwarth, 2003) beschreibt der Autor die unerfüllte Liebe zu einem Mädchen, das nicht ihn, sondern seinen besten Freund liebt."
 
Ein Satz muss reichen - es heißt ja "Einleitungssatz"
 
Stichwörter: Autor, Titel, Entstehungsort und -zeit, Handlung und Thematik
 
 
4. Schritt - Formanalyse
Du schaust, ob es solche Dinge gibt wie Strophen, Reimschema, Versfuß, Enjambement etc. - Du stellst fest, was vorliegt, erkennst und benennst alles und bist dabei möglich vollständig. In dieser Phase ist wichtig, alles zu erkennen - die Erklärung, warum diese Dinge so sind, lieferst Du in der Interpretation. Dieser Teil der Arbeit sieht meistens so aus:
 
"Das Gedicht 'Mufflepuff" von Harry Potter besteht aus fünf trochäischen Quartetten im Pentameter, die im Kreuzreim verfasst wurden. Die letzte Strophe weicht mit einem eingeschlossenen Reim davon ab und endet mit einem zusätzlichen abgesetzten Paareim als Epilog"
 
Manchmal klappt es nicht, weil sich der Autor an keine Konvention hält. Das muss dann auch benannt werden:
 
"Das Gedicht 'Mufflepuff" von Harry Potter hat keine feste Form, keine regelmäßigen Strophen und ein
regelmäßiger Versfuß wird auch nicht durchgehalten. Einzelne Abschnitte haben drei, andere vier oder
fünf Zeilen und ein Reim ist auch nicht erkennbar.
 
Stichwörter: Strophe - Aufbau - Reimschema - Versfuß - Betonung - Enjambement
 
 
5. Schritt - Sprachliche Mittel
Du notierst, ob es sprachliche Mittel gibt und welche es sind. Auch hier wird zunächst nur benannt - die Erklärung, warum das so ist, gehört in die Interpretation.
 
Stichwörter: Personifikation - Depersonifikation - Anapher - Metapher - Vergleich - Paradoxon - Chiffre -
Symbol - Alliteration - Euphemismus - Allegorie
 
 
6. Schritt - Anfang der Interpretation
Das ist der eigentliche Hauptteil der Arbeit, der wichtigste Teil, der am meisten Punkte bringt. Hier entscheidet sich, ob Deine Arbeit gut oder schlecht wird, denn eine reine Beschreibung von Inhaltsangabe, Form und sprachlichen Mittel wird nie besser als eine Vier werden.
 
Es gibt zwei Ansätze der Interpretation: beim werkimmanenten Ansatz weiß man nicht über den Autor oder die Autorin und muss alles, was man erklärt, mit dem Text belegen. Bei der positivistischen Methode versucht man, die Informationen über den Autor einzubauen und zu erklären, in welchem Lebensabschnitt das Werk entstand und welcher biographische Bezug vorliegt.
 
Bei beiden Ansätzen ist es nun nötig, die Schritte vier und fünf zu erklären. Spekulation und Mutmaßung ist angebracht, doch entscheidend sind nicht nur Deine Ideen der Erklärung, sondern es zählt vor allem die Qualität deiner Begründung.
 
1. "Harry Potter verwendet in der ersten Strophe des Gedichtes 'Mufflepuff" vorwiegend dunkle Farbadjektive und dies erzeugt eine dunkle Stimmung beim Leser, der die Trauer des Ich-Erzählers damit nachvollziehen kann. Der Kreuzreim der ersten vier Strophen symbolisiert das Kreuz, das der Ich-Erzähler durch den Verlust der Liebe zu der angebeteten Hermine zu tragen hat und die vergossenen Tränen finden sich in den Beschreibungen des Regens vor allem in den Metaphern "tränendunkles Rauschen" und "stilles Lauschen". Die Personifikation der "peitschenden Weide" zeigt die Schmerzen, die der Ich-Erzähler erleidet, wenn Hermine als Zweig dieses Baumes dargestellt und damit depersonifiziert wird.. ... Wenn am Ende des Gedichtes der Paarreim steht, kann man auf ein glückliches Ende hoffen, das im Gedicht selber aber nur angedeutet wird - hier durch die Worte "künftig" und "woanders".
(werkimmanenter Ansatz)
 
2. "Harry Potter beschreibt den Verlust der Geliebten Hermine so gefühlvoll, wie es nur jemand kann,
der Vergleichbares durchlitten hat, wie Potter in jungen Jahren, als er seine Eltern verlor. Die Metapher
der "gähnenden Leere" in Z15 beschreibt die Einsamkeit des Ich-Erzählers, der Potter selber sein dürf
te. Das Enjambement in Z16/17, das sogar über zwei Strophen geht, beschreibt die Zerissenheit eines
Teenagers, der glaubt, alles verloren zu haben, was man verlieren kann - eine Erfahrung, die Potter mit
dreizehn Jahren beim Tod seines Onkels erlebte....
(positivistischer Ansatz)
 
Stichwörter: werkimmanenter Ansatz ausschließlich aus dem Text - positivistische Methode aus der Biographie und Sozialgeschichte
 
 
7. Schritt - Zusammenfassung
Du wiederholst die Thematik des Gedichtes, benennst die wichtigsten handwerklichen Details, ordnest sie in den Zusammenhang der Interpretation ein und bewertest das Gedicht. Dabei stellst Du heraus, was deiner Meinung nach geglückt ist, darfst aber auch kritisieren, wenn Dir etwas nicht gefallen hat. Am Ende des Aufsatzes fasst Du das Wichtigste in einem Satz zusammen.
 
"Harry Potter ist der Ich-Erzähler, der, ähnlich dem ausgelernten Zauberer, die sprachliche Materie beherrscht und den Leser an seinen Gefühlen teilhaben lässt. Sorgfältig ausgewählte Metaphern und Alliterationen erzeugen eine Stimmung, die zwar anfänglich traurig ist, jedoch Hoffnung auf eine - wenn auch in der Ferne liegende - glücklichere Zukunft aufkommen lässt. Trotzdem kann ich Potters traurige Grundstimmung nicht uneingeschränkt teilen, weil Hermine gerade bei mir ist.
Stichwörter: Schwerpunktsetzung - eigene Meinung - Schlußsatz
 
8. Schritt - Fehlerkontrolle
Dein Text ist jetzt fertig. Überprüfe zumindest die größten Fehlerquellen: sind alle Nomen und Satzanfänge groß geschrieben? Hast Du bei Zitaten die Gänsefüßchen und die Belegstelle gesetzt? Steht bei den Objektsätzen das "dass" nach dem Komma?
 
Ich finde, dass der Text rundum gelungen ist und mir gefällt.
 
Stichwörter: Kontrolle -Bestätigung - Entspannung
 

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