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Kulturgeschichte - 20. Jahrhundert


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Nachwort

Kindheit im Nationalsozialismus
1933 Bund Deutscher Mädel

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Als ich acht Jahre alt war (1933), meine Großmutter Langenbach war im Mai gestorben, wurde ich von einer Kindergärtnerin gefragt, ob ich nicht mal mit in die Kükenschar kommen wollte. Ich wollte, denn es gab sonst keine Gruppe, in der man was unternehmen konnte. Ich war auch nie im Kindergarten gewesen,so wollte ich das ganze mal kennenlernen. Jede Woche war einmal ein Nachmittag vorgesehen. da wurden Spiele gemacht (Kreis- oder Laufspiele, Ratespiele, („Teekesselchen" ist so eins). Jemand las ein Märchen vor, das wurde dann nachgespielt. Wir haben auch schöne Lieder gelernt. Nach einiger Zeit - vielleicht nach einem Jahr - hieß die Kükenschar dann „Jungmädelgruppe" Jungmädel waren die Mädchen von zehn bis vierzehn Jahren, ab vierzehn gehörte man zum BDM. Ich war zwar noch nicht zehn , aber ich durfte dabeibleiben. Ich habe immer viel Spaß dabei gehabt. Das Programm verlief immer ähnlich: Singen, Spielen, später kamen Fahrtenspiele dazu. Dann mußte man einige Daten lernen über die NSDAP (Nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei), z.B. der Führer Adolf Hitler hatte am 20. April Geburtstag ,
 
(statt Kaisers Geburtstag wurde nun Führers Geburtstag gefeiert, man sang die Hymne und die Kinder hatten schulfrei; die Holländer feiern bis heute ihren „Koniginnendag" auf die gleiche Art und sie sind nicht die sicher nicht die Einzigen, die das tun. MS)
 
war in Braunau am Inn geboren (der Name „Österreich" wurde vermieden. Es hatte am 9. November bei einem Aufmarsch in München an der Feldherrnhalle ein Gefecht gegeben, bei dem sechzehn „alte Kämpfer" ums Leben gekommen waren. Darum war der 9. November ein Gedenktag. Wir lernten das passende Lied dazu:
 
„In München sind viele gefallen,
in München war'n viel dabei -
es traf vor der Feldherrnhalle
16 Helden das tödliche Blei."
 
(Ich kann die Melodie heute noch singen).
 
(Es hat natürlich vorher und nachher noch mehr geschichtsträchtige 9. November gegeben, 1918 wurde an diesem Datum z.B. durch die Unterschrift des Grafen Brockdorf-Rautzau im Wald von Compiegne Deutschlands Kapitulation und damit das Ende des Ersten Weltkriegs besiegelt - eine Anekdote, die immer als „Schandvertrag von Versailles" in den Lesebüchern stand und später „Dolchstoßlegende" und Führergehorsam erst möglich machten. 1938 wurde an diesem Datum die „Reichsprogromnacht/Kristallnacht" durchgeführt, 1990 fiel die Berliner Mauer. Das erste Datum des 9. November wurde unter den Nazis wohlweislich verschwiegen, die letzteren Daten wurden erst später aktuell.... MS)
 
Inzwischen war die gesamte Hitlerjugend (HJ) zur Staatsjugend erklärt worden. Wir hatten einen Mordsspaß, denn jeden Samstag war Staatsjugendtag und daher schulfrei. Wir machten dann mit unserer Jungmädelschar Wanderungen in die Umgebung. Am schönsten war es, Fahrtenspiele zu unternehmen, „Schnitzeljagd" oder „Räuber und Schanditz" (Gendarm = Polizist) etwa. Wenn schlechtes Wetter war, konnte man in einer Schulklasse sitzen und singen (immer zu Beginn) oder Scharaden spielen und Ähnliches. Ein Komponist und Dichter der damaligen Zeit wurde wegen seiner schönen Lieder bekannt: Hans Baumann. Ich besitze noch heute ein Liederbuch von ihm und freue mich an den schönen Melodien und Texten. Selbst Lieder, die im Kriege zur Stärkung des Heimatbewußtseins und Siegeszuversicht dienen sollten, hat er lyrisch wunderschön verpackt, z.B.:
 
„In den Krieg will ich reiten,
eh' ich Brautrosen pflück,
laß mein einjährig Fohlen
bei der Liebsten zurück"
 
Zur Unterstützung wurden auch Hilfsmittel geboten: „Liederblatt der Hitlerjugend". Diese Blätter enthielten viele alte deutsche Volkslieder sowie auch neues Liedgut, z.B. Hans Baumanns. Wir haben auch sehr gerne Kanons gesungen. So kam es wie von selber, daß ich auch mal ein schon geübtes Lied „dirigieren" durfte und später auch ein neues einübte.
 
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