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Brandenburg - eine Annäherung
Text und Fotos: © Martin Schlu 2007-2016, Stand: 6. August 2016

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Werder - Ribbeck - NeuruppinSchloß Rheinsberg - Kloster Lehnin - Potsdam Lübben - Der Spreewald  - Luckau - CottbusFürst Pückler und Schloß Branitz 

Einleitung
Brandenburg kannte ich immer nur über Bachs „Brandenburgische Konzerte“ und die Geschichte des Kurfürsten, der die sechs Konzerte zwar bestellt hatte, aber den Betrag dafür dem alten Bach sein Leben lang schuldig blieb. In meiner Schulzeit um 1970 waren die Landschaften der DDR etwas, worüber man nicht sprach und auch, wenn ich einen ostpreußischen Erdkundelehrer hatte (Eitel Bink) konnte der mich für die Geschichte Ostpreußens, Schlesiens  der Mark Brandenburg oder der Lausitz nicht wirklich begeistern und so blieben in meiner geistigen Landkarte etliche weiße Flecken. Im Studium las ich dann natürlich Fontane, machte über die „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ aber einen Bogen, weil ich nicht wußte, worüber diese Beschreibungen gingen und erst viel später, als Eitel Bink schon lange tot war und meine eigenen Kinder in der Pubertät waren (die Zeit also, in der die Eltern schwierig werden), kam es zu ersten Berührungen mit dem unbekannten Land um Berlin herum. Immer noch ist mir Mecklenburg und Vorpommern geläufiger, aber - das habe ich mittlerweile gelernt - die spröde Schönheit zwischen der Mark und der Lausitz braucht ihre Zeit und nach bald zehn Jahren Besuch traue ich mich jetzt auch, darüber zu schreiben. Auch auf die Gefahr, daß Eitel Bink sich oben ins Fäustchen lacht, weil er mich doch drangekriegt hat, empfehle ich als Vorbereitung ein bißchen aus Fontanes „Wanderungen“ (die eine und andere Textstelle werde ich gegenüberstellen), den einen oder anderen Spreewaldkrimi zwischen Lübben und Lübbenau, die fehlerfreie Aussprache des Satzes „Der Cottbuser Postkutscher putzt den Cottbuser Postkutschkasten“, einige Passagen aus „Good Bye Lenin“ , in denen es um Spreewaldgurken geht und spätestens danach ist der Märkische Sand nicht mehr ganz so trocken, wie er am Anfang scheint.

Alleen in Brandenburg - Zeit muß man mitbringen
Eine typische Allee in Brandenburg - gerade, mit Bäumen bewachsen und eng.

Vorankommen in Brandenburg ist wie Autofahren in Rügen. Oft sind Nebenstraßen noch gepflastert, die Alleen sind eng, die Bäume stehen nur wenige Meter auseinander und alle paar Kilometer erinnert ein Holzkreuz an einen Unfalltoten (oder mehrere), denn wer nachts zu schnell fährt und einen Fahrfehler macht, klebt am unweigerlich am Baum. Die Straßen sind lang und gerade und verleiten zum schnellen Fahren, aber da reicht schon ein mittlerer Wildwechsel und es knallt. Auch am Tage muß man damit rechnen, daß irgendwelche Viecher über die Straßen wollen - heute war es eine freilaufende Ziege und ein tieffliegender Storch mit einem Frosch im Schnabel.
Aus gutem Grund sollte man deshalb nicht hundert fahren - spätestens beim nächsten LKW ist ja sowieso Schluß, weil man den meistens kilometerlang nicht auf den Landstraßen überholen kann. Geduld ist also ganz wichtig.
Sehr oft hat man auch ein 30km-Schild, das für LKWs abends in den Ortschaften gilt und dann kann man sowieso nur abwarten. Man braucht für diesen Landstrich einfach
Zeit und in Brandenburg geht es weniger um das Ziel als um den Weg dorthin. An Ferienwochenenden tut man übrigens gut daran nicht über die A 19 zu fahren, sondern nimmt besser die B96, die teilweise sehr gut ausgebaut ist. Wir haben letztens festgestellt, daß auf der Strecke Berlin-Rostock der Weg über die B96 selbst mit großem Umweg schneller war, als wenn wir noch zwei weitere Stunden auf der Autobahn gestanden hätten. Da ist eine analoge Karte aus Papier sehr hilfreich....
Eine gute Möglichkeit, das nördliche Brandenburg zu erkunden, ist ein Quartier in Werder an der Havel. Damit hat man die Möglichkeit, schnell mal nach Potsdam hineinzufahren und sich durch die Hohenzollern-Geschichte durchzuarbeiten, man kann das Havelland durchkreuzen, weiter nach Neuruppin und West-oder Ostpriegnitz und am Ende des Tages ist man wieder dort, wo die nächsten Tage das Zuhause sein wird. 2007 haben wir so begonnen, hatten auf der Havelinsel eine Bleibe in einem ehemaligen Kloster und konnten uns dem nördlichen Brandenburg ein bißchen nähern. Dies haben wir länger beibehalten, doch dieses Jahr sind wir direkt südlicher eingestiegen, haben die Wohnung im Spreewald und die Tagestouren gehen nun bis zur Lausitz.

Eine der vielen Ferienwohnungen, die man hier mieten kann
Eine der vielen Ferienwohnungen, die man hier mieten kann

Als wir das erste Mal hier waren, wohnten wir auf der Havelinsel an der Mühle in Werder. Die Wohnung lag zwischen der Kirche und der alten Mühle, hatte Havelanschluß am Garten und wir haben etliche Abende dort gesessen, aufs Wasser geschaut, Enten und Schwäne beobachtet und dabei findet man als gestreßter Großstadtmensch durchaus seine Ruhe. Die Kinder waren noch nicht zu groß und ließen sich unproblematisch auf  Spielplatz oder in der Innenstadt parken, stromerten auf dem Inselchen herum und verlorengehen konnte keiner. Am Ostersamstag wurden überall die Osterfeuer entzündet und brannten bis zum frühen Morgen, während die Kirche um Mitternacht ihre Glocken hören ließ. Diese Wohnung diente uns eine Woche lang als Stützpunkt und wir haben später die Lage zu schätzen gewußt: Über die Havelbrücke war man in fünf Minuten in der Altstadt von Werder, mit dem Auto in einer Viertelstunde in Potsdam und in einer guten halben Stunde in Berlin. Nach Rheinsberg waren es anderthalb Stunden, ebenso nach Neuruppin und wir haben in dieser ersten Brandenburger Woche gelernt, daß das Land zu groß ist um es in einer Woche auch nur annähernd kennenzulernen. Um Nordrhein-Westfalen zu verstehen, habe ich mein ganzes Leben gebraucht und dieses Bundesland ist nur ein bißchen größer als Brandenburg, hat allerdings mehr als siebenmal soviele Einwohner - auch das merkt man auf den Touren.

Auto oder Motorrad ist ein Muß, wenn man etwas sehen will, Bus, Bahn oder Fahrrad kann man getrost vergessen, denn Fahrradfahren ist außerhalb der Radwege nicht wirklich zu empfehlen, weil man in den Dörfern sehr oft noch Schotterpisten oder dieses grobe Kopfsteinpflaster hat, was der GröFaZ als panzertaugliches Kopfsteinpflaster verlegen ließ (Kantenlänge etwa 35 cm) und von der Nazi-Zeit bis heute liegen diese Blöcke auf den Straßen. Die DDR hat seit 1949 zwar ein paarmal drüber asphaltiert, aber das hilft nicht auf Dauer und alle Straßen auf vernünftiges Niveau zu bringen hat seit der Wende keine Regierung geschafft. Es wäre auch zu teuer. Wer partout Fahrrad fahren will, ist mit einem Mountain-Bike mit extra dicken Reifen gut beraten und pumpt sie halt nur zur Hälfte auf - auch das federt.

Kopfsteinpflaster aus der Zeit vor dem letzten Krieg
Kopfsteinpflaster aus der Zeit vor dem letzten Krieg

Thedor Fontane:
Herr auf Ribbeck

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
ein Birnbaum in seinem Garten stand
und kam die goldene Herbsteszeit
und die Birnen leuchteten weit und breit,
da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
und kam in Pantinen ein Junge daher,
so rief er: "Junge, wiste 'ne Beer?"
Und kam ein Mädel, so rief er: "Lütt Dirn,
kumm man rüwer, ick hebb ne Birn."

So ging es viel Jahre, bis lobesam
der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
wieder lachten die Birnen weit und breit
da sagte von Ribbeck: "Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab."
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
trugen von Ribbeck sie hinaus,
alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
sangen "Jesus, meine Zuversicht",
und die Kinder klagten, das Herze schwer:
"He is dod nu. Wer giwt uns nu ne Beer?"





So klagten die Kinder. Das war nicht recht -
ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht ;
der neue freilich, der knausert und spart,
hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorausahnend schon
und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
der wußte genau, was damals er tat,
als um eine Birn ins Grab er bat,
und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gehn wohl auf und ab,
längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
und in der goldenen Herbsteszeit
leuchtet's wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her,
so flüstert's im Baume: "Wiste 'ne Beer?"
Und kommt ein Mädel, so flüstert's: »Lütt Dirn,
kumm man röwer, ich gew di ne Birn."


So spendet Segen noch immer die Hand
des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
Ribbecks Birne

Ribbeck
An Ribbeck kommt man im Havelland einfach nicht vorbei und so sollte man - wenn schon Brandenburg, dann auch richtig -  möglichst eine Landstraße fahren (die hier nach hugenottischer Tradition noch „Chausseé“ heißt) und das Navi auslassen. Die Landstraßen führen durch Orte wie Ketzin, Etzin, Tremmen, Groß-Benitz und so weiter und so braucht man für die knapp 50 km von Werder nach Ribbeck auch gut zwei Stunden - trotz freier Landstraßen. Nach einer Stunde hat man gute Fahrt über die B5 und diese Straße führt einen direkt nach Ribbeck zum berühmten Doppeldachhaus, das in seiner jetzigen Form ein anderes ist als das, was Fontane auf seinen „Wanderungen...“ gesehen hat. Bis 1943 war es von Nachfahren der Ribbecks bewohnt (daher auch der Familienfriedhof hinter der Kirche), nach dem Krieg war es zu DDR-Zeiten ein Altenheim, nach der Wende wurde das Altenheim „freigezogen“ (was immer das heißt) und unter der Treuhand gab es keinen Ribbeck mehr, der es hätte weiterführen wollen oder können und so hat es der Landkreis Havelland ab 2005 saniert und irgendwie vermarktet. Heute ist es ein Hotel.

Aber es gibt noch Spuren der von Ribbecks. In der Kirche hängt eine Gedenktafel des Hans Georg Carl Friedrich Ernst von Ribbeck, der 1882 im Alter von 83 Jahren starb und Fontanes Vorlage für das 1889 entstandene Gedicht sein könnte, weil die Widmung der Gedenktafel vom Enkel und Nachfolger auf Gut Ribbeck ist. Blöderweise hatte der alte Ribbeck aber keine Kinder, so daß das Verhältnis zwischen dem alten Ribbeck des Gedichts und dem literarischen Sohn Fontanes unklar bleiben muß.

Hinter der Kirche liegt ihr Familienfriedhof mit etlichen beschrifteten Grabsteinen, teilweise verwittert, aber noch lesbar. Danach wurde der letzte Ribbeck (geb. 1880) im Mai 1944 von der Gestapo verhaftet und starb im Februar 1945 im KZ Sachsenhausen. Gut Ribbeck wurde daraufhin von den Nazis enteignet und die noch bestehende Familie vertrieben.

In der Ev. Kirche von Ribbeck wird noch ein Stück des legendären Birnbaums gezeigt, den Fontane beschrieben hat (mittlerweile wächst hinter der Kirche der vierte oder fünfte Birnbaum), man kann alles Mögliche kaufen, was irgendwie mit Ribbeck oder Birne oder beiden zu tun hat und die Kommerzialisierung macht recht gute Fortschritte. Nur ein Foto von Helmut Kohl konnte man nicht kaufen - das hat mich etwas enttäuscht.

Due Ev. Kirche in Ribbeck mit dem Birnbaum 5.0
Hinter der Kirche der vierte oder fünfte Birnbaum seit Fontenes Gedicht

Dennoch war die Kirchengemeinde sehr rührig: man konnte für kleines Geld Kaffee und Kuchen bekommen, die Küsterin wußte alles Mögliche über Fontane und die Familie Ribbeck und wir verbrachten mit der Familie zwei sehr nette Stunden im Ort.

Danach hatten wir noch Zeit und fuhren aufs Geradewohl (noch ohne Navi, rein analog nach Karte). Wir kamen durch teilweise verlassene Dörfer, in denen nur jedes dritte Haus bewohnt war, fanden drei Dörfer weiter einen rollenden Bäcker, der gleichzeitig auch als Post und Bankschalter fungierte, kamen an einem Bücherbus vorbei, der in einem fast verlassenen Dorf parkte und hätten fast an jeder Straßenecke ein altes Haus für einen Appel und ein Ei kaufen können. Wir haben uns allerdings erst gar nicht näher bemüht, denn wir waren damals alle noch schulpflichtig (Kinder und Eltern) und konnten uns ein halbwegs erfülltes Leben so dermaßen ländlich nicht richtig vorstellen. Außerdem war das die Zeit, in der der Regierungspräsident Köln Klassenfahrten nach Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern nicht genehmigte, wenn man Kinder mit Migrationshintergrund in der Klasse hatte. Es war damals in diesen Ländern zu Übergriffen gegen ausländische Schüler und Schülerinnen gekommen, die NPD saß in beiden Ländern im Landtag und weil in NRW zwei von drei Schüler/innnen/n in unseren Klassen einen Migrationshintergrund hatten (auch damals schon), war dies für uns keine Option für später. Auf der einschlägigen Nazi-Karte sind heute (außer in der Reichshauptstadt) nur noch die Gebiete um Luckenwalde (Spreewald) und ein paar Gebiet nördlich von Berlin Hochburgen der Rechten und wenigstens dies ist etwas besser geworden. Die Strukturprobleme (Krankenhaus, Arztversorgung, Einkaufsmöglichkeiten etc.,) bestehen aber noch zu großen Teilen.

Links zu Ribbeck:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Ribbeck
http://www.schlossribbeck.de/
http://www.ribbeck-havelland.de/kirche.html
http://www.kraemer-forst.de/verzeichnis/mandat.php?mandat=82824&kategorie=

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Da sitzt er da, als wolle er gleich wieder anfangen zu fabulieren  - eine Fähigkeit, die mehr und mehr Menschen verlorengeht.
Da sitzt er da, als wolle er gleich wieder anfangen zu fabulieren  - eine Fähigkeit, die mehr und mehr Menschen verlorengeht.

Neuruppin
Nach Neuruppin fährt man wegen Theodor Fontane und Karl-Friedrich Schinkel. Fontanes Eltern hatten in Neuruppin die Löwen-Apotheke und Theodor ging dort aufs Gymnasium, bis der Vater im heute polnischen Swinemünde eine andere Apotheke übernahm, weil er wegen Spielschulden die eigene Apotheke verkaufen mußte.  Auch wenn Fontane seiner Karriere dann in Berlin begann, ließen ihm die Neuruppiner das Denkmal errichten und außer der Apotheke und dem Gymnasium gibt es noch etliche Spuren aus Fontanes Zeit der „Kinderjahre“, wie er später Kindheit und Jugend literarisch beschrieben hat.
An einem der letzten Märztage des Jahres 1819 hielt eine Halbchaise vor der Löwen-Apotheke in Neu-Ruppin, und ein junges Paar, von dessen gemeinschaftlichem Vermögen die Apotheke kurz vorher gekauft worden war, entstieg dem Wagen und wurde von dem Hauspersonal empfangen. Der Herr - man heiratete damals (unmittelbar nach dem Kriege) sehr früh - war erst dreiundzwanzig, die Dame einundzwanzig Jahre alt. Es waren meine Eltern. ....

... Ostern 1819 hatte mein Vater die Neu-Ruppiner Löwen-Apotheke in seinen Besitz gebracht. Ostern 1826, nachdem noch drei von meinen vier Geschwistern an eben dieser Stelle geboren waren, gab er diesen Besitz wieder auf. Dieser frühe Wiederverkauf des erst wenige Jahre zuvor unter den günstigsten Bedingungen, man konnte sagen »für ein Butterbrot«, erstandenen Geschäfts wurde später, wenn das Gespräch darauf kam, immer als verhängnisvoll für meinen Vater und die ganze Familie bezeichnet. Aber mit Unrecht. Das »Verhängnisvolle«, das sich viele Jahre danach – glücklicherweise auch da noch in erträglicher Form, denn mein Papa war eigentlich ein Glückskind – einstellte, lag nicht in dem Einzelakte dieses Verkaufs, sondern in dem Charakter meines Vaters, der immer mehr ausgab, als er einnahm, und von dieser Gewohnheit, auch wenn er in Ruppin geblieben wäre, nicht abgelassen haben würde. Das hat er mir, als er alt und ich nicht mehr jung war, mit der ihm eigenen Offenheit viele, viele Male zugestanden. »Ich war noch ein halber Junge, als ich mich verheiratete«, so hieß es dann wohl, »und aus meiner zu frühen Selbständigkeit erklärt sich alles.« Ob er darin recht hatte, mag dahingestellt sein. Er war überhaupt eine ganz ungeschäftliche Natur, nahm ihm vorschwebende Glücksfälle für Tatsachen und überließ sich, ohne seiner auch in besten Zeiten doch immer nur bescheidenen Mittel zu gedenken, der Pflege »nobler Passionen«. Er begann mit Pferd und Wagen, ging aber bald zur Spielpassion über und verspielte, während der sieben Jahre von 1819 bis 26, ein kleines Vermögen.
Theodor Fontane: Meine Kinderjahre, 1. Kapitel
zit. nach http://gutenberg.spiegel.de/buch/meine-kinderjahre-4447/3 am 28. Juli 2016

Nun hatte Fontane insofern Glück, weil die Schule in Swinemünde den Eltern des achtjährigen Theodors so schlecht erschien, daß die Mutter ihn, als er fünfzehn war, dort abmeldete, wieder nach Neuruppin verfrachtete und dort ein Jahr aufs Gymnasium steckte. Danach erschien es ihr angebracht, ihn nach Berlin auf eine Gewerbeschule zu schicken und ebenfalls Apotheker werden zu lassen. Zwischendurch hatte sich Theodor in Emilie Rouanet-Kummer verliebt, ein damals zehnjähriges Nachbarskind, die er später heiratete, als er nicht mehr als Apotheker arbeiten mußte. Die Neuruppiner haben es da natürlich schwer, ihren berühmtesten Sohn zu vermarkten, weil der ja nun nicht als Neuruppiner Apotheker berühmt wurde, sondern als Berliner Schriftsteller.

Es bleibt noch das Schinkeldenkmal auf dem Kirchplatz, dort, wo Schinkels Elternhaus stand. Es wurde 1853 zu Ehren des mittlerweile europaweit bekannten Architekten dort aufgestellt. Nun hatte der seit seinem 13. Lebensjahr seinen Lebensmittelpunkt auch nicht mehr in Neuruppin, sondern war nach mit der Mutter nach Berlin gezogen und machte später dort Karriere, als er der Königin Luise ihr Schlafzimmer im Neuen Palais plante. Schnell wurde Schinkel preußischer Oberbaurat, der für alle wichtigen Bauten zwischen Berlin und Königsberg zuständig war, sozusagen ein persönlicher Architekt des Hauses Hohenzollen. Auch hier verehren die Neuruppiner jemanden, der erst berühmt wurde als er die Stadt verließ. Fontane schreibt über ihn:

Er hat seine Biographie nicht geschrieben, und wiewohl seine mittlerweile herausgegebenen »Briefe und Tagebücher« ein Material von seltener Reichhaltigkeit für das spätere Leben Schinkels bieten, so schweigen sie doch über seine Kinderjahre. Ich habe an seinem Geburtsorte nachgeforscht. Es lebten noch Personen, die ihn als Kind gekannt hatten, und ich gebe in nachstehendem, was ich über ihn erfuhr. Sein Vater war Superintendent in Ruppin und starb infolge der Anstrengungen, die er während des großen Feuers, das im Jahre 1787 die ganze Stadt verzehrte, durchzumachen hatte. Auch die Superintendentenwohnung ward in Asche gelegt, so daß von dem Hause, darin Schinkel geboren wurde, nichts mehr existiert. Es stand ungefähr an derselben Stelle, wo sich die jetzige Superintendentenwohnung befindet, aber etwas vorgelegen, auf dem jetzigen Kirchplatz, nicht an demselben. Die Mutter Schinkels (eine geborne Rose und der berühmten gleichnamigen Gelehrtenfamilie, der die Chemiker und Mineralogen Valentin, Heinrich und Gustav Rose zugehörten, nahe verwandt) zog nach dem Hinscheiden ihres Mannes in das sogenannte Predigerwitwenhaus, das, damals vom Feuer verschont geblieben, sich bis diesen Tag unversehrt erhalten hat. In diesem Hause, mit dem alten Birnbaum im Hof und einem dahinter gelegenen altmodischen Garten, hat Schinkel seine Knabenzeit vom sechsten bis vierzehnten Jahre zugebracht.
Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg - Kapitel 18
zit. nach http://gutenberg.spiegel.de/buch/wanderungen-durch-die-mark-brandenburg-4452/18 am 6. August 2016


Zum Trost: Bonn hat das gleiche Problem mit Beethoven - auch der machte erst Karriere, als er nach Wien zog, denn in Bonn durfte er seinen Orgellehrer nur bei der Frühmesse für den Kurfürsten vertreten. Ob Schinkel, Fontane oder Beethoven: Städte bekommen immer dann Probleme, wenn es keine Perspektive gibt und die Jugend die Stadt verläßt. Häuser wie das unten abgebildete fand man vor zehn Jahren als Zeichen einer fehlenden Zukunftsperspektive noch häufiger, doch mittlerweile sind sie glücklicherweise die Ausnahme geworden. Trotzdem merkt man, daß in Brandenburg die Städte Potsdam und Cottbus den meisten Rahm abschöpfen und die Kleinstädte bekommen Probleme eine Struktur zu entwickeln, weil die Jugend vom Land weg in den Speckgürtel rund um Berlin drängt und nur die Alten auf dem Dorf und in der Kleinstadt bleiben. Wenn die wegsterben, verfallen die Dörfer und es gab teilweise bereits Überlegungen, solche Dörfer aufzugeben.

Links zu Neuruppin:
https://www.martinschlu.de/kulturgeschichte/neunzehntes/vormaerz/fontane/1819.htm
http://www.karl-friedrich-schinkel.de/
http://www.neuruppin.de/kultur-tourismus/kultur/karl-friedrich-schinkel/denkmal.html

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Potsdam
Der Potsdamer Landtag von der Havelbrücke aus gesehen
Der Potsdamer Landtag von der Havelbrücke aus gesehen


.... wird noch vervollständigt.......


Links zu Potsdam und dem Schloßpark um Sanssouci
https://www.martinschlu.de/kulturgeschichte/neunzehntes/preussen/1749.htm
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_St%C3%A4dte_in_Brandenburg

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Schloß Rheinsberg
Schloß Rheinsberg von der Seite her
Schloß Rheinsberg (Seitenansicht)

Rheinsberg von Berlin aus zu erreichen ist nicht leicht. Die Eisenbahn zieht sich auf sechs Meilen Entfernung daran vorüber, und nur eine geschickt zu benutzende Verbindung von Hauderer und Fahrpost führt schließlich an das ersehnte Ziel. Dies mag es erklären, warum ein Punkt ziemlich unbesucht bleibt, dessen Naturschönheiten nicht verächtlich und dessen historische Erinnerungen ersten Ranges sind.

Wir haben es besser, kommen von dem nur drei Meilen entfernten Ruppin und lassen uns durch die Sandwüste nicht beirren, die, zunächst wenigstens, hügelig und dünenartig vor uns liegt. Fragt man nach dem Namen dieser Hügelzüge, so vernimmt man immer wieder »die Kahlenberge«. Nur dann und wann wird ein Dorf sichtbar, dessen ärmliche Strohdächer von einem spitzen Schindelturm überragt werden. Mitunter fehlt auch dieser. Einzelne dieser Ortschaften (zum Beispiel Braunsberg) sind von französischen Kolonisten bewohnt, die berufen waren, ihre Loire-Heimat an dieser Stelle zu vergessen. Harte Aufgabe. Als wir ebengenanntes Braunsberg passierten, lugten wir aus dem Wagen heraus, um »französische Köpfe zu studieren«, auf die wir gerechnet. »Wie heißt der Schulze hier?« fragten wir in halber Verlegenheit, weil wir nicht recht wußten, in welcher Sprache wir sprechen sollten. »Borchardt.« Und nun waren wir beruhigt. Auch die Südlichen-Race-Gesichter sahen nicht anders aus als die deutsch-wendische Mischung, die sonst hier heimisch ist. Übrigens kommen in diesen Dörfern wirklich noch französische Namen vor, und »unser Niquet« zum Beispiel ist ein Braunsberger.

Die Wege, die man passiert, sind im großen und ganzen so gut, wie Sandwege sein können. Nur an manchen Stellen, wo die Feldsteine wie eine Aussaat über den Weg gestreut liegen, schüttelt man bedenklich den Kopf in Erinnerung an eine bekannte Cahinetsordre, darin Friedrich der Große mit Rücksicht auf diesen Weg und im Ärger über 195 Taler, 22 Groschen, 8 Pfennig zu zahlende Reparaturkosten ablehnend schrieb: »Die Reparation war nicht nöthig. Ich kenne den Weg, und muß mir die Kriegs-Camer vohr ein großes Beest halten, um mir mit solches ungereimtes Zeug bei der Nahse kriegen zu wollen.« Der König hatte aber doch unrecht, »trotzdem er den Weg kannte«. Erst auf dem letzten Drittel wird es besser; im Trabe nähern wir uns einem hinter reichem Laubholz versteckten, immer noch rätselhaften Etwas und fahren endlich, zwischen Parkanlagen links und einer Sägemühle rechts, in die Stadt Rheinsberg hinein.
Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg - Kapitel 51
zit. nach http://gutenberg.spiegel.de/buch/wanderungen-durch-die-mark-brandenburg-4452/51 am 6. August 2016


Nach Rheinsberg kommt man heute schon ein bißchen besser als zu Fontanes Zeiten. Von der Küste aus folgt man der A 20 oder A19 Richtung Berlin von da geht es über die A 24 Ausfahrt Wittstock über die B166  (Bechliner Chaussee) Richtung Neu- und Altruppin und hinter Alt-Ruppin auf die B 122 nach Norden Richtung Rheinsberg. Das Schloß selber liegt auf einer Art Insel. Wenn man schon mal da ist, sollte man sich das Tucholsky-Museum nicht entgehen lassen, der ja zu Schloß Rheinsberg einen direkten Bezug hatte: 
Das Schloß! – Das Schloß mußte besichtigt werden. Man schritt hallend in den Hof und zog an einer Messingstange mit weißem Porzellangriff. Eine kleine Glocke schepperte. Ein Fenster klappte: »Gleich!« – Eine Tür oberhalb der kleinen Stiege öffnete sich, und es kam nichts, und dann tappte es, und dann schob sich der massige Kastellan in den Hof. Als er der Herrschaften ansichtig wurde, tat er etwas Überraschendes. Er stellte sich vor. »Mein Name ist Herr Adler. Ich bin hier der Kastellan.« Man dankte geehrt und präsentierte sich als Ehepaar Gambetta aus Lindenau. Historische Erinnerungen schienen den dicken Mann zu bewegen, seine Lippen zuckten, aber er schwieg. Dann:
»Nu kommen Sie man hier hinten rum, – da ist es am nächsten.« – Und schloß eine bohlene Tür auf, die in einen dunklen Steinaufgang hineinführte. Sie kletterten eine steile Treppe mühsam herauf. Oben, in einem ehemaligen Vorzimmer, lagen braune Filzschuhe auf dem Boden, verstreut, in allen Größen für Groß und Klein, zwanzig, dreißig – man mochte an irgendein Märchen denken, vielleicht hatte sie eine Fee hierher verschüttet, oder ein Wunschtopf hatte wieder einmal versagt und war übergelaufen…

Die Claire behauptete: So kleine gäbe es gar nicht. –
»Ih«, sagte Herr Adler, »immer da rein; wenn sie auch ein bißchen kippeln, das tut nichts.«
Er aber war nicht genötigt, solche Schuhe anzuziehen, weil er von Natur Filzpantoffeln trug.

Die Zimmer, durch die er sie führte, waren karg und enthaltsam eingerichtet. Steif und ausgerichtet standen Stühle an den Wänden aufgebaut. Es fehlte jene leise Unregelmäßigkeit, die einen Raum erst wohnlich erscheinen läßt, hier stand alles in rechtem Winkel zueinander… Herr Adler erklärte:
»… und düs hier sei das sogenannte Prinzenzimmer, und in diesem Korbe habe das Windspiel geschlafen. Das Windspiel – man wisse doch hoffentlich…

»Zu denken, Claire, daß auch durch deine Räume einst Liebende der Führer mit beredtem Munde leitet«.
»Gott sei Dank! Konnt er ja! Bei uns war es pikfein.«
Und dann sagte Herr Adler, dies seien chinesische Vasen, und dieselben hätte der junge Graf Schleuben von seiner Asienreise mitgebracht.

Aber hier – man trat in ein anderes höheres Zimmer – hier sei der Gemäldesaal. Die Bilder habe der berühmte Kunstmaler Pesne gemalen, und die Bilder seien so vorzüglich gemalen, daß sie den geehrten Besucher überall hin mit den Augen folgten. Man solle nur einmal die Probe machen! Herr Adler gab diese Fakten stückweis, wie ein Geheimnis, preis. Es war, als wundere er sich immer, daß seine Worte auf die Besucher keine größere Wirkung machten. – Herrgott, die Claire! – Sie begann den Kastellan zu fragen. Wolfgang wollte sie hindern, aber es war schon zu spät. –
»Sagen Sie mal, Herr Adler, woher wissen Sie denn das alles, das mit dem Schloß und so?«
Herr Adler leitete sein Wissen von seinem Vorgänger, dem Herrn Breitriese, her, der es seinerseits wieder von dem damaligen Archivar Brackrock habe. –

»Und dann, was ich noch fragen wollte, Herr Adler, hat es hier wohl früher ein Badezimmer gegeben?«
»Nein, aber wir haben eins unten, wenn es Sie interessiert…«

Sie dankten. Herr Adler, der noch zum Schluß auf eine Miniatur, ein Geschenk der Großfürstin Sofie von Rußland, hingewiesen hatte, verfiel plötzlich in abruptes Schweigen. Und erst nachdem das Trinkgeld in seiner Hand klingelte, blickte er zum Fenster hinaus und sagte, ein wenig geistesabwesend: »Dies ist ein ehrwürdiges Schloß. Sie werden die Erinnerung daran Ihr ganzes Leben bewahren. Im Garten ist auch noch die Sonnenuhr sehenswert.«
Kurt Tucholsky: Rheinsberg - Kapitel 3, Berlin 1912
zit. nach http://gutenberg.spiegel.de/buch/rheinsberg-1189/3 am 7. August 2016

Wenn es geht, sollte man eine Führung machen. Heutige Führungen sind zum Glück ein bißchen fundierter als die bei Tucholsky erwähnte und sie bringen immer ein bißchen historischen Hintergrund ins Spiel. Bei Schloß Rheinsberg sind es natürlich der Kronprinz Friedrich (später der Alte Fritz, Friedrich II.) und Prinz Heinrich (der mit der Mütze, die Helmut Schmidt so liebte). Prinz Heinrich hatte zeitlebens zwar weniger zu sagen als sein berühmter Bruder, aber er hat nach Aussagen Friedrichs militärisch nie Fehler gemacht, weil er strategisch eher auf Sicherheit als auf Eroberung plante. Militärisch endete seine Laufbahn 1762 nach dem Sieg bei Freiberg (Ende des sächsichen Kriegs).

Nach dem Ende des Schlesischen Kriegs versammelte Heinrich die Kritiker Friedrichs im Schloß um sich und hielt sie politisch unter Kontrolle, damit die Herrschaft des Bruders nicht gefährdet wurde. Nach dem Tod Friedrichs II. 1786 hatte Heinrich noch jahrelang etwas Einfluß auf seinen Neffen, Friedrich III. , und wurde eine Art Berater am Hof - auch wenn der neue König beratungsresistent war. Theodor Fontane weiß in seinen Wanderungen bereits zu berichten, daß Prinz Heinrich kurz nach seinem Tode bereits vergessen war und kaum jemand über ihn Bescheid wußte. Dabei war Prinz Heinrich vermutlich der Intelligentere der beiden Brüder. Er liegt - dies ist zumindest standesgemäß - unter einer Pyramide im Schloßpark begraben.

Rheinsberg von der Seeseite her
Schloß Rheinsberg von der Seeseite her

Links zum Schloß Rheinsberg, dem Alten Fritz und zu Kurt Tucholsky
https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Rheinsberg
http://verwaltung.rheinsberg.de/de/tucholsky-museum.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_II._(Preu%C3%9Fen)
https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_von_Preu%C3%9Fen_(1726%E2%80%931802)
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Wilhelm_III._(Preu%C3%9Fen)

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Das Kloster Lehnin
Das Kloster Lehnin vom Innenhof

Das Kloster Lehnin vom Innenhof
Lehnin war nicht nur das älteste Kloster in der Mark, es war auch, wie schon hervorgehoben, das reichste, das begütertste, und demgemäß war seine Erscheinung. Nicht daß es sich durch architektonische Schönheit vor allen andern ausgezeichnet hätte - nach dieser Seite hin wurde es von Kloster Chorin übertroffen - aber die Fülle der Baulichkeiten, die sich innerhalb seiner weitgespannten Klostermauern vorfand, die Gast- und Empfangs- und Wirtschaftsgebäude, die Schulen, die Handwerks- und Siechenhäuser, die nach allen Seiten hin das eigentliche Kloster umstanden, alle diese Schöpfungen, eine gotische Stadt im kleinen, deuteten auf die Ausgedehntheit und Solidität des Besitzes. 

Der stattliche Mittelpunkt des Ganzen, die zahlreichen Giebel überragend, war und blieb die hohe Klosterkirche, deren mit Kupfer gedeckter Mittelturm dunkel bronzefarben in der Sonne glänzte. Diese Kirche selbst war ihrer Anlage nach eher schlicht als schön, mehr geräumig als prächtig, aber das Leben und Sterben der Geschlechter, Hoffnung und Bangen, Dank und Reue hatten die weiten Räume im Laufe der Jahrhunderte belebt, und die ursprünglich kahlen Wände und Pfeiler waren unter der Buntheit der Dekoration, unter dem wachsenden Einfluß von Licht und Farbe, von Reichtum und Schmuck zu einem immer schöneren und immer imposanteren Ganzen geworden. Seitenaltäre mit Bildern und Kruzifixen, Nischen mit Marienbildern und ewigen Lampen (oft gestiftet, um schwere Untat zu sühnen) zogen sich an Wand und Pfeiler hin, in den langen Seitenschiffen aber lagen die Leichensteine der Äbte, ihr Bild mit Mütze und Krummstab tief in den Stein geschnitten, während an der gewölbten Decke hin, schlanken Leibes und lächelnden Gesichts, die reichvergoldeten Gestalten der Heiligen und Märtyrer schwebten. In einer der Seitenkapellen lag der Grabstein Abt Sibolds, den die Nahmitzer erschlagen hatten. 

Einem reichen Schmuck an Bildwerken, an Erinnerungszeichen aller Art, begegnete der Besucher, wenn er vom Mittelpunkt der Kirche aus in das Längsschiff und die Seitengänge desselben niederblickte, aber die eigentliche Bedeutung von Kloster Lehnin erschloß sich ihm erst, wenn er, den Blick nach Westen hin aufgebend, sich wandte, um, statt in das Längsschiff hernieder, in den hohen Chor hinaufzusehen. Unmittelbar vor ihm, in den Fußboden eingelassen, sah er dann, schlicht und unscheinbar, den Stumpf der Eiche, unter der Markgraf Otto, der Gründer des Klosters, seinen Traum gehabt hatte; zwischen dem Stumpf und dem Altar aber lagen die Grabsteine der Askanier, elf an der Zahl, die hier innerhalb des Klosters, das ihr Ahnherr ins Leben gerufen, ihre letzte Ruhe gesucht und gefunden hatten.
Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 3. Teil: Lehnui, Kap. 3
zit. nach http://gutenberg.spiegel.de/buch/wanderungen-durch-die-mark-brandenburg-dritter-teil-havelland-5729/5 am 28. Juli 2016


Das Kloster Lehnin war bereits 18xx, als Fontane die Mark durchreiste, ein Anziehungspunkt. Es ist ein im Hochmittelalter gegründetes und bis ins 17. Jh. immer wieder erweitertes Zisterzienserkloster, die erste Gründiung in Brandenburg überhaupt und im Laufe der Jahrhunderte durchaus wohlhabend geworden (so gehörte Werder/Havel lange Zeit zum klösterlichen Besitz). Nach der Reformation wurde 1542 das Kloster protestantisch, die Mönche wurden abgefunden, versetzt und Lehnin wurde zum Jagdschloß. Im 30jährigen Krieg gab es starke Zerstörungen und weil die Nutzung dasnach nicht mehr regelmäßig stattfand verfiel das Gebäude bis ins 19, Jahrunhdert. Dann wurde im Zuge des starken preußischen Staates 1871 die Restaurierung zum Brandenburger Nationalheiligtum staatliche Aufgabe der preußischen Denkmalpflege gleich nach der Restaurierung der Marienburg in Pommern und die preußische Regierung nahm entdsprechend viel Geld in die Hand. Nach der Restaurierung wurde Kloster Lehniun 1911 ein Stift, das der ev. Kirche angeschlossen ist. Heute erscheint das Kloster eher ein bißchen überrestauriert und mittlerweile wollen die Denkmalschützer nicht den Ursprungszustand bei Fertigstellung erreichen, sondern zeigen gerne Spuren ders Zahnes der Zeit. Die sind im Kloster Lehnin allerdings nicht so leicht zu entdecken.

Sieht aus wie neu, obwohl schon sehr alt: Kloster Lehnin
Sieht aus wie neu, obwohl schon sehr alt: Kloster Lehnin

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Links zu Lehnin:
http://www.klosterlehnin.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Lehnin
http://www.klosterkirche-lehnin.de/die-klosterkirche/klosterkirche.html

Die Stadt Lübben
Der Lübbener Marktplatz mit der Paul-Gerhardt-Kirche
Der Lübbener Marktplatz mit der Paul-Gerhardt-Kirche

Lübben ist das Eingangstor zum Spreewald - von der Strecke Potsdam-Cottbus etwa zwei Drittel von Potsdam entfernt und bereits Bestandteil der Lausitz. Aus diesem Grund sind wichtige Beschriftungen bereits in deutsch und sorbisch und alles dreht sich hier um drei Dinge: Die Gurke ist das eine, Paul Gerhardt ist der andere, der Spreewald ist das dritte.

Der Spreewald ab Lübben ist schon seit Jahrhunderten Anbau-und Verkaufsfläche der Spreewaldgurken, mittleren, etwa zeigefingerdicken Gurken, die nach diversen Geheimrezepten eingelegt wurden und von denen die ganze Gegend lebt. Wenn man durch die Stadt geht, sieht man das, wenn man am Kahnhafen entlang geht, kann man es nicht übersehen oder überriechen und wenn man sich abends einer Nachtwächterführung anschließt (ab 21:00 Uhr trifft man sich am Rathaus) kommt der Ort und Zeitpunkt, an denen der Nachtwächter auf einmal ein Gurkenglas in der Hand hat und probieren läßt. Der Zaubertrick ist ganz einfach, rein zufällig führt die Route am Wohnhaus des Sohns des Lübbener Gurkenkönig vorbei, der an einer vorbereiteten Stelle ein Glas deponiert hat, das sich der Nachtwächter abholt und dabei ein bißchen Reklame macht. Wir haben es nur herausbekommen, weil die Familie auch unsere Ferienwohnung vermietet und wir uns irgendwann gewundert haben, warum der Nachtwächter um 22.00 Uhr immer unter unserem Balkon Gurken verschenkte. Wer dies nachvollziehen will, mag gerne diese Ferienwohnung mieten und kann das Phänomen miterleben. Vorher sollte man aber die Führung mitgemacht haben und die Gurken sind wirklich sehr gut. Übrigens haben wir uns einen Karton Spreewaldgurken mitgenommen und selbst der örtliche Lidl hatte sie im Angebot.

Das zweite Standbein ist Paul Gerhardt. Protestanten kennen den Mann als Pfarrer und Kirchenlieddichter und seine letzten sieben Lebensjahre verbrachte er an der Lübbener Gemeinde. Da gab es die Gurken schon. Nach seinem Tod ging der Gemeinde auf, wen sie da als Pfarrer gehabt hatten und so ist die Kirche ein Paul-Gerhardt-Musum geworden und hat eine Dauerausstellung über ihn konzipiert. Da ich selbst aus dem Posaunenchor komme und Kirchenmusiker war, bin ich natürlich mit Paul Gerhardt und seinen Liedern groß geworden, aber wer damit nicht viel anfangen kann, möge diese Ausstellung besuchen und auch ein bißchen  Geld für die Gemeinde dalassen. Sie brauchen es.

Wenn man aber schon mal hier ist, sollte man unbedingt einen halben oder ganzen Tag auf dem Wasser verbringen und sich mit einem Kahn durch den Spreewald fahren lassen. Da kommt man z.b. auch am Spreeschwimmbad auf der Schloßinsel vorbei, was für Kinder ein Traum ist. Fahren Sie mit zehnjährigen Kindern oder Enkeln hin und Sie merken, warum.

Ein Schwimmbad in der Spree - in Lübben gibt es das

Ein Schwimmbad in der Spree - in Lübben gibt es das

Links zu Lübben:
https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCbben_(Spreewald)
http://www.luebben.de/de/Tourismus-und-Freizeit/Sehenswert/Fuehrungen/Nachtwaechter-Rundgang-in-Luebben#

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Der Spreewald
Manche Stellen im Spreewald lassen sich nur mit dem Boot oder Kahn erleben
Manche Stellen im Spreewald lassen sich nur mit dem Boot oder Kahn erleben

Der Spreewald ist natürlich eine absolute Besonderheit, weil es durch die Hunderte von Spreearmen einerseits eine einzigartige Natur- und Kulturlandschaft ist und weil er das einzige Gebiet Deutschlands mit zwei Amtssprachen ist. Die Sorben, ein slawischer Stamm, der hier ab dem 6. Jahrhundert siedelte, bewohnen die Ober- und Niederlausitz und der Spreewald ist sozusagen das Bindeglied zwischen sorbischer und deutscher Tradition. Näher an Polen (Oberlausitz) hat das Sorbische einen eher polnischen Einschlag, näher zu Tschechien (Niederlausitz) eher eine böhmischen Sprachfärbung. Für einen Standarddeutschen ist es absolut unverständlich, aber es gibt im Spreewald bis nach Cottbus etwa noch ca. 20.000 aktive Sprecher des Sorbischen und am Sorbischen Gymnasium in Bautzen und Cottbus ist es Unterrichtssprache und man kann dort sein Abitur in Sorbisch ablegen. Einer der wichtigsten Erzählungen des Sorbischen  ist die Geschichte des „Krabat“ und der Schriftsteller Otfried Preußler hat sorbisch/wendische (böhmische) Wurzeln und hat viele seiner Geschichten aus dem sorbischen Sagenschatz entlehnt.

Um einen kleinen Eindruck des Spreewaldes zu bekommen ist eine Kahnfahrt unerläßlich, wie es schon Theodor Fontane wußte. Wer mehr auf Remmidemmi steht, startet in Lübbenau, wo am Hafen ein Kahn nach dem anderen mit Touristen vollgestopft wird und im Minutentakt ablegt. Wer es stiller haben möchte, startet in Lübben am Kahnhafen und findet teilweise wirklich Stille (siehe Foto oben). Wer es noch stiller haben möchte, kommt um zehn Uhr morgens zum Lübbener Hafen und schaut, ob sich zehn Gleichgesinnte für eine Tagesfahrt nach Schlepzig finden und manchmal gibt es auch stimmungsvolle Abendfahrten.
Es ist Sonntag, die Arbeit ruht, und die große Fahrstraße zeigt sich verhältnismäßig leer; nur selten treibt ein mit frischem Heu beladener Kahn an uns vorüber, und Bursche handhaben das Ruder mit großem Geschick. Sie sitzen weder auf der Ruderbank, noch schlagen sie taktmäßig das Wasser, vielmehr stehen sie grad aufrecht am Hinterteile des Boots, das sie nach Art der Gondoliere vorwärts bewegen. Dies Aufrechtstehen, und mit ihm zugleich ein beständiges Anspannen all ihrer Kräfte, hat dem ganzen Volksstamm eine Haltung und Straffheit gegeben, die man bei der Mehrzahl unserer sonstigen Dorfbewohner vermißt. Und zwar in den armen Gegenden am meisten. Der Knecht, der vornüber im Sattel hängt oder, auf dem Strohsack seines Wagens sitzend, mit einem schläfrigen »Hoi« das Gespann antreibt, kommt kaum je dazu, seine Brust und Schulterblätter zurechtzurücken oder sein halb krummgebogenes Rückgrat wieder geradezubiegen, der Spreewäldler aber, dem weder Pferd noch Wagen ein Sitzen und Ausruhen gönnt, befindet sich eigentlich immer auf dem Quivive. Das Ruder in der Hand, steht er wie auf Posten und kennt nicht Hindämmern und Halbarbeit.
Theodor Fontane: In den Spreewald aus: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Kap. 2 °Lehde“
zit. nach http://brandenburg.xbib.de/4.+Spreeland__2.+Lehde.html am 28. Juli 2016


Lehde, ein Dorf im Spreewald, das die meisten Einwohner wirklich nur mit dem Boot erreichen können.
oben: Lehde, ein Dorf im Spreewald, das die meisten Einwohner wirklich nur mit dem Boot erreichen können.

unten: In Lehde gibt es kleines, aber sehr feines Freilichtmuseum, in dem ich eine hervorrragende Führung erlebt habe.

In Lehde gibt es kleines, aber sehr feines Freilichtmuseum, in dem ich eine hervorrragende Führung erlebt habe.

Das Freilichtmuseum wird von einem Verein mit sehr engagierten Mitgliedern betrieben und während der Führung (die übrigens eine Dame in sorbischer Alltagstracht vornahm) hatte man immer das Gefühl, daß die Zeit stehengeblieben war. Es hätte micht nicht gewundert, wenn man zu Tisch gebeten und bewirtet worden wäre (was ich in einem kleinen dänischen Freilichtmuseum vor etlichen Jahren durchaus erlebt habe). Das Freilichtmuseum Lehde sei Besuchern aufs Wärmste empfohlen, aber man sollte ins Navi  nicht die auf der Webseite angegebene Adresse eintippen, sonst wird man furchtbar in die Irre geführt, sondern am besten nur „Lehde“ und „Dorfstraße“. Am Ende der Straße ist dann ein Parkplatz und ab da sind es etwa 200 m zu Fuß.

Man hatte uns bezüglich des Spreewaldes übrigens vor einer regelrechten Mückenplage gewarnt, der verregnete Juni und Juli hatten die Ängste geschürt und deswegen hatten wir entsprechend Mückenzeug dabei - aber wir haben es nicht gebraucht. Ich habe in der Fewo eine einzige Mücke gesehen (!) und die Mücke, die mich innerhalb einer Woche erwischt hatte, tat dies im Wald des Branitzer Schlosses bei Cottbus. Soviel zur Angst.

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Alte Hauptstadt der Lausitz: Luckau / Łukow
Man sieht es nicht sofort, aber Luckau hat eine große Geschichte hinter sich. Erstmalig 1276 erwähnt stieg die Stadt durch ihre Lage an den Handelsachsen Frankfurt/Oder - Leipzig und der Salzstraße Glogau - Magedeburg wirtschaftlich auf, wurde auch als Wallfahrtskirche reich (denn Kaiser Karl IV. schenkte der Stadt 1373 den Kopf des hl. Paulinus) und als 1490 der König von Böhmen vom ungarischen König Mathias die Lausitz erbte, machte er Luckau 1492 zur Hauptstadt des Markgraftum Niederlausitz.

In den Napoleonischen Kriegen 1813/13 (Freiheitskriege)  besiegt das preußische Heer unter Bülow die französischen Truppen und stoppte damit Napoleons Vormarsch auf Berlin. Dabei brannte die Calauer Vorstadt ab und der Rote Turm und die Stadtmauer wurden beschädigt. Nach dem Wiener Kongreß wurde Luckau den Preußen zugeschlagen, das Markgraftum wurde aufgelöst und die Stadt kam nach Brandenburg. Der Dornröschenschlaf, den die Stadt nach der Verlagerung des politischen Zentrums erlebte, dauerte bis nach der Wende 1989, denn durch den fehlenden Eisenbahnanschluß des 19. Jahrhunderts blieb die Industrialisierung hier größtenteils aus und ein größerer Teil der Häuser daher fast original erhalten.

Seit der Landesgartenschau 2000 erfolgt ein stetiger Ausbau der Infrastruktur als Tourismusziel, dem Ort geht es wieder besser und die Windkraftanlagen spielen Geld in die Kasse. Als Besucher kann man länger durch den Ort bummeln, es gibt genug Läden und Cafés und für die Kirche St. Nikolai veranschlage man getrost eine Stunde.

Das Innere von St. Nikolai
Das Innere von St. Nikolai
1644 kam es zu einem schweren Stadtbrand, bei dem die Hauptkirche St. Nikolai schwer beschädigt  wurde und die mittelalterliche Einrichtung verlorenging. Der Aufbau dauerte bis 1770 und die Kirche gewann durch Ihre neue Einrichtung den jetzigen Zustand (Altaraufsatz 1670, vergoldetete Kanzel 1666,  Donat-Orgel von 1672/73). Die Orgel wurde ein paarmal radikal umgebaut, vor ca. 50 Jahren durch die Berliner Firma Schuke in eine stilistisch passende Neobarock-Orgel umgewandelt und liegt damit wieder klanglich näher am Original.

Besonderheiten sind in dieser Kirche die Logen unterhalb der Sängerempore und an den Seitenschiffen und die unglaublich reichhaltige Ausstattung, durch die die Gemeinde erhebliche Leistungen erbriungen muß um dies alles zu erhalten. Zur Zeit werden für das Lutherjahr 1517 die Gemälde im Altarumgang restauriert.

Links zu Luckau
http://www.luckau.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Luckau
http://www.kirche-luckau.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Sankt-Nikolai-Kirche_(Luckau)
https://de.wikipedia.org/wiki/Gefecht_bei_Luckau
http://www.luckau.de/de/tourismus/sehenswertes/artikel-roter-turm.html
http://www.niederlausitzmuseum-luckau.de/

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Zweitgrößte Stadt Brandenburgs: Cottbus
Der Altmarkt in Cottbus
oben: Der Altmarkt in Cottbus - alles ist hier zweisprachig: deutasch und sorbisch

Cottbus ist nach Potsdam die zweitgrößte Stadt Brandenburgs und das merkt man. Potsdam und Cottbus haben eine schöne Altstadt, aber auch moderne Einkaufspassagen und die Städte sind voll, weil viele Bewohner aus dem Umland zum Einkaufen dorthin fahren. In Cottbus ist es sehr reizvoll, daß alle Straßen und Institutionen zweisprachig bezeichnet sind, ein Umstand, den ich bisher nur aus Finnland kannte, weil dort lange die Schweden waren und da ist bis heute alles finnisch/schwedisch bezeichnet. Hier ist es eben deutsch/sorbisch. Potsdam ist mit 167.000 Ew. schon fast eine brandenburgische Großstadt, Cottbus kratzt an der 100.000er-Marke, Brandenburg liegt bei ca. 70.000 - alles andere ist viel kleiner und es gibt etliche Orte, die zwischen 2.000 und 5.000 Ew. liegen.

Sankt Nikolai in Cottbus, im Krieg blieb nur das Mauerwerk, der Rest ist neu
unten: Sankt Nikolai in Cottbus, im Krieg blieb nur das Mauerwerk, der Rest ist neu




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Links zu Cottbus
https://www.cottbus.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Cottbus

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Schloß Branitz und Fürst Pückler
Schloß Branitz von der Vorderseite
Schloß Branitz von der Vorderseite

Fürst Pückler hieß früher mein Lieblingseis, und diese Kombination aus Schoko-, Vanille- und Erdbeereis zwischen zwei pappigen Wäffelchen war für mich so selbstverständlich, daß ich nie auf die Idee gekommen wäre, daß dieses Eis vor 200 Jahren etwas unglaubliche Kostbares gewesen ist. Wenn man aber weiß, daß man für diese drei Sorten einen Eiskeller brauchte, den man im Winter mit dem ausgesägten Eis der umliegenden Flüsse vollzustopfen hatte, damit ein Teil des Eises bis in den Sommer überdauerte, dann wird klar, daß dieses Eis ein absolutes Statussymbol und ein Zeichen für Reichtum war. Reich war er schon, dieser Fürst Pückler.

Hermann Ludwig Heinrich von Pückler-Muskau (weil er als Pückler 1785 in Muskau geboren wurde) war das älteste von fünf Kindern des Grafen Ludwig Carl Hans Erdmann von Pückler und der Gräfin Clementine von Callenberg und später  Erbe des größten Herrschaftsgebietes der Lausitz. Die Lausitz hatte zwar seit dem Mittelalter ihre besten Zeiten hinter sich, doch sie warf für die Adelsherren noch ausreichend Geld ab, weil es genug steuerzahlende sorbische Untertanen gab. HLH (wie ich den jungen Grafen nun abkürze) begann mit fünfzehn ein Jurastudium in Leipzig, trat mit siebzehn in die Armee ein und war mit 21 Jahren Leutnant. Weil er als Erbe noch nicht viel zu tun hatte (der Vater lebte ja noch), unternahm HLH ausgedehnte Reisen in die Provence und nach Italien (das war üblich), doch er reiste oft zu Fuß (das war nicht ganz so üblich).

1811 starb der Vater und HLH hätte nun als neuer Graf zu Pückler-Muskau eben dort in Muskau bleiben müssen, doch er delegierte die Verwaltung des gräflichen Besitzes an seinen besten Freund Leopold Schefer, denn er war mittlerweile in militärisch-diplomatischen Diensten. 1812 ging HLH mit Leopold Schefer auf Reisen nach England, sah englische Gärten und entdeckte sein Interesse für den Gartenbau und die Gartengestaltung. Er kam wieder zurück, wurde bei den Freiheitskriegen gegen Napoleon Verbindungsmann der Allianz zwischen preußischer und russischer Armee und informierte von Amts wegen ständig den russischen Zaren Alexander I. über die aktuelle Lage. Als Napoleon 1813 von der Allianz zwischen russischem Zaren, österreichischem Kaiser und preußischem König geschlagen wurde, wurde die Lausitz zwar preußisch, aber HLH war nun soweit in diplomatischen Dienste gekommen, daß er alle seine Fürstentümer behielt, seine Titel und vor allen Dingen sein Geld. Er gehörte nun zu den fünfzehn größten Landbesitzern in Preußen - nur zu regieren gab es nun nichts mehr, denn das wurde ja jetzt von Berlin aus besorgt.

HLH suchte sich also einen neuen Lebensinn und fand ihn in der Gartengestaltung. Sein Vater hatte sich nie sonderlich um das Anwesen gekümmert und so besorgte er sich Literatur, studierte den vier Jahre jüngeren Bonner Landschaftsarchitekten Peter Joseph Lenné und verwarf ihn wieder, denn HLHs Credo wurde eine Gartengestaltung, die natürlich aussah, obwohl sie künstlich vorgenommen wurde und Lennée wiedrum propagierte einen geschaffenen ordentlichen Garten, der den Wildwuchs in Formen zwang. Durch das Pücklersche Vermögen konnte HLH seine eigenen Ideen in die Praxis umsetzen. Er ließ tonnenweise Mutterboden auf die kargen Sandböden von Muskau karren, erfand ein Verfahren zum Verpflanzen mittlerer Bäume und schaffte es, in kurzer Zeit das ererbte gräfliche Vermögen drastisch zu verringern. So viel Steuern konnten die Lausitzer gar nicht zahlen wie HLH für den Garten des Schlosses gebraucht hätte. Zwischendurch (1817) heiratete Graf HLH die neun Jahre ältere Lucie, Tochter des preußischen Staatskanzlers Karl August von Hardenberg, für die der Heiratsmarkt fast abgelaufen war und durch die Verbindungen zur preußischen Regierung wurde HLH recht schnell zum  Fürsten befördert (1822), wenn auch die Lausitz natürlich nicht Fürstentum wurde (s.o), sondern einfach Bestandteil des Reichs bleib.

Dummerweise war das - jetzt fürstliche - Vermögen nach den vielen Ausgaben für den Garten nicht mehr so fürstlich wie früher und HLH und Lucie kamen auf die Idee einer Scheidung, denn die ermöglichte ihm nach reichen Ehefrauen Ausschau zu halten, die den Garten vielleicht zu Ende finanzieren konnten und Lucie sah in HLH eher den Gartenfreund als den Ehemann. Also reiste Pückler nach England und blieb dort vier Jahre - allerdings mit mäßigem Erfolg.

HLH Pückler (Original hängt im Blauen Salon des Schlosses Branitz bei Cottbus) Machbuba (Original hängt im Orientalischen Salon des Schlosses Branitz bei Cottbus)

Fündig wurde HLH zwar nicht, doch durch seine vielen Reisen hatte er angefangen Reiseberichte zu schreiben, die ihm von Lesern regelrecht aus der Hand gerissen wurden und auch Leser in England und Amerika fanden. HLH wäre auch gerne nach Amerika gereist, verpaßte aber durch ein kleines Duell sein Schiff und disponierte daher um. Er bereiste Algier und Ägypten, wurde vom dortigen Pascha als Staatsgast behandelt und in einem  Palast mit Personal untergebracht, reiste weiter in den Sudan, und trat 1838 bei Khartum die Rückreise an. Zwischendurch hatte er sich 1837 eine schwarze Sklavin gekauft, die etwa 12jährige Machbuba, über die er immer wieder sagte, er behandele sie besser als jeder andere. Machbuba reiste auch mit ihm zurück in seine Heimat, verstarb aber etwa fünfzehnjährig im  Oktober 1840 an „Auszehrung“ (Krebs oder TBC) und wurde im Park von Muskau begraben.
Nach weiteren Stationen bis nach Griechenland und in die höchsten politischen Kreise machte Fürst Pückler 1845 Nägel mit Köpfen, verkaufte den Familienbesitz Muskau und konnte mit dem Erlös Schloß Branitz mit Garten finanzieren. Bis zum Ende seines Lebens 1871 lebte er so, wie er es sich immer vorgestellt hatte, beherbergte Freunde aus Kultur, Gesellschaft und Politik und der einzige verpflichtende Tagesordnungspunkt war das gemeinsame abendliche Dinner im englischen Stil, zu dem mindestens drei und höchstens neun Personen anwesend waren. Aus den erhaltenenen Speisekarten läßt sich nicht nur ein sichers Gespür für Stil erkennen, sondern die bedingungslose Bereitschaft sein Leben dem Schönen zu widmen.Trotzdem empfand er es als würdelos, daß man ihm bei dem aktuellen Deutsch-Französischen Krieg 1870 nicht mehr dabeihaben wollte.

Zum ausgedehnten Park von Schloß Branitz gehört der Familienfriedhof, der bis 1945 genutzt wurde und Pückler verfügte bereits zu Lebzeiten, daß sein Park für die Allgemeinheit geöffnet bleiben solle. Dies ist auch bis heute so. Er selbst und Lucie ließen sich in der Pyramide (Tumulus) am Ende des Gartens begraben.
Das Grab der Eheleute zu Pückler-Muskau
oben: Das Grab der Eheleute zu Pückler-Muskau

unten: Ein Beispiel für die natürliche Wirkung der Branitzer Parkanlage
Ein Beispiel für die natürliche Wirkung der Parkanlage

Gegenwärtig (2016) läuft in der Bonner Bundeskunsthalle eine Ausstellung über die Gartenkunst des 19. Jahrhunderts, insbesondere über Fürst Pückler. Allein der Ausstellungstext der Bonner Ausstellung zu den Speisekarten lohnt den Besuch der „Parkomanie“. Auf dem Dach der Ausstellungshalle sind Gartenelemente nachgebaut, Bestandteile des Branitzer Parks wie der blau/gholdene Pavillon stehen dort und man bekommt eine umfassende Dokumentation über den Menschen und Lebenskünstler Hermann Ludwig Heinrich, Fürst von Pückler-Muskau.

unten: Goldene Büste von Lucie, Fürstin von Pückler im Gartenpavillon von Schloß Branitz, der im Sommer in Bonn zu sehen ist. Foto: Susanne Coburger-Schlu, 2016
Goldene Büste von Lucy, Fürstin von Pückler im Gartenpavillon von Schloß Branitz

Links zu Schloß Branitz, dem Park Branitz und zu Fürst Pückler
https://www.cottbus-und-umgebung.de/ausflugsziele/branitzer-park.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Branitzer_Park
http://www.pueckler-museum.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_von_P%C3%BCckler-Muskau
http://www.fuerstpueckler.de/
http://www.bundeskunsthalle.de/ausstellungen/parkomanie-die-ausstellung.html


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