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Reiseberichte - Italien - Sizilien


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Sizilien im Herbst
Text und Fotos: © Martin Schlu Oktober 2010 / geändert 27. Dezember 2013

 
Sizilien - eine Woche im Oktober - Venedig

Wie fängt man an?  Als Kind habe ich viele Bücher über Sizilien gelesen, später kamen die Mafia-Filme um den "Paten" (Marlon Brando), in denen diese Organisation fast schon als Folklore dargestellt wurde. Immer war die Rede von der männlichen italienischen Ehre, der glühender Hitze in den Dörfern, den menschenleeren Straßen, der von Sonne verbrannten Landschaft und ich schwitzte meist schon beim Lesen. Ich bin später oft nach Italien gekommen, doch südlicher als in die Toskana kam ich nie, bis meine Frau ein Ticket nach Catania gebucht hat und so sind wir eine gute Woche hier.

Ansicht der Oberstadt Taorminas
Einige hundert Häuser kleben regelrecht am Felsen.

Samstag, 9. 10.
Vorab: Das als so trocken und heiß beschriebene Sizilien ist ausgesprochen grün und - zumindest bei unserer Ankunft - auch feucht. Wir haben uns schon für den Flughafen einen Mietwagen bestellt, weil schnell klar war, daß man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht unbedingt schnell von A nach B kommt, sondern dies nur in Näherungswerten geht. Den ersten Eindruck bekommen wir schon am Flughafen: wir ziehen unserer Rollkoffer am Flughafen Fontanarossa in die beschilderte Richtung zu den Bussen und Mietwagen und müssen ständig über recht hohe Bordsteine, matschige Grünflächen (es regnet) und diverse weitere hohe Bordsteine. Mit dem Rollstuhl hätte man wohl größere Probleme gehabt, denn es hat schon länger geregnet und die Koffer und wir sind schnell verferkelt.

Am Schalter reihen wir uns geduldig in die Schlange derer ein, die ebenfalls einen Mietwagen haben wollen. Nach einer halben Stunde sind wir endlich dran, als ein junger, smarter Italiener sich von der Seite schnell vordrängelt, schnell seine goldene Karte zeigt und sofort einen Vertrag und einen Schlüssel bekommt. Auf die schüchterne Frage, warum der das denn dürfe, ist die Antwort, er habe ja eine goldene Karte und da müsse man nicht warten. Auf meine Frage, wie man denn auf die Schnelle eine solche Karte bekäme, gibt es nur eine hochgezogene Augenbraue und wir haben eine erste Lektion gelernt: "Frag nicht so dumm!" Die Sicherheitshinweise beim Vertrag sind aufschlußreich: "Klappen Sie immer die Spiegel beim Parken ab!" - "Lassen Sie niemals etwas im Auto liegen!" - "Schließen Sie unbedingt eine Vollversicherung ab!" (25.- pro Tag - meine Jahresversicherung liegt knapp über diesem Wochensatz). Endlich ziehen wir mit dem Autoschlüssel ab. Das Auto steht aber nicht auf dem Stellplatz unter der angegebenen Nummer, doch eine nette Dame der Firma findet schon nach fünfzehn Minuten das zum Schlüssel passende Auto, einen kleinen Zweitürer.

Straßenkarten braucht man eigentlich nicht, denn von Catania geht eine Autobahn nach Norden (Richtung Messina und irgendwann davor der Abzweig nach Palermo), die südliche Richtung geht nach Siracusa/Syrakus, so daß man nur die Richtung wissen muß. Wir wollen nach Taormina, eine an den Felsen geklatschte Stadt, die kleiner aussieht als sie ist und daß man dort alle wichtigen Dinge bekommt, lernen wir später auch schnell. Kurz hinter Catania ist eine Mautstelle, bei der man als Normaltourist auf die "bigliegetta"-Spur geht, ein Ticket zieht und bei der Ausfahrt knapp zwei Euro zu zahlen hat. Daß der Zeitgewinn erheblich größer ist, als eine eventuelle Ersparnis beim Benutzen der Küstenstraße, werden wir ein paar Tage später sehr drastisch erfahren.

Das  Appartement erweist sich als sehr spartanisch eingerichtet und man könnte nicht kochen, obwohl es einen guten Gasherd mit Backofen gibt, denn die sonstige Ausstattung reicht nur für das Frühstück. Natürlich gibt es im Ort hervorragenden Fisch, doch es ist billiger, jeden Tag essen zu gehen, als sich ein komplettes Kochgeschirr mit allen Gewürzen, dem Öl etc. zuzulegen, das man ja nicht einfach ins Flugzeug nehmen kann, wenn die Zeit um ist.  Unerläßlich ist allerdings ein italienischer Kaffeekocher (billig und gut aus Alu, teuer und gut aus Edelstahl) und eine Dose "illi", italienischer feingemahlener Espresso-Kaffee. Der Kocher explodiert normalerweise nicht, doch beim ersten Mal denkt man das immer und paßt schon deswegen auf, daß das Überdruckventil sauber bleibt. Später geht alles leicht und selbstverständlich.

Beim Duschen sind wir wieder ganz angetan über den Erfindungsreichtum der Handwerker: sie haben es fertig gebracht, Klo und Dusche auf einem knappen Quadratmeter unterzubringen. Der Vorhang gilt für beides und wenn man den Klodeckel offen läßt, muß man das Klo nicht mehr putzen, andererseits könnten die Duschutensilien dann im Nirwana verschwinden. Daß man beim Trocknen der Dusche logischerweise auch das Klo putzt, ist fein ausgedacht und wenn man sich angewöhnt hat erst das Klopapier in Sicherheit zu bringen, bevor man duscht, geht alles. Nur daß das Badezimmer nie so richtig trocken wird, stört ein bißchen - aber wir haben ja auch nicht mehr Hochsommer. So haken wir auch dieses als Reise-Impression von Sizilien ab.

Da es noch hell ist, stürzen wir uns in das Gewühl der Einkaufsstraße von Taormina, nicht ganz so lang wie die Hohe Straße in Köln, aber genau so voll (es ist Nachsaison). Den Ätna kann man nicht sehen, alles ist bewölkt, aber man kann sich zeigen lassen, wo man ihn sehen müßte, wenn man es könnte. Die Amerikaner haben in Taormina die Mehrheit, gefolgt von den Deutschen und ab und zu hört man ein paar Japaner.

Vor dem Ansturm der Touristen sind alle Tische leer.
So sehen die Restaurants gegen sieben Uhr abends aus - später gibt es keinen Platz mehr.

Da wir am ersten Abend keine Lust haben zu kochen, machen wir uns auf den Weg ein passables Restaurant zu suchen und finden auch eins, das erst so aussieht, als ob es geschlossen hat. Man bittet uns herein, wir sind die einzigen Gäste und die Karte sieht gut aus. Wir bestellen (nicht teurer als zu Hause) und als der Wein und die Vorspeise kommen, geben sich die Leute die Klinke in die Hand. Nach einer Stunde ist der Laden knallvoll und wir erfahren, daß man üblicherweise ein paar Tage vorher einen Tisch bestellen muß. Als wir nach zwei Stunden zahlen wollen, hat die Kellnerin vergessen uns zwei Wasser und eine  sehr gute und etwas teure Flasche Wein zu berechnen. Jeder Italiener würde sich nun verdrücken aber wir sind zu gut erzogen, weisen die Kellnerin darauf hin und denken, da müßte sie mindestens zwei Grappa für springen lassen - Pustekuchen. Immerhin berechnet sie zehn Euro weniger, das ist dann auch o.k.. Die italienischen Ragazzi kommen übrigens erst, wenn es dunkel  ist und das Sehen und gesehen werden geht dann bis nach Mitternacht - Wochenende ist Wochenende. Als wir früh am Morgen ins Bett gehen, feiern die Jugendlichen immer noch....

Sonntag, 10. 10.
In der Nacht fängt es an zu regnen, den ganzen Morgen hindurch und erst gegen Mittag läßt der Regen nach. Zum ersten Mal kann man bei Tageslicht auf die Straße, doch vom Ätna ist immer noch nichts zu sehen. Da, wo er sein müßte, sind nur Nebel und dichte Wolken. Auf dem Aussichtspunkt am zentralen Marktplatz fallen mir das erste Mal die vielen Schlösser auf, die am Gitter festgemacht sind Auf ihnen ist jeweils ein Mädchen- und ein Jungenname mit Edding geschrieben und sie rosten vor sich hin. Später werden wir erfahren, daß dies der ultimative Treueschwur junger Liebe ist: man schwört sich ewige Treue, schreibt seinen Namen auf ein Vorhängeschloß, schließt es ab und schmeißt den Schlüssel weg (Nachtrag 2013: Noch später wird dies in angesagrten Städten wie Köln und Venedig eine regelrechte Seuche, die an die Statik der Brückengeländer rüttelt, denn -zig Tausende von diesen Schlössern wiegen etliche Tonnen).

So geht ewige Liebe - Schloß kaufen, Namen schreiben, zumachen und Schlüssel wegschmeißen
So geht ewige Liebe - Schloß kaufen, Namen schreiben, zumachen und Schlüssel wegschmeißen

Gegen Mittag erlaufen wir den Ort und finden jede Menge alte Steine: ein altes griechisches Theater (klein und halb vergammelt) ein altes römisches Theater (groß und auch vergammelt) und alte Steine, die entweder als Fundament für weitere Häuser benutzt werden oder als Jahrhunderte alte Mülltonne dienen: "Die müßten ihr Land mal grundsanieren", stellt eine deutsche Gruppentouristin mit süddeutschem Akzent fest und ihr Männe nickt dazu. Dabei tun die Einwohner schon, was sie können, aber das, was wir als "romantisch" verklären, ist eher ein Zustand des knappen Geldes, denn die Gebäude, die saniert sind, sehen auch wieder aus wie neu. Vermutlich könnte man sich für das investierte Geld auch eine Eigentumswohnung in Berlin oder Hamburg kaufen.

Weil das Wetter schön bleibt, machen wir eine Tour nach Syrakus im Südosten der Insel. Der Mietwagen darf unbegrenzt viele Kilometer gefahren werden und das nutzen wir aus und sind nach anderthalb Stunden Autobahnfahrt dort. In Syrakus (Siracusa) stellen wir fest, daß man entweder bis halb drei oder ab sechs essen und einkaufen kann. Das wußten wir im Prinzip schon aus Spanien oder Griechenland, hatten es aber irgendwie verdrängt. Nun sind wir da, laufen durch die Gassen (von denen übrigens viele saniert werden) und stellen fest, daß die Stadt einen schnell gefangen nimmt. Es hat schon was, durch Mauern zu gehen, die schon Archimedes und Dionysos gesehen haben, auch wenn deren Wohnhäuser nur noch Trümmer sind, aber das Nebeneinander von antik, barock und modern ist sehr reizvoll.
Es nieselt ein bißchen und darum sind die Straßen ziemlich leer - unsere Mägen dummerweise auch, denn wir hatten in Taormina nichts mehr gegessen und uns darauf verlassen, daß man schon irgendwo etwas findet. Selbst an den Touristenattraktionen, wie z.B. dem Apollo-Tempel, gibt es keine Straßencafés, aber etwa ein Dutzend Schirmverkäufer, die uns alle einen gefälschten Mini-Knirps verkaufen wollen und je stärker der Regen wird, desto zudringlicher werden die Verkäufer. Ein offenes Café, in das man flüchten könnte, gibt es nicht -  überall steht "chiuso".
Der Domplatz in Syrakus ist nur bei Regen so leer.
Der Domplatz ist nur so leer, weil es nieselt

Irgendwann kommen wir auf den riesigen Domplatz, gehen natürlich in den Dom, denn erstens sind dort keine Schirmverkäufer und zweitens ist das der uralte Dom  der ersten Bischöfe aus Syrakus. Er hat noch etwas von der antiken Substanz, obwohl er 1608 das letzte Mal neu gebaut wurde. Griechenland hin, Rom her, auch in Syrakus hält die Moderne Einzug und wo es H&M, Benetton und Diesel gibt, ist der schottische Burgerbrater auch nicht weit - zumindest Mäckes hat für den ersten Hunger geöffnet und abends können wir ja wieder richtig essen gehen. Das große griechische Theater haben wir zwar nicht gefunden, es liegt eben nicht in der Altstadt, sondern in einem eigenen Bereich, aber man kann ja noch  mal hinkommen und nun wissen wir auch, daß man zwischen drei und sechs notfalls Burger essen kann.

Montag, 11. 10.
Messina ist am nordöstlichen Ende von Sizilien, gegenüber der Stiefelspitze, die mit dem sizilianischen Dreieck Fußball spielt. Wir entschließen uns mal die Küstenstraße zu fahren, denn wir wollen ja auch etwas sehen. Bis zum nächsten Ort Giuardini-Naxos stimmt das auch, doch dann ist die Küstenstraße unterbrochen und wir werden über Käffer geleitet, die so heruntergekommen sind, daß wir uns fragen, wovon die Leute leben, denn die können einfach nicht alle vom Tourismus existieren - halb leere Läden, in denen eine einzelne Person auf Kundschaft wartet, stillgelegte Tankstellen, vor denen jemand sitzt und schläft, jede Menge baufällige Häuser kurz vor dem Einsturz und ab und zu mal ein geschlossener Supermarkt. Die Küstenstraße ist immer wieder unterbrochen oder gesperrt, wird dann über ausgetrocknete Flußbetten geleitet und manchmal, wenn es keine andere Umleitung gibt, fährt man über den Berg in das eine Kaff und hinter dem Berg durch das nächste, bis wieder das Schild "Autostrada" zu sehen ist - manchmal gibt es aber auch fünf Kilometer überhaupt keine Schilder und wir sind immer gespannt, wo wir herauskommen. Als wir in drei Stunden vierzig Kilometer weitergekommen sind, schlagen wir uns wieder zur Autobahn durch und schwören uns, nie wieder sizilianische Küstenstraße zu fahren, wenn es eine  Autobahn gibt.

Als wir gegen halb drei in Messina ankommen, suchen wir ein "centro", denn da müßte es ja mindestens einen Dönerladen oder Ähnliches geben. Nach Syrakus wissen wir ja jetzt, daß man am Nachmittag in italienischen Restaurants außer Getränken nichts bekommt. Es gibt auch immer wieder Schilder, die ins "centro" führen und als wir beim Hafen sind, denken wir auch, daß wir angekommen sind. Es gibt aber nur die Weiterleitung zum Fährhafen nach Kalabrien (der Stiefelanfang) und nachdem ich ein paar Mal verbotswidrig abgebogen bin, wird das Auto irgendwo abgestellt, ein paar Bilder von der Hafeneinfahrt gemacht und wieder gewendet. Es muß aber irgendwo ein Zentrum geben, immerhin habe ich Bilder einer barocken Kirche gesehen, die an einem großen Platz lag, der von Läden umsäumt war. Alle Hinweise auf das "centro" führen leider immer wieder zum Fährhafen - vielleicht liegt das Zentrum von Messina ja auf dem Festland.... Leicht frustriert lesen wir am späten Nachmittag ein Autobahnschild Richtung Palermo (das liegt ziemlich genau im Westen der Insel), fahren auf die Autobahn und landen sofort auf der Spur Richtung Süden/Taormina.

Als Ausgleich für den Tag entdecken wir einen wunderschönen Garten im Ort, den eine reiche Engländerin einst anlegen ließ und der nach ihrem Tode an die Stadt übereignet wurde. Hier gibt es verschwiegene Ecken, genug Platz für alle und die Reisegruppen kommen nicht hierher. Man kann irgendwo sitzen, aufs Meer schauen, seinen Gedanken nachhängen und abschalten. Das Highlight des Tages!

Hoch oben am Berg klebt der Garten regelrecht am Felsen.
Hoch oben am Berg rechnet man nicht mit so einem Garten.

Dienstag, 12. 10.
Nachdem die Fahrt nach Messina nicht das gebracht hat, was wir uns erhofften, wagen wir den Versuch in die größte Stadt der Region zu fahren. Catania ist nur ein paar tausend Einwohner kleiner als Bonn und da, denken wir, wird es ja wohl ein Zentrum geben das den Namen verdient. Nach den Erfahrungen  mit der Küstenstraße fahren wir also wieder Autobahn, nehmen auch die Abfahrt "centro" und stehen sofort nach der Autobahnabfahrt im Stau. Zwei Spuren kommen von der Autobahn, eine dritte aus der Gegenrichtung, eine Spur kreuzt von links, eine von rechts und der Kreisel ist keiner, sondern eher eine einspurige Rechtskurve, die die anderen fünf Spuren aufnehmen muß. Als ich rechts vorsichtig einbiege, touchiert mich fast ein LKW von links, während ein Motorradfahrer rechts haarscharf am Spiegel vorbeirast. Die Ampel zeigt rot, also halte ich an. Zwei PKW fahren links durch, ein Roller rechts, von hinten setzt ein wildes Hupkonzert ein und als ich dann doch trotz roter Ampel fahre, überholen mich noch mal zwei Roller von rechts. Eine Mutter mit Kinderwagen spaziert seelenruhig durch das Chaos, erzeugt Vollbremsungen, Gehupe und  Reifenquietschen, doch sonst passiert nichts. Ich beginne zu lernen - bei der nächsten Ampel fahre ich auch erst, als sie auf rot springt, lasse aber den alten Mann mit Gehstock durch. Weil alle so fahren, als sei der andere Fahrer der letzte Idiot, paßt hier jeder mehr auf und die Beulen an den Autos oder die Spiegelklatscher passieren ja nur, weil der Andere nicht weit genug rechts gefahren ist oder weil es bem Einparken an die Felsen zu eng war.

Im Übrigen kurven wir eine gute Stunde Richtung "centro", landen auch irgendwann bei einem Bahnhof und dem Fährhafen. Wir stellen in einer ziemlich schrecklichen Gegend unser Auto ab und sind froh, daß wir ein unauffälliges kleines Auto  mit einer italienischen Nummer haben (auch wenn wir später erfahren, daß alle Leihwagen an ihrer Autonummer als Leihwagen zu erkennen sind). Bürgersteige, die den Namen verdienen, gibt es nicht. Schulkinder, Mütter mit Kinderwagen und Kleinkinder auf ihrem Bobby-Car sind mit den Autos auf vier Spuren gleichberechtigt und die Kinder spielen buchstäblich auf der Straße. Ziemlich oft sehen wir das "vendesi"-Schild (zu verkaufen), sehr oft gibt es verfallene Häuser und geschlossene Läden, aber eine  Fußgängerzone oder Einkaufstraße gibt es hier auch nicht. Durch Zufall finden wir eine Art Kulturzentrum: Am verfallenene Bellini-Theater gibt es geschlossenen Cafés mit Ankündigungen für irgendwelche Thater- oder Musikveranstaltungen, doch beim näheren Hinsehen ist die aktuellste Ankündigung vom September. 

Der Bellini-Platz in Catania - „bella“ ist er nicht.
Der Bellini-Platz in Catania - „belle“ ist er nicht.

Übrigens gibt es extrem häßliche Ecken auch in meiner Heimatstadt und verfallene Häuser kenne ich aus Brandenburg und der Eifel auch ganz gut, aber eine Großstadt mit 300.000 Einwohnern habe ich mir schon anders vorgestellt. Eine amerikanische Reisegruppe kommt vorbei, zu erkennen an dickbäuchigen Herren mit Baseball-Käppi, zwei Fotoapperaten um den Hals, einer aufgeklebten Marke, die sie als Teilnehmer einer Kreuzfahrt ausweist, die Damen tragen alle die gleiche pinke transparente Regenhaut (so daß alle den Taschendieben regelrecht signalisieren: "Beklau mich!") und nun fotografieren sich gegenseitig vor dem Bellini-Theater: "Isn't it wonderful, my dear... ... so lovely, this old village!" Da schlagen wir uns wieder zu unserem Parkplatz durch und machen, daß wir wegkommen. Das Beste am Tag ist noch der Supermarkt, wo wir einen leckeren sizilianische Wein kaufen (Principe de Corleone - sehr zu empfehlen), während das Meer vor dem Promenade an die Felsen donnert.

Der Chef des Lokals prüft seine Auslage - Fisch ist seine Spezialität

Abends gehen wir wieder in Taormina essen und geraten an ein Restaurant, bei dem der Chef selber die Bestellungen aufnimmt und das umwerfend gut ist. Als wir den "fish of the day" nehmen, kriegen wir ein anderthalb Kilo schweres Monstrum, zwar unglaublich gut, aber das Tier wird hundertgrammweise abgerechnet und so wird es auch ein ziemlich teurer Fisch. Zwei nette Amerikanerinnen am Nebentisch aus New Hampshire legen uns nahe noch einmal die Autobahn nach Syrakus zu nehmen und dann durchzufahren nach Noto, denn dort hat es ihnen sehr gut gefallen. Dann erzählen sie uns noch , daß sie zwar oft in Europa sind, aber in Taormina und anderen kleinen Städten fahren sie nur Taxi, denn die Straßen sind doch recht eng und so kleine Autos sind sie nicht gewöhnt - mit einem amerikanischen Geländewagen kommt man hier ja nicht durch. Dabei erfahren wir auch, daß die Verfilmung des "Paten" in Taormina gedreht wurden und das erklärt auch die Existenz eines Geschäftes, das T-Shirts mit der Aufschrift "il padrone" verkauft und wo den ganzen Tag die Titelmusik des Films dudelt.

Mittwoch, 13.10.
Die nächsten Tage bleibt der Regen, er wird nur so stark, daß der Balkon im ersten Stock ca. zwei Zentimeter unter Wasser steht und weil es keine Regenrinnen gibt, läuft das Wasser die Decke entlang und läuft an der Außenmauer runter bis zum Boden, von da aus genauso weiter bis zum Erdgeschoß. Nach vier Tagen ist alles gut durchfeuchtet und die beiden Klimageräte könnten zwar kühlen, aber sie können nicht entfeuchten. Die Wäsche wird klamm und wir überlegen, wie das wohl im Winter ist. Die regenreichsten Zeiten sollen ja erst noch kommen.

Die Regenfluten werden schlimm, wenn es keine Dachrinne gibt
Erst abgesoffene Blumenkästen, dann abgesoffene Elektrik
Durch die geballte Wassermassen hat sich zuerst die Außenelektrik verabschiedet, die Beleuchtung fällt aus, leider auch das Garagentor. Stabil aus Stahl mit einem Tresorschlüssel für eine eingebaute Fußgängertür läßt es sich nur mit dem Elektromotor bewegen - ohne Strom bleibt alles, wie es ist. Den ersten Tag stört es uns nicht, weil wir am Nachmittag ja noch in den Hof einfahren konnten. Am nächsten Tag regnet es aber so stark, daß der Strom komplett ausfällt und als wir rausfahren wollen, ist das Tor immer noch defekt und bleibt zu. Den ganzen Tag versuchen wir, die Vermieterin zu erreichen, aber sie geht nicht ans Telefon. Verschiedene Telefonnummern werden angerufen, aber keiner hebt ab. Zum Glück ist ein UMTS-Stick an Bord und schon nach fünfzehn Minuten finden wir den Verweis auf ein anderes Hotel, das "in the case of problems or emergency" zu kontaktieren sei. Jedoch wollen die Leute vom Hotel mit der "Villa G." nichts zu tun haben und als am Abend einige Nachbarn angesprochen werden, reagieren die sehr hilfsbereit. Hinterher kümmern sich drei von ihnen um unser Problem: einer kennt die Vermieterin, einer kann passabel Englisch und einer hat ein Telefon - gemeinsam erreichen die drei eine Zusage, daß innerhalb der nächsten Stunde "pronto" jemand vorbeikommt, der den Elektroantrieb zumindest auf Leerlauf stellen kann, so daß man das Tor per Hand aufschieben könnte. Nach einer guten Stunde - es ist bereits dunkel - kommt eine Dame, zerlegt fachmännisch das Gehäuse des Antriebs, findet das richtige Kabel und stellt auf Leerlauf ein. Weil sie erwartet, daß wir das Auto jetzt auch benutzen, steigen wir ein und fahren eine größere Runde um den Block nach Castelmola, einer klitzekleinen Ortschaft, die noch noch mehr an den Felsen geklebt ist, aber einen Berg höher liegt. Morgen vormittag, hat die Dame uns versprochen, bestellt sie einen "eletricco" und morgen fahren wir auch noch einmal nach Castelmola, damit man mehr sieht - schon im Dunkeln sah es ganz viel versprechend aus, aber es ist abenteuerlich zu fahren, denn die Schlaglöcher sieht man nicht vorher.

Kreuzfahrtsschiffe im regnerischen Abendlicht
Kreuzfahrtsschiffe im regnerischen Abendlicht

Auf dem Weg zum Restaurant kommen später  wieder amerikanische Reisegruppen entgegen, zwei Schiffe haben tagsüber in der Bucht geankert und die Gruppen ausgebootet (vielleicht auch ausgebeutet, ..haha), damit sie den italienischen Handel in Schwung bringen. An der Zahl der Tüten hochgerechnet, mit denen die Damen bepackt sind, kann man sich vorstellen, daß die Insel noch lange von Amerika leben wird.


Donnerstag, 14.10. Ätna
Frühmorgens scheint die Sonne, es ist warm und wir fahren nach einem schnellen Frühstück Richtung Ätna, denn heute kann man erstmals die Spitze erahnen, auch wenn sie noch in Wolken ist. Die Richtungen sind grob ausgeschildert (wir haben uns noch immer keine Straßenkarte gekauft) und so fahren wir eine gute Stunde bergauf - ab und zu von einem Straßenschild bestätigt. Irgendwann sind wir deutlich auf tausend Meter angelangt, sehen über den Wolken auf das zig Kilometer entfernte Meer. Wolken und Sicht wechseln extrem schnell und nach einer weiteren halben Stunde sind wir in 1600 Metern Höhe auf einem Lavafeld. Die Seilbahn (ca. € 30.- pP) fährt zwar, doch man kann erkennen, daß sie im Nebel endet und die Geländebusse, die ab 2200 Meter Höhe zum Krater fahren können, bleiben heute auf der Talstation. Es sei zu gefährlich, sagt das Personal an der "biglietteria". Da lösen wir kein Billett, laufen auf den Lavabergen herum und denken uns, daß es tausend Meter höher auch nicht anders aussehen wird. Für eine geführte Tour zu den Kratern haben wir auch nicht die passende Ausrüstung und bei knapp 3600 Metern Höhe wäre es wirklich hochalpin. Ganz zufrieden mit der Situation fahren wir einen anderen Weg zurück und erkennen Spuren des letzten Aubruchs vor einigen Jahren: mit Lava vollgelaufene Häuser, neu gebaute Straßen neben den alten, die durch Lavaströme unpassierbar wurden und die Lavamengen ziehen sich bis weit hinunter ins Tal.

Die kleinen Striche sind Touristen - etwa auf 1800 m Höhe
Die kleinen Striche sind Touristen - etwa auf 1800 m Höhe

Am Nachmittag beschließen wir uns das alte große Theater Taorminas anzuschauen, was überall als "griechisch" beschrieben wird, obwohl es laut Wikipedia "römisch" sein soll. Uns ist das egal - antik ist antik und es liegt auf jeden Fall auf einer Bergpassage, daß man entweder den Ätna oder das Meer (oder beides) sehen kann - offenbar haben die antiken Architekten eine weise Vorahnung auf kommende schlechte Stücke gehabt, damit die Zuschauer auch mal woanders hin schauen können...

Der Eintrittspreis ist zwar heftig, neun Ohren für jeden, aber man denkt sich, daß damit die Instandhaltung bezahlt wird und zahlt zähneknirschend. Dafür darf man überall herumlaufen. In Deutschland stände alle drei Meter ein Schild "Nicht auf den Steinen laufen", "Nicht hinsetzen!" oder "Nicht zu viel auf die gleiche Stelle schauen!" - hier ist alles im Preis inbegriffen. Einige Zuschauer diskutieren auf den Rängen (wenn auch nicht in der Toga), andere lesen Zeitung und wir setzen uns hin, gucken abwechselnd auf Bühne, Meer und Ätna und fühlen uns wohl. Ab und zu kommt eine deutsche Reisegruppe vorbei, deren Führer lautstark die Vorzüge der Antike erklärt und so schnappen wir kostenlose Informationen auf, etwa die, daß die Samen des hier wachsenden Affenbrotbaums immer 0,18 Gramm wiegen, von den Arabern als Maßeinheit für Gold verwendet wurden und der arabische Name "carat" immer noch dafür in Gebrauch ist - also, warum nicht? Auch diese Reisegruppe geht vorbei, doch als drei amerikanische Gruppen gleichzeitig aufkreuzen, räumen wir das Feld.

Es ist auch möglich, Meer und Ätna gleichzeitig zu sehen, aber man kriegt es nicht so aufs Bild.
Es ist auch möglich, Meer und Ätna gleichzeitig zu sehen, aber man kriegt es nicht so aufs Bild.

Freitag, 15.10.
Weil es am nächsten Tag schon weder regnet, beschließen wir erst mal abzuwarten und lesen und schreiben ein bißchen. Zwischendurch kommt die Vermieterin mit einem schlechten Gewissen und bringst uns kleine Aufmerksamkeiten - für den Rest des Aufenthaltes ist sie wie ausgewechselt. Am Mittag hört der Regen auf und wir beschließen auf die amerikanischen Damen zu hören und uns dieses Noto einmal anzuschauen. Es ist etwas enttäuschend und den Besuch nicht wirklich wert, denn man kann die Armut einer maroden Infrastruktur besichtigen und das sollte nicht unbedingt das Zeil des Tourismus sein. Sehenswert ist aber die sizilianische Landschaft, die ich nun doch entdeckt habe - vielleicht haben sich auch nur meine Vorurteile bestätigt.

Beeindruckend der Innenraum der Krypta, der über die alten Mauern gebaut wurde.
Beeindruckend der Innenraum der Krypta, der über die alten Mauern gebaut wurde.

Auf der Rückfahrt machen wir nochmal Station in Syrakus und entdecken eine architektonisch unglaubliche Kirche die "Santuario della Madonna delle Lacrime" (etwa: "Heiligtum der Tränen Marias"), über die Ruinen der alten antiken Kirche gebaut, doch leider
bröselt bereits der Beton, obwohl sie erst 1994 fertig wurde. Wir  verkneifen uns das große griechische Theater bei  einem Eintrittspreis von zehn Euro und finden an der Promenade zwischen Hafen und alter Altstadt ein Restaurant, das nachmittags geöffnet hat - das letzte in einer langen Reihe gastronomischer Betriebe und eine Offenbarung für uns. Als wir dem Chef ein Trinkgeld geben, kommt er nochmal hinter uns her und drückt uns die Hand. Ich glaube viele Gastronomen sind pizzageschädigt, denn die - meist - amerikanischen Reisegruppen scheinen es für eine Offenbarung zu halten, in Italien eine Pizza zu bestellen. Gerade am Meer sollte man aber immer (!) Fisch essen.

Samstag, 16.10.    
Am letzten Tag besuchen wir Castelmola - diesmal am Tage - und stellen fest, daß es eine atemberaubende Aussicht bietet, doch etwa ein Fünftel der Häuser steht zum Verkauf. So schön es ist, dorthin als Tourist zu kommen, so furchtbar muß es sein, alles Nötige per Straße heraufschaffen zu müssen. Für verwöhnter Großstadtmenschen wie uns ist das nichts mehr und ich überlege, was die Jugendlichen mit ihrer Zeit anstellen.

Knapp 500 m hoch an den Felsen geklatscht und tausend Einwohner
Knapp 500 m hoch an den Felsen geklatscht und tausend Einwohner

Als letzte Etappe tun wir uns doch eine Gruppenaktivität an, denn anders kommt man nicht in die "Gole Alcantara", eine Schlucht, die man bei niedrigem Wasserstand wohl in Anglerhose durchwaten kann. Jedoch ist aufgrund des starken Regens der letzten Tage nur ein oberer Weg freigegeben, wobei eine Aufsicht immer wieder die Gruppe abzählt, damit keiner verloren geht. Offensichtlich ist dort schon mal etwas passiert, weil die Sicherheitsmaßnahmen so streng sind. Trotzdem kann man am Ende der Tour die Füße ins klare Wasser halten, am Fluß sitzen und noch einmal die Seele baumeln lassen. Am Abend stehen die ragazzi bereits vor der Kneipe Schlange - es ist wieder Wochenende und erst gegen fünf Uhr morgens kehrt halbwegs Ruhe ein und pünktlich um sechs Uhr geht die Morgenglocke der Kirche...

Sonntag, 17.10
Der Mietwagen wird ohne Kratzer am Flughafen abgegeben und während des Wartens werden die letzten Zeilen geschrieben. Nach ca. 1.300 Kilometern durch das östliche Sizilien kann ich ziemlich italienisch Auto fahren, werde zu Hause Mühe haben, wieder an die deutschen Regeln zu denken, aber es ist klar, daß es ein paar Monate später wieder nach Italien geht, vielleicht ein anderes Appartement, ein bißchen vom Zentrum entfernt, wo es etwas leiser ist.

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