Instrumentale Praxis in der Schule - Erfahrungen seit 2010




Stand der Orchesterarbeit Frühjahr 2010 - 2008 - früher
von Martin Schlu, Mai 2010


zurück
 
Das Konzept - Seitenanfang
Die Jubiläumsfeierlichkeiten Ende 2008 machten klar, daß wir noch nicht da sind, wo ich mal hin will - auch wenn schon eine Menge geschafft wurde. Die Veränderungen seit 2008 liegen auch eher in den Details, doch diese Details sind wichtig. 


Konzept -  Instrumente - Ausbildung - Noten - Probenräume - FSJ KulturEnsembles



  Instrumententypische Erfahrungen
Saxophone - Trompeten - Posaunen - Gitarre - Bass - Synthesizer - Schlagzeug - Seitenanfang
Die Einnahmen aus dem Instrumentenverleih bilden nach wie vor das Rückgrat des Unternehmens - 2009 hatten wir die Schallmauer von EUR 30.000 überschritten und konnten räumlich und personell nicht mehr weiter expandieren. Etwa 120 Instrumente sind ständig verliehen, etwa 20 Instrumente sind in Bereitschaft und dienen als Ersatz oder Reserve.

 Die Nachfrage nach Altos ist ungebrochen und wir könnten ständig verleihen. die letzten Jahre haben wir immer fünf Altos im 5. Jg. besetzt, von denen alle im 6. Jg. weitergemacht haben. Da in diesem Jahr aber die zweite Fremdsprache bzw.WP 1 einsetzt, haben wir üblicherweise gegen Ende des 1. Halbjahres die ersten Kündigungen und können nur weniger als die Hälfte im 7. Jg weiter halten. Bislang gingen diese Kinder danach ins Mittelstufenorchester und stiegen dort manchmal auf Tenrosax oder Bariton um. Hoffentlich bleibt das so. - Instrumente

Bei den Trompetenhaben wie eine relativ hohe Fluktuation. Von sechs Trompeten in der Fünf bleibt etwa die Hälfte bis zur Sieben - danach hören sie entweder ganz auf oder werden so gut daß sie  in der Mittelstufen-Band weitermachen können und vielleicht sogar in die Oberstufenband kommen. Im Unterstufenorchester werden die ersten Trompeten bis zum g'' gefordert und haben am Ende der Sechs diese Höhe sicher. Die Mittelstufenband geht bis c''', die Oberstufenband noch höher.  Instrumente

Das Fach Posaune ist nicht nur bei uns ein Besetzungsproblem - nur wenige Kinder halten länger als zwei Jahre durch und werden so gut, daß sie mit der erforderlchen Literatur fertig werden. Wir haben natürlich auch Kinder, die treu und brav einmal die Woche ihr Instrument auspacken und versuchen mitzuspielen, doch gerade bei den Posaunen fällt auf, daß die Fortschritte nach einem Jahr langsamer werden. Auf eine richtig gute Posaune warten wir noch - es gibt zwar fünf talentierte Mädchen, aber die brauchen noch etwas Zeit. Ein befreundeter pensionierte Posaunist aus dem Beethovenorchester kommt seit dem Winter 2009 einmal die Woche abends in die Probe und kümmert sich um unseren Nachwuchs - da merkt man schon Fortschritte. Mein Traum ist ja ein vierstimmiger Posaunensatz - wie bei Sammy Nestico oder Neal Hefti.  Instrumente
Bei der Gitarre haben wir zur Zeit ein halbes Dutzend erfolgversprechende Kinder, die am Ende der Fünf und sechs alle Dur und Moll-Akkorde können  und das Improvisieren über Skalen üben. Die für die Bläser leichten Stücke sind für die Gitarristen aber ziemlich schwer, weil ohne Barreégriffe gar nicht geht und Eb-Dur und Ab-dur sind einfach keine bequemen Gitarrentonarten und bereits bei den Easy-Jazz-Paks braucht man 7/9 #11 oder b5-Verbindungen. Hinzu kommt das Umgehen mit zweikanaligen Verstärkern oder auch Röhren-Topteilen - auch das ist nichts für Anfänger.

Zum kommenden Schuljahr werden wir parallel einen Versuch mit akustischen Gitarren und "open tunings" probieren - allerdings wird diese Gruppe dann nicht Big-Band-kompatibel sein, weil sie ohne Noten und außerdem in Kreuztonarten spielen wird.  Instrumente

Beim Bass haben wir mit den Fünfsaitern zwar gute Erfahrungen gemacht, allerdings gibt es auch Basslehrer, die den Kindern später wieder einen Viersaiter aufdrücken und dann haben diese Kinder teilweise zwei Instrumente zu Hause.  Bei den Bassisten und den Gitarristen fällt auf, daß unglaublich viel gedudelt wird - sie spielen gerne nach Gehör, aber das Blattspiel wird in der Sechs oft wieder verlernt, weil man lieber vor sich hinspielt. Bislang haben wir in der Unter- und Mittelsstufe keinen notenfesten Bassisten - aber die Kandidaten geben sich Mühe und üben. - Instrumente 

Klavier/Synthesizer
Die Pianisten ohne zusätzlichen Klavierunterricht waren im 5. Jg. mit den technischen Besonderheiten der Elektronik und dem gleichzeitigen Noten- und Akkordlernen überfordert. Hier muß korrigiert werden und in die kommende Fünf wird nur ein Klavierkind aufgenommen, das bereits Vorkenntnisse hat (etwa Schaum-Schule 2. Band), sonst hat es keinen Sinn. Man darf den Aufwand für Elektronik nicht unterschätzen. Sinnvoll ist es, jemanden in die Mittelstufenband aufzunehmen, der z.B. einen Bach spielen kann, da muß man nur noch die Elektronik und die Voicings der Akkorde erklären, doch auch das geht nicht in einem halben Jahr.  Instrumente

Das Fach Schlagzeug war der absolute Renner. Mittlerweile haben wir über zwanzig Sets, davon ist die Hälfte regelmäßig verliehen. Vier Sets stehen im Probenraum, vier stehen im Schlagzeugkeller, eins im Rockraum. Seltsamerweise zieht es die Drummer nicht zu den Rockbands, doch wir haben viele Kinder, die in den Frühstücks- und Mittagspausen im Keller üben und oft setzt sich ein Baß oder eine Gitarre dazu und jammt mit. In der Sieben und Acht entstehen daraus dann kleine Klassenbands, meistens Projekte für ein halbes oder ganzes Jahr. Daß wir im letzten 5er-Jahrgang sieben Drummer ausgebildet haben, war allerdings eine Erfahrung, die ich nicht noch einmal machen muß - es war sehr stressig und teuer, denn wir mußten fünf Sets dazukaufen. - Instrumente 

Die 5er Kinder im April 2010
5er Big-Band im April 2010 vor der Aula.  (Foto: © Martin Schlu)

 Ausbildung - Seitenanfang
Die Ausbildung ist in zwölf Jahren sehr systematisch geworden und die Level richten sich nach der Einstufung der internationalen Notenkataloge (z.B. Kurt Maas oder Hal Leonard). Nach einem Jahr Grundausbildung erreichen die Kinder, die regelmäßig geübt haben, die Stufe eins und können dann etwa mit einem Stück aus der Sammlung "Easy Jazz Pak" fertig werden. Stufe eins bedeutet auch, daß man einen Choral oder ein Lied vom Blatt spielen kann. Der erreichte Level wird auf dem Zeugnis vermerkt und geht bis Level sechs (das ist professioneller Standard, etwa Thad Jones/Mel Levis oder schwerer Herbolzheimer). Level zwei ist die Mittelstufenband (Blattspiel und Improvisation), Level drei bis fünf wird in der Oberstufenband gespielt. Ziel der Ausbildung ist die Fähigkeit, klassische Big-Band-Titel vom Blatt spielen und darüber solieren zu können und Mitglieder der Oberstufenband werden schon mal auf eine „Mucke“ (1) mitgenommen und testen dort ihr Können und ihren aktuellen Marktwert.
(1) Eigentlich heißt es ja "MuGe" = musikalische Gelegenheit, also eine bezahlte Aushilfe.

  Noten - Seitenanfang
Wir haben mittlerweile genug Material für die Grundausbildung und die weitere Verarztung der Fortgeschrittenen. Im Unterstufenorchester wird parallel zur Literatur (Stufe eins) mit der Bandmethode von Bruce Pearson gearbeitet, die Blattspiel und Improvisation trainiert. Es besteht eine Kooperation mit der Kölner Big-Band "Swing de Colgne" mit der wir gemeinsam Noten benutzen. Da die ihre Titel bei uns gelagert haben, stehen uns zur Zeit allein 250 durcharrangierte Big-Band-Titel zur Verfügung - etwa anderhalb Aktenschränke voll. Im Keller stehen noch einmal vier Schränke mit Blechbläserliteratur, Klavierauszügen und den gängigen Instrumentalschulen. Alle Notenschränke sollen mal im Büro stehen, doch noch stehen dort die Server für das schulische Internet und wir rühren lieber nicht an der Verkabelung. Bis Juni soll alles fertig sein.


  Probenräume und Verwaltung - Seitenanfang
Im Herbst 2008 sind wir nach zehn Jahren in die alte Bibliothek gezogen. Dieser Raum hat etwa 250 qm und wird in der einen Hälfte als Musikraum genutzt, in der anderen Hälfte als Probenraum. Dort haben wir vier Drum-Sets im Rack aufgebaut, die schnell umgeräumt werden können, wenn man es braucht und benötigte Verstärker und Boxen können in den Raum gerollt werden. Im laufenden Schuljahr sind die 5er mit 28 Kindern die größte Gruppe, die anderen Bands haben mit bis etwa 16 Musikern immer genug Platz. Im Juni testen wir den Raum mal als Aufnahmestudio.

Probenraum für die Big-Bands - so schön das Parkett ist, es ist kratzempfindlich
- z.B. für die Schlagzeugdorne an der Bassdrum
(Foto: © Martin Schlu)

Im Orchesterbüro steht ein Teil der Notenschränke und dort liegen auch zwischengelagerte Instrumente für den nächsten Tag und die Tontechnik. Der Förderverein hat uns ein Regalsystem spendiert, das es erlaubt, bis zu fünfzig Instrumente unterzubringen - was von Dienstag auf Mittwoch auch nötig ist, weil alle 5er an diesen beiden Tagen ihre Instrumente brauchen. Damit die Kleineren auch an die oberen Fächer kommen, haben wir einen stabilen IKEA-Hocker - meine Kinder haben ihn in fünfzehn Jahren nicht kaputtgekriegt. Platz für einen Kühlschrank und die Kaffemaschine war auch noch.


Platz für die Tontechnik und die Instrumente - der Schreiner baute nach Maß. (Foto: © Martin Schlu)

Außerdem ist endlich Platz für ein Büro mit Tageslicht, zwei Schreibtischen und einer kleinen Werkstatt und weil die Raumsituation sich erheblch entspannt hat, sind in jeder Pause zwischen zehn und vierzig Schüler/innen im Orchesterhaus. In weiteren Räumen stehen  Klaviere, eine geschenkte Heimorgel und jede Menge akustische Gitarren zum Klimpern, im Keller sind die Hard-Rocker und die Schlagzeuger untergebracht. Dort, im Schlagzeugraum, kann man nun mit vier Schlagzeugern gleichzeitig arbeiten und seit wir mehr Platz haben, ist die Struktur sehr übersichtlich geworden.

Orchesterbüro 2010
Das Orchesterbüro in den ehemaligen Computerräumen im 1. OG.
(Foto: © Martin Schlu)

Freiwilliges soziales Jahr Jultur (FSJK) - Seitenanfang
Ganz wichtig ist die personelle Verstärkung: Weil es seit 2007 die Möglichkeit gibt, ein freiwilliges soziales Jahr im Bereich Kultur abzuleisten, haben wir uns darum beworben und sind nun seit 2008 Einsatzstelle zusammen mit der BAG Musik und dem E.M.A-Gymnasum. Von September 2008 bis August 2009 hatten wir mit Marie aus Bremen eine Kraft, die ihr FSJ-Kultur bei uns absolviert hat und uns und dem befreundeten EMA viel Arbeit abgenommen hat. Ihre Nachfolgerin aus dem Raum Freiburg, Julia, ist noch bis August 2010 bei uns. Beide Mädchen nutzten und nutzen das FSJ um sich auf den Musiklehrberuf und das Musikstudium vorzubereiten und sie haben im Orchester große Fußstapfen hinterlassen - das Bewerbungsverfahren für ihre/n Nachfolger/in läuft zur Zeit. Welche Arbeit geleistet wird, merkt man spätestens, wenn Julia mal nicht da ist und der Laden fast zusammenbricht - sie hilft bei der Noten-, Instrumenten- und Finanzverwaltung, sortiert gebrauchte Noten ein, bereitet Proben vor , übernimmt bei Proben Assistenzen, schrieb am EMA an einem Musical mit, übernahm in der St. Josef-Grundschule Kinderchorarbeit und putzt auch mal im Treppenhaus und im Bandkeller durch, weil das die Stadt nicht übernimmt. Außerdem ist sie Ansprechpartnerin für die Orchesterkinder und eine Art große Schwester für alle. Bislang waren wir die einzige Einrichtung, bei der man ein FSJK im Schulbereich ableisten konnte - außer uns gab es in Bonn nur noch sechs andere Einsatzstellen (Beethovenhaus, Haus der Geschichte, Deutscher Musikrat, Junges Theater, ... etc. ) und wir hatten Bewerbungen aus ganz Deutschland. Auch dieses Jahr haben wir wieder zehn Bewerbungen und die Qual der Wahl.
  
Ensembles - Seitenanfang
Die letzten Jahre hatten wir die Oberstufen-Band "Brassrock", die Mittelstufen-Band "xyz-brass", die Unterstufen-Big-Band "Kiddybrass" und die 5er-Big-Band (die hat keinen Namen). Außerdem gab es ein Holzbläserensemble, kurzzeitig ein Blechbläserensemble  und ein paar Bands in Eigenregie, die bei uns probten. Auftritte waren auf Straßenfesten, aber auch auf regionalen Bühnen und dieses Jahr haben wir im Juni an drei Tagen hintereinander eine Fronleichnamsprozession, einen Auftritt auf der Museumsmeile und auf dem Beueler Promenadenfest.

 
Auftritt der Oberstufen-Big-Band "Brassrock" bem Projektfest im April 2010 (Foto: © Peter Linden)

Die Nachfrage nach Engagements steigt an und allmählich muß man auswählen und auch mal freundlich absagen, weil es sonst zu viel wird. Zum Glück kann die Mittelstufenband schon mal einige Auftritte übernehmen und die Unterstufenband spielt Weihnachtsmärkte und Ähnliches - das entlastet auch die Älteren. Ob wir den Karnevalsbereich nach fünf Jahren weiter betreiben, richtet sich danach, ob wir eine Halle bekommen, in der man den Wagen bauen und bestücken kann - die letzten Jahre wurde die Logistik immer schwieriger und man braucht etwa zwanzig bis dreißig Jecke für Orga und Durchführung.

Die Auftritte (aktuelle und gewesene) stehen im Internet (Auftrittsliste). Die Oberstufen - Big-Band hat eine eigene Internetpräsenz, die uns Peter Linden professionell gestaltet hat und die nun sehr ansprechend aussieht. (Brassrock-Seite).

Ein Letztes...
Ende dieses Schuljahres geht unser Schulleiter, Peter Wagner, in Pension. Ohne ihn würde es da ganze Orchesterprojekt nicht geben, weil er mich seit 1993 hat machen lassen, -zig Diskussionen über uns ertragen hat und ein verläßlicher Partner für uns war. Dafür sei ihm an dieser Stelle ganz herzlich gedankt. Man wird sehen, wie es mit der neuen Schulleitung die nächsten Jahre weitergeht. Zu tun ist noch genug (Schalldämmung, Brandschutz, Lastenaufzug, Modernisierung der Räume, Einbau des Studios, Gebäudesanierung.....).

Momentan wird ja diskutiert, ob das "JeKI"-Konzept der Stadt Bochum (Jedem Kind ein Instrument, Konzept von Manfred Grunenberg) flächendeckend in NRW eingeführt werden soll. Die nächsten Jahre werden dies zeigen - leider wird dabei immer übersehen, daß es nicht reicht, die Kinder in den Anfangsbericht zu bringen, wenn es dann nicht weitergeht. Hochgerechnet brauchte man für jede Fortgeschrittenen-Gruppe mindestens eine Lehrer- und Raumstunde wöchentlich und woher diese Massen von benötigten Kolleg/Inn/en und ausgestatteten Räumen kommen sollen, wenn jede Grundschule pro Jahrgang zwei bis drei Orchesterklassen bildet, ist absolut unklar - wer sich mit der gegenwärtigen Musiklehrerausbildung und der Behandlung des Faches Musik im Schulministerium  befaßt, kann nur den Kopf schütteln oder sich an denselben tippen....

Merkwürdig mutet bis heute auch an, daß auf den Fortbildungen von Yamaha und dem BDMH so getan wird, als könne man das Konzept des Klassenmusizierens auf jeder Schule eins zu eins umsetzen - wir haben da in zwölf Jahren ganz andere Erfahrungen gemacht und laden die Kolleg/in/nen gerne zum Besuch ein. - Seitenanfang

Mai 2010, Martin Schlu ((Foto: © Adalbert Schlag)
 
zurück