Reiseberichte - Deutschland - Rügen - Binz


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Binz Artikel als pdf-Detei (2 MB, 6 Seiten)
Geschichte - Binz heute - Rasender Roland - Ausflug zum Schloß Granitz
Text und Fotos: © Martin Schlu 2011/12, ergänzt 17. April 2017
 
Das Seebad Binz Ende Juli 2012
Das Seebad Binz Ende Juli 2012  -  nach oben

Geschichte
Binz wurde in der zweiten Häfte des 19. Jahrhunderts ein Seebad für etwa 100 Feriengäste, die anfangs privat untergebracht wurden. Als sich abzeichnete, daß man mit diesen Feriengästen Geld verdienen konnte, wurde bis zur Jahrhundertwende erheblich investiert. Ein Bahnhof wurde gebaut, der an die Linie Stralsund-Bergen anschloß, die Wege wurden planiert (Autos gab es noch nicht, aber Kutschen) und als aktuelles Statussymbol wurde 1902 endlich ein 520 Meter langer Fähranleger fertiggestellt, von dem die Gäste vom Schiff direkt an Land gehen konnten, ohne daß sie - wie z. B. in Hiddensee - erst in ein Fährboot umsteigen mußten. Zwei Jahre später wurde der Anleger das erste Mal neu gebaut, weil eine Sturmflut ihn zerstört hatte, doch die Investition rechnete sich, denn Seebäder waren in Mode gekommen. 

Zahlreiche Villen entstanden bis 1900 direkt am Strand und als der Strand unter den Familien aufgeteilt war, baute man in zweiter Reihe oder an der Hauptstraße, die auf das neue Kurhaus führte. Um 1910 war das Badeleben und der gesellschaftliche Status, den der Ort gewonnen hatte, auf einem Höhepunkt, doch diese Zeit endete mit dem zweiten Weltkrieg und der DDR-Zeit.

1912 kam es zu einem Zusammenbruch des Anlegesteges mit  vierzehn Toten, weil sich zuviele Menschen auf ihm aufgehalten hatten. Diese Katastrophe zog weite Kreise, führte zur Gründung der DLRG und zu sicherheitstechnischen Auflagen für künftige Stege. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Steg 1943 aus strategischen Gründen zerstört und zu DDR-Zeiten nicht wieder aufgebaut. Nach dem Mauerfall entstand die Seebrücke 1994 neu, besteht nun aus Beton und Stahl und führt 370 Meter ins Wasser. Am Ende können wieder Schiffe anlegen.

Der Anlegesteg, wie er sich heute zeigt  -  nach oben

Binz heute
Binz ist eine größere Stadt mit einer quirligen Fußgängerzone, allen möglichen Geschäften, sehr guten Einkaufsmöglichkeiten, ausreichend guten Restaurants und vielen Übernachtungs- und Wohnmöglichkeiten. Wer wie zu Kaisers Zeiten wohnen möchte, findet in den restaurierten Villen ein stilvolles Ambiente. Wer es anders mag, findet genug Ferienwohnungen oder geht ins Hotel. Selbst in der Hochsaison findet man noch das eine oder andere Appartement. 

Binz ist auch ein beliebter Ort, weil es mit dem ICE zu erreichen ist, d.h., man kann sich die Anfahrt streßfreier gestalten. Der Bahnhof ist fußläufig zur Innenstadt (außer für kleine Kinder) und wenn man eine Ferienwohnung in Strandnähe bekommen hat, sollte man durchaus über eine Familienanreise mit dem Zug nachdenken. Notfalls kann man sich auch einen Leihwagen nehmen, wenn man Größeres vorhat und die Busverbindungen ab Binz führen auf die gesamte Insel. Für Jugendliche ist die Anfahrt mit dem Fernbus atraktiv (hält auch in der Nähe des Bahnhofs) und man muß nicht in die Jugendherberge Prora (zu Fuß eigentlich nicht machbar), sondern hat auch eine in der Nähe der Seepromenade (Link). Wer es etwas weniger mondän mag, kann die Promenade lang laufen (das Meer rechts lassen) und gelangt nach einer halben Stunde an den etwas leereren Strand in Prora.

Mittlerweile sind es wieder Zigtausende, die im Sommer in Binz leben und die Strände und Promenaden snd entsprechend voll. Schön ist es immer noch, denn der Strand ist lang und breit und fällt so langsam ab, daß es selbst für kleine Kinder möglich ist, ein paar Meter ins Wasser zu gehen. Man muß muß sowieso etliche Meter ins Wasser gehen, ehe man überhaupt schwimmen kann und entsprechend langsam kommen die Wellen am Strand an.



Die Fußgängerzone in Binz - quirlig und schön  nach oben

Ausflüge
Von Binz aus kann man schöne Ausflüge machen, sei es eine Fahrt mit dem „Rasenden Roland“  (eine Kleinbahn aus dem vorletzten Jahrhundert mit Dampflok) über die Insel von Göhren bis nach Putbus und so kann man auch ohne Auto schöne Punkte der Insel erreichen (Streckenplan). Natürlich stinkt er nach Ruß und Kohle, aber als Ausnahme ist das auch etwas für Kinder, auch wenn man sie danach wahrscheinlich nicht mehr von der Lok wegbekommt. Für den Anfang tut es die Kurzstrecke nach Göhren, später, wenn man sich an den Geruch gewohnt hat, sollte man die Strecke nach Putbus fahren - so sieht man Rügen vom Auto nicht. Wer sich im Bereich Heiligendamm bis Boltenhagen zuhause fühlt, kennt natürlich das dortige Gegenstück, die „Molli“.

Der Rasende Roland im Bahnhof von Göhren
Der Rasende Roland im Bahnhof von Göhren mit den Zielen  Baabe - Sellin- Binz - Jagdschloß Granitz -  Putbus - Lauterbach
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Schloß Granitz
Wenn man sich mit der Familie derer zu Putbus beschäftigt hat, weiß man, daß die auf ganz Rügen Spuren hinterlassen haben. Eine davon ist das Jagschloß Granitz, das in den 1840er Jahren erbaut wurde. Es hatte dort vorher zwar auch schon bessere Jagdäuser gegeben, denn die Granitz (so heißt das Waldgebiet) galt als eines der besten Jagdreviere Deutschlands und es war naheliegend wichtigen Leuten, die man auf die Jagd einlud, eine angemessene Bleibe zu bieten (so hat es der letzte Genosse Erich ja auch gehalten - bei Angela Merkel wäre dies undenkbar). Also wurde ab 1837 abgerissen und groß gedacht, denn nun brauchte man etwas wirklich Repräsentatives. Schloß Granitz war also ein reines Statussymbol und als der damalige Kronprinz Friedrich Wilhelm (der spätere Kaiser Wilhelm I.) den Wunsch nach einem  Aussichtsturm äußerte, wurde der ihm erfüllt und der Berliner Stararchitekt Friedrich Schinkel mit dem Bau des Turmes beauftragt.

Schloß Granitz im April 2017
Schloß Granitz im April 2017

Schinkel baute denen zu Putbus daher einen reinen Aussichtsturm, ohne Zwischendecken oder Geschosse , nur zum Hochklettern und Runtergucken und dieser Turm ist bis heute nichts für kleine Kinder, denn die Treppe geht die ganze Zeit an der Innenmauer hoch und man sollte ein bißchen schwindelfrei sein.

Die Treppe führt ca. dreißig Meter innen hoch.
Die Treppe führt ca. dreißig Meter innen hoch. - nach oben

Man kann das Schloß zu Fuß erlaufen (ca. zwei Stunden ab Binz), man kann mit dem „Rasenden Roland“ bis in die Nähe kommen und man kann mit dem „Schloßexpress“ für ca. € 8.-/Erwachsene bis auf das Gelände fahren und auch wieder zurück. Hinzu kommen € 6.- Eintritt für das Schloß.

Für € 14.- insgesamt hinterläßt der Besuch ein zwiespältiges Gefühl, denn man zeigt eher das, was es nicht mehr gibt. Vom Inventar derer zur Putbus ist nicht mehr viel da, Krieg und Sozialismus haben den größten Teil vernichtet und so sieht man mehr Hirschgeweihe als Möbel, die allerdings hängend, liegend, als Tisch, als Stuhl usw. Es wurden offensichlich viele Hirsche erlegt und so sieht man Fotos von Hirschpastete, Hirschrezepte - als ob die Famile zu Putbus das Zeug hätte vermarkten müssen. Das interessanteste Foto gibt es in der Ausstellung - es zeigt den Bau des KdF-Bades Prora 1938, aufgenommen vom Aussichtsturm - auch so ein Statussymbol. Immerhin kann dieses Ding - anders als beim GröFaZ - heute wirklich benutzt werden.

Fazit: Der Besuch von Granitz lohnt sich für Schloßliebhaber nicht wirklich und für Seh-Leute nur bei exzellentem Wetter und guter Fernsicht, weil man dann einen tollen Blick über die Insel hat. Bei meinem Besuch nieselte es allerdings, kaum war ich oben, begann es zu stürmen und zu schütten und die Plattform wurde gesperrt.

Ohne Regen hätte man bestimmt bis zum Jasmund gucken können
Ohne Regen hätte man bestimmt bis zum Ende der Insel gucken können -  nach oben

Literatur zur Einstimmung auf das Seebad Binz
Kern, Judith: Das Leuchten des Sanddorns. Roman. Knaur Taschenbuch 63987, München 2009
Der Roman handelt von der Villa Luise vom Ende des 19. bis zum beginnenden 21. Jahrhundert und natürlich auch der zu ihr gehörenden Familie. Die Geschichte ist literarisch
zwar nicht der ganz große Wurf und nicht mit Christine Brückners "Poenichen"-Trilogie vergleichbar, aber trotzdem sehr interessant beschrieben. Die Verfasserin schildert die wilhelminische Epoche, die erste Weltkriegszeit, Inflation und aufkommende Nazizeit, sie beschreibt die Nachkriegszeit, den darauf folgenden Stalinismus und die beginnende DDR-Zeit. Am Ende des Romans springt die Verfasserin im Epilog auf die Nach-Wende-Zeit nach dem Mauerfall. Besonders gelungen sind die Passagen, die in Binz und Sassnitz spielen, weitere Orte auf Rügen werden kurz abgehandelt.  Insgesamt ist das Buch sehr lesenswert und für Binz-Urlauber eine Offenbarung.

An einer Historientafel des Hotels „Imperial“ rechts vom Binzer Seesteg findet man ziemlich viele Parallelen zwischen der Romanfamilie und der realen Hotelfamilie Staub und Löw. Die Im Text behandelte "Villa Luise" gibt es so nicht, aber man muß sie
sich so vorstellen wie die existierende "Villa Charlotte" und an der zur
Promenade führenden Straße und in zweiter Reihe zur Seeseite findet
man solche Häuser auch heute noch.

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Links
http://www.ostseebad-binz.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Binz 
http://www.ruegen.im-web.de/ruegeninformationen/orte-auf-ruegen/ostseebad-binz.html

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Text und Fotos: © Martin Schlu 2011/17, Stand: 17. April 2017