www.martinschlu.de


Kulturgeschichte - 19. Jahrhundert


Biographie

1819 - 1847
1848 - 1861
1862 - 1879
1880 - 1898

Werkverzeichnis

Gedichte
Balladen:
Die Brücke am Tay
John Maynard
Herr von Ribbeck

Reisebilder
Wanderungen durch die Mark Brandenburg
1. Bd. Die Grafschaft Ruppin
2. Bd.
3. Bd.
4. Bd.
5. Bd.

Romane und Erzählungen 

Theodor Fontane
Herr von Ribbeck auf Ribbeck

zurück Erklärung - Hintergrund - Varianten - Literatur
 
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand
Und kam die goldene Herbsteszeit
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: "Junge, wiste 'ne Beer?"
Und kam ein Mädel, so rief er: "Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn."
 
 
So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit
Da sagte von Ribbeck: "Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab."
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen "Jesus, meine Zuversicht",
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
"He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?"
 
 
So klagten die Kinder. Das war nicht recht -
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht ;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorausahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er tat,
Als um eine Birn' ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr, aus dem stillen Haus,
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.
 
 
 
Und die Jahre gehn wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet's wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her,
So flüstert's im Baume: "Wist 'ne Beer?"
Und kommt ein Mädel, so flüstert's: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ich gew di 'ne Birn."
 
 
 
So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
 
 
 
Erklärungen - Hintergrund - Varianten - Seitenanfang - zurück
 
1. Strophe - oben: Dorfkirche von Ribbeck/Havelland, in der die Erinnerung an die Familie von Ribbeck und Fontanes Gedicht lebendig gehalten wird.
 
2. Strophe - darunter:
Foto des Herrensitzes der Familie von Ribbeck, der gerade umfassend restauriert wird. Das "Doppeldachhaus" von 1826 steht längst nicht mehr
 
3. Strophe - Mitte
Foto aus der Dorfkirche auf den Birnbaum"sprößling" (es ist mittlerweile - 2007 - der vierte Birnbaum in Folge, der an dieser Stelle steht)
 
4. Strophe - weiter darunter:
Foto des Gedenksteines für den letzten Freiherrn von Ribbeck, Hans Georg Karl Anton, der von den Nazis im KZ Sachsenhausen (in Oranienburg, nicht weit von Ribbeck) im Februar 1945 wegen seiner nazikritischen Haltung umgebracht wurde.
 
Bei den "Varianten"
Denkmal Fontanes von Max Wiese (1907) am südlichen Ende der Karl-Marx-Straße. Die Blume lag da wirklich - irgend jemand ist hinaufgeklettert...
 
 
Hintergrund - Erklärung - Varianten - Seitenanfang - zurück
Fontanes Gedicht geht auf einen alten märkischen Stoff zurück und ist gleichzeitig eine Huldigung des originalen Freiherrn von Ribbeck Johann Georg, der 1857 starb und dessen Freigiebigkeit legendär war. Ihm setzte Fontane ein literarisches Denkmal von bleibendem Wert und drückender Last für die Gemeinde Ribbeck , die aber ganz gut damit fertig wird. Insbesondere die Kirche im Dorf (natürlich die evangelische Kirche, Fontanes waren ja gute Protestanten) zeigt sehr viel Engagement für Familie Ribbeck und deren Birnbäume und betreibt eine Art Ribbeck-Café.
 
 
 
Varianten - Hintergrund - Erklärung - Seitenanfang - zurück
Fontanes Gedicht geht auf eine Vorlage zurück, die von Auguste Hertha v. Witzleben, (einer Enkelin des Hans Georg Karl Friedrich Ernst v. Ribbeck) 1875 gedichtet wurde. Darin heißt es u.a.:
 
Zu Ribbeck an der Kirche ein alter Birnbaum steht
der mit den üpp'gen Zweigen der Kirche Dach umweht.
Von hohem Alter zeuget der Stamm, so mächtig stark
wächst schier aus dem Gemäuer wie aus der Kirche Mark.
 
Von diesem alten Birnenbaum geht eine Sage hier,
sie war als Kind zu hören stets eine Wonne mir:
Ein alter Ribbeck, hieß es, war Kindern hold gesinnt,
wohl hundertmal beschenkte er im Dorfe jedes Kind.
.....
 
Bei einem Sturm im Februar 1911 fegte ein Orkan den Jahrhunderte alten Birnbaum um. Da durch Fontane dieser Baum eine gewissen Berühmtheit erreicht hatte, dichtete Olga von Ribbeck eine Variante:
...
da stürzte der traute Birnbaumgreis,
von Kindern und Großen betrauert so heiß:
sein stilles Segnen mit aller Kraft
hat ihm viel warme Freunde geschafft.
 
Doch nicht lange währtet Trauer und Nacht,
da mit dem Tage die Hoffnung erwacht:
denn wieder sproßte aus Grabes Tor
ein Birnbaumsprößling zur Sonne ermpor.
 
Er wachse das Reislein aus Gottes Hand
Mit den Kindern des Ribbeck im Havelland.
 
Eine weitere Variante fügte Pfarrer Karl Boelcke hinzu, der von 1901 - 1914 in Ribbeck amtierte:
...
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand!
So ging es viel Jahre, bis lobesam
auch des alten Birnbaums Ende kam.
....
Auf Fontanes Denkmal in Neuruppin
da legt mit liebevoll dankbarem Sinn
einen blühenden Zweig eine junge Hand,
den der Birnbaum selber zur Weihe gesandt.
 
Und es flüstert dabei durch den Zweig wie im Traum!
Schönen Dank, schönen Dank sagt der Ribecker Baum.
Doch da mahnt aus einem stillen Haus
Der alte von Ribbeck: "Deine Zeit ist aus!"
 
- zurück
 
Die jüngste Variante von Ulrich Harbecke wird auf Postkarten vertrieben und hat ordentlich Pepp. Immerhin heißt es, als die Deern über den Kirchhof geht und vom Baum gefragt wird, "Wiste ne Beer?"
 
"Vergeblich. Es war nicht angekommen,
Sie hatte den Walkman nicht abgenommen."
 
Weitere Varianten werden hier gerne veröffentlicht. (MS)
 
Hintergrund - Erklärung - Seitenanfang - zurück
 
 
Literatur
Familie v. Ribbeck und der Birnbaum, Hrsg.: Ev. Kirchengemeinde Ribbeck im Havelland, Ribbeck 2006
Bettina Friedenberg/Matthias Ohnsmann: Zeitreise durch Brandenburg und Berlin, Wartberg-Verlag, Gudensberg-Gleichen 1996, S. 52f
Bernd Wurlitzer: ADAC Reiseführer Brandenburg, München 2006 S. 48f
 

(Fotos Martin Schlu, April 2007)

 
Hintergrund - Erklärung - Seitenanfang - zurück