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Kulturgeschichte - Barock - J. S. Bach:  Am Hofe in Weimar 1708 - 1717


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Johann Sebastian Bach 1685 - 1750
Am Hofe in Weimar 1708 - 1717
erstellt von © Martin Schlu - Stand: September 2002 (letzte Revision am 30.12.2013)

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1708  -  1709  -  1710  -  1711  -  1712  -  1713  -  1714  -  1715  -  1716  -  1717
"Aber schon ein Jahr darauf (1708) ging er nach Weimar zurück, um die Stelle eines Hoforganisten und Kammermusikers zu übernehmen. Als er bei der Neubesetzung der Hofkapellmeisterstelle übergangen wurde, verlangte er vom Herzog seine Enthebung. Er wurde festgenommen, vier Wochen in Haft gehalten und sodann mit allen Zeichen der Ungnade entlassen. Durch dieses Vorgehen hatte der Herzog seinem Namen einen Platz in der Musikgeschichte gesichert."
(Alfred Baumgartner: J.S.Bach in: Das große Handbuch der Musik, Kiesel 1989)
 
Der Weimarer Hof hat als Folge des 30jährigen Krieges seit 1629 eine Doppelherrschaft: Herzog Wilhelm Ernst, der in der Wilhelmsburg residiert, ist eher Theologe, Lutheraner und möchte seine Frömmigkeit auf den Hof übertragen. Er gründet Prediger- und Priesterseminare und unterhält ein Kirchenorchester. Der Neffe Ernst August dagegen residiert im Roten Schloß als zweiter Herrscher, ist eher Künstler als Theologe und kann sich mit seinem Onkel nie einigen, wer über die Dienstboten (und damit über die Hofkapelle) zu entscheiden hat. Als extremes Beispiel sei ein Hornist angeführt, der jedesmal, wenn er um seine Entlassung bat, zu Schlägen und Kerker verurteilt wurde und, als er heimlich flüchtete, für vogelfrei erklärt und gehenkt wurde.
 
1708 - Seitenanfang
Bach sitzt in Weimar zwischen den Stühlen zweier gleichberechtiugter Vorgesetzter, hält es aber immerhin neun Jahre hier aus. Finanziell verdient er gut und sieben Kinder werden dort geboren: Catherina Dorothea (1708-1774),  Wilhelm Friedemann (1710-1784), die Zwillinge Johann Gottfried und Maria Sophia (1713), Carl Philipp Emmanuel (1714-1788), Johann Gottfried Bernhard, (1715-1739) und Leopold August (1718-1719). Bachs Sorgenkind, Johann Gottfried Bernhard, muß ein Problemkind gewesen sein, denn es gibt einige Briefe Bachs, in denen er dessen Schicksal beklagt und Gottfrieds Tod 1739 in Jena ist ungeklärt.

In dieser Zeit werden Bachs Kontakte zu einem entfernten Verwandten, Johann Gottfried Walther, wieder intensiviert (Walthers Mutter war eine geborene Lämmerhirt und eine angeheiratete Großtante Johann Sebastian Bachs). Beide, Bach und Walther stehen in herzoglichem Dienst und Walther entwickelt in dieser Zeit die Idee eine Art Musiklexikon zu erstellen - eine Idee die, aus der allgemeinen Systematik der Naturwissenschaften abgeschaut wurde.

 
1709 - Seitenanfang
Bach festigt seinen Namen als Starorganist, Sachverständiger und Orgellehrer mit ca. achtzig Schülern. Das zweite Kind wird am 22. November geboren: Wilhelm Friedemann (1710-1784).


1710 - Seitenanfang


1711 - Seitenanfang
Bachs Gehalt erhöht sich auf 200 Gulden. Als Kapellmeister wachsen Bachs Aufgaben, so hat er für das Orchester monatlich eine Kantate zu schreiben und aufzuführen und zwischen 1714 und 1716 entstehen deshalb 20 weitere Kantaten.


1712 - Seitenanfang
Bach wird Pate bei Johann Gottfried Walthers ältestem Sohn, als der im September getauft wird. Zu diesem Zeitpunkt hat Walther schon einige Bände zusammengetrragen, jedoch wird das Lexikon nicht der große Wurf und als es 1732 endlich erscheint, fällt der Artikel über Bach recht spärlich aus, weil sich die beiden entfremdet haben.

1713 - Seitenanfang
Bach muß auf Bitten des Herzogs eine „Jagdkantate“ schreiben, die begeistert aufgenimmen, aber zu Bachs Lebzeiten nur zweimal aufgeführt wird. Außerdem bekommt die Familie Anfang März Zwillinge, jedoch stirbt der Junge (Johann Gottfried) bei der Geburt und die Zwillingsschwester (Maria Sophia) drei Wochen  später.

1714 - Seitenanfang
Bachs Gehalt erhöht sich auf 250 Gulden, weil er noch den Konzertmeisterposten erhält. Dies geschieht als Ausgleich, weil Bach in Halle an der Liebfrauenkirche eine Stelle angeboten bekam und in Weimar bleiben sollte. Carl Philipp Emmanuel (1714-1788) wird als fünftes Kind geboren und weil Bach mit Georg Philip Telemann seit längerer Zeit Briefe austauscht, übernimmt Telemann das Patenamt für  Carl Philipp Emmanuel und wird ih später auch ein wenig protegieren.

1715 - Seitenanfang
Johann Gottfried Bernhard, (1715-1739) wird als sechste Kind geboren.

Als der Neffe Ernst August stirbt und Wilhelm Ernst Alleinherrscher wird, hört das Gezerre um die Hofkapelle zwar auf, aber als am 1. Dezember der Kapellmeister stirbt und Bach bei der Besetzung der Stelle übergangen wird, hört er auf zu schreiben und schaut sich anderweitig um.


1716 - Seitenanfang
Im Januar lernt Bach den Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen kennen, schließt mit ihm im August einen Vertrag über 400 Taler jährlich und bittet erst danach den Herzog um seine Entlassung. Damit hat er gegen die allgemeinen Spielregeln bei Hofe verstoßen, denn Herzog Wilhelm Ernst ist bei Bachs Anstellung natürlich davon ausgegangen, lebenslänglich über ihn verfügen zu können. Ab August bezieht Bach also doppeltes Gehalt und muß sehen, wie er aus der Weimarer Anstellung herauskommt.


1717 - Seitenanfang
Im Oktober 1717 kommt es zum berühmten Wettstreit mit dem Orgelvirtuosen Louis Marchand, zu dem Bach vom Dresdner Hof eingeladen wird. Louis Marchand ist Hoforganist des französischen Königs Ludwig XIV. gewesen, hat sich mit ihm wegen privater Gelddinge zerstritten und lebt seitdem als freiberuflicher Pianist. Bach hört ihn bei einem Konzert und ist tief beeindruckt. Offensichtlich hat Marchand ihn auch beim Üben hören können, denn zum Zeitpunkt des Wettstreits ist Marchand frühmorgens abgereist und so gewinnt Bach kampflos. Jens Johler vertritt mit Klaus Eidam (a.a.o S. 119f) die Meinung, daß Bach durch das Umstimmen den Cembalo auf wohltemperierte Stimmung einen für Marchand nicht auszugleichenden Vorsprung erzielt habe, denn beide Kontrahenten hätten sich gegenseitig Aufgaben stellen müssen und eine Aufgabenstellung wie etwa eine „Fuge in Fis-Dur“ hätte Marchand auf den normalen Instrumenten niemals spielen können, weil die damalige pythagoräische Stimmung nur Tonarten bis zu drei Vorzeichen erlaubte - eine ungewöhnliche, aber nachvollziehbare Hypothese.

Dresdner Skyline von der Augustusbrücke aus gesehen. Das Klavierduell wurde allerdings in der Neustadt ausgetragen Foto: Martin Schlu © 2013

In Dresden knüpft Bach weitere Kontakte, möglicherweise mit Heinichen und besucht wahrscheinlich die Dresdner Oper (Johler a.a.o S. 216). Interessant ist dabei, daß der Dresdner Erbprinz gerade ein Ensemble aus venezianischen Musikern hat zusammengestellt lassen, das von Antonio Lotti geleitet wird und während dieser Zeit Opern aufführt. In Dresden hätte Bachs Lebensweg eventuell in Richtung Oper gehen können, doch der Vertrag mit Fürst Leopold zu Anhalt-Köteh  ist ja schon unterschrieben. Ob Bach jemals eine Oper geschrieben hat, weiß man nicht - erhalten ist diesbezüglich nichts.
 
Im Mittgelpunkt der Feierlichkeiten zur 200jährigen Wiederkehr der Reformation steht die neu komponierte Kantate “Ein feste Burg ist usner Gott" (BWV 80). Weil es vom streng lutherischen Herzog keine Reaktion gibt, probiert Bach eine Art Streik, spielt die täglichen Gottesdienste nicht mehr selbst und läßt sich vertreten. Am 6. November kommt es zwischen Bach und dem Herzog zu einer Konfrontation, als Bach seine Entlassung durchsetzen will (Johler a.a.o S. 248) Er wird wird vom Herzog deshalb ins Gefängnis geworfen, allerdings nach vier Wochen, am 2.12.1717, auf Drängen Leopolds und des sächsische Königs August (des Starken) wieder freigelassen, denen Bachs Auftritt in Dresden noch in frischer Erinnerung ist. Herzog Wilhelm Ernst kann sich einen Krieg gegen seinen König wegen eines Musikers einfach nicht leisten und so  zieht Bach eine Woche später nach Köthen. - Seitenanfang

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Orgelwerke aus dieser Zeit:
Orgelbüchlein. 46 Choralvorspiele für Orgel, nach dem Kirchenjahr geordnet,
Toccata und Fuge d-moll BWV 537
Fantasie und Fuge g-moll BWV 542
Passacaglia c-moll BWV 582

Orchestermusik aus dieser Zeit:
Orchestersuite Nr.1 C-Dur BWV 1066,
Orchestersuite Nr.2 h-moll BWV 1067 

Kantaten aus dieser Zeit:
Jagdkantate, BWV 208
Ein feste Burg ist unser Gott, BWV 80

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Quellen:
Alfred Baumgartner: J.S.Bach in : Das große Handbuch der Musik, Kiesel 1989
Martin Geck: Johann Sebastian Bach. rororo-Monographien Bd. 80, Reinbek bei Hamburg 1993
Jens Johler: Die Stimmung der Welt, Alexander-Verlag, Berlin/Köln 2013
Malte Korff: Johann Sebastian Bach. dtv-Portrait, München 2000
Martin Schlu: Ergänzungen zur Matthäuspassion, Manuskript, Bonn 1992/2000
Maarten t'Haart: Bach und ich. Piper, München 2000/TB Piper 3296, München 2002