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Kulturgeschichte - Barock - J. S. Bach: Thomaskantor in Leipzig


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Johann Sebastian Bach 1685 - 1750
Dienstpflichten des Thomaskantors 1723 - 1750
erstellt von © Martin Schlu - Stand: September 2002 (letzte Revision am 28.12.2013)

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Vorgänger als Thomaskantoren:
1594-1615    Sethus Calvisius (1556-1615)
1616-1630    Johann Hermann Schein (1586-1630)
1631-1657    Tobias Michael (1592-1657)
1657-1676    Sebastian Knüpfer (1633-1676)
1677-1701    Johann Schelle (1648-1701)
1701-1722    Johann Kuhnau (1660-1722)
1722-1723    Georg Philipp Telemann (am 3. September zurückgetreten)

Leipzig ist damals die Messestadt schlechthin in Deutschland, noch vor Frankfurt und Nürnberg. 30.000 Einwohner machen sie zum kulturellen Zentrum und die Kirchenmusikstelle, die Bach antritt, ist nur mit dem Domkapellmeister in Köln oder dem Maestro di Capella in Venedig zu vergleichen.

    Die Thomasschule ist eine Art Stiftsschule, deren Schüler meist Kinder armer Eltern sind, die jedoch im Normalfall musikalisch überdurchschnittlich begabt sind, so daß man mit Ihnen eigentlich auf einem hohen Niveau arbeiten könnte (vgl. Wiener Sängerknaben, Regensburger Domspatzen, Kölner Domsingschule etc.). Tatsächlich herrscht hier aber Kinderarbeit übelster Sorte: der Stadtrat kommt so billig an die Kirchenmusik und die Eltern wehren sich natürlich nicht, weil sie sonst einen Esser mehr im Haus hätten.

    Bachs Dienstpflichten sind daher nicht nur die eines Kantors etwa einer heutigen A-Stelle, sondern auch die eines Erziehers und sie außerdem noch in den Bereich eines Generalmusikdirektors für Kirche, Stadt und Universität zusammen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Aufgaben:

Organisation und Durchführung der Kirchenmusik an den vier Hauptkirchen Leipzigs, hauptsächlich der Thomaskirche und Nikolaikirche, außerdem an der Neuen Kirche und der Peterskirche;
Kirchenmusik an der zur Universität gehörenden Paulinerkirche;
Kompositionen von Passionen und Oratorien für die Hauptgottesdienste Weihnachten, Karfreitag, Ostern;
Musikalische Ausgestaltung etwa von Hochzeiten, Begräbnissen, städtischen Festlichkeiten, Geburtstag, Beerdigung etc. von Honoratioren von Kirche, Stadt und Universität;
Unterrichtsverpflichtung an der Thomasschule in Gesang, Musiktheorie, Instrumentalspiel, Latein, Katechismus (für Nicht-Evangelische: Bibelkunde und Auslegung nach lutherischer Auffassung);
Bereitstellung von Kantaten, damit an jedem Sonntag textlich/musikalisch passend ausgestaltet werden kann (Damit werden die fünf Kantatenjahrgänge begründet, ca. 300 Kantaten, von denen ca. 200 erhalten sind);
außerdem die Abnahme von Orgeln der Umgebung, Prüfungen  von Schülern, Stadtpfeifern, Organisten und die Verwaltung des Instrumentariums der Stadt. - Seitenanfang

 

Innenansicht der Nikolaikirche, Foto: Julia Dams © 2010

Üblich sind mehrere Stunden Sängerpflicht pro Tag in der Kirche (allein der Sonntagsgottesdienst dauert vier Stunden) und regelmäßiges Kurrendesingen,  um Spenden für die Gemeinde zu erbetteln...

Thomaskirche in Leipzig
Thomaskirche in Leipzig

 ... und das "Leichensingen" , bei dem die Schüler mit Dreispitz und schwarzem Umhang die Verstorbenen singend zum Grab geleiten und die musikalische Ausgestaltung der Totenmesse übernehmen müssen. Damit spielen die Thomasschüler für die Kirchenleitung wieder etwas Geld wieder ein und tragen zu ihrem Unterhalt bei. Etwas Vergleichbares gibt es bis heute in der Betheler Posaunenmission, wo jede Beerdigung geblasen wird, allerdings können die Bläser das Beerdigungsgeld für sich behalten (Ich kenne bis heute einige Bläser, die sich ihr erstes eigenes Instrument so verdient haben). Übrigens muß der Chor auch bei Hinrichtungen den Kandidaten mit dem Kantor zum Richtplatz begleiten, denn Hinrichtungen sind spektakulär und außer dem geistlichen Beistand für den Delinquenten wird dabei auch wieder Reklame für die Thomasschule gemacht. - Seitenanfang
 
Darüberhinaus ist ein Schulpensum zu absolvieren, das im sprachlichen und theologisch/philosophischen Bereich weit über dem heutigen gymnasialen Level liegt. Daß die Schüler dabei gewisse Disziplinprobleme haben, liegt heute auf der Hand und hat Bach sicherlich eine Menge Streß bereitet.

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Quellen:
Alfred Baumgartner: J.S.Bach in : Das große Handbuch der Musik, Kiesel 1989
Martin Geck: Johann Sebastian Bach. rororo-Monographien Bd. 80, Reinbek bei Hamburg 1993
Malte Korff: Johann Sebastian Bach. dtv-Portrait, München 2000
Martin Schlu: Ergänzungen zur Matthäuspassion, Manuskript, 1992/2000
Maarten t'Haart: Bach und ich. Piper, München 2000/TB Piper 3296, München 2002