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Worpswede - Paula Modersohn-Becker


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Paula Modersohn-Becker (1876 - 1907)
zurück - zu Modersohn - zu Rilke - zu Vogeler (Stand: 28.10.2012)
von Martin Schlu, 2012


1876
Am 8. Februar wird Paula Becker als drittes Kind von insgesamt sieben Geschwistern (überlebend: Kurt, Milly, Paula, Günther, Herma, Henner) in Dresden geboren. Der Vater, Carl Woldemar Becker, ist Bauingenieur (Spezialität Eisenbahnbau), die Mutter, Mathilde von Bültzingslöwen, kommt aus einer thüringischen Adelsfamilie. Ein Onkel Paulas, Oskar Becker, hat im Juli 1861 ein Attentat auf den  preußischen König Wilhelm von Preußen versucht und  damit einen weiteren gesellschaftlichen Aufstieg seines Bruders verhindert, denn der König läßt Carl Woldemar umgehend aus dem Staatsdienst entfernen und so wechselt dieser in die Privatwirtschaft, wo er auch mehr verdient  - wie dies heute auch oft ist. Paulas Vater ist erfolgreich in London, Paris und St. Petersberg tätig gewesen und spricht aus dieser Zeit die drei Sprachen Englisch, Französisch und Russisch, die Mutter spricht mindestens noch Französisch, weitere Brüder wandern später nach Asien und Australien aus und die Beckers sind eine ausgesprochen kosmopolitische Familie, deren Verwandschaft international verstreut ist.

Die Erziehung der Becker Kinder ist bürgerlich-liberal. Man orientiert sich natürlich an Goethe und Schiller, aber auch an den Naturwissenschaften, die Mädchen lernen - wie so viele andere bürgerliche Töchter - Klavier und bekommen Gesangsunterricht und überhaupt spielen in der Familie Becker Kunst, Literatur und Musik eine große Rolle. Heute würde man die Beckers als "bildungsnah" bezeichnen. Auch als das Geld knapper wird, spielen Kunst, Musik und Literatur eine große Rolle - vor allem die Musik von Richard Wagner.


1886
Beim Spielen wird Paula im Juli zusammen mit ihren Cousinen in einer Sandgrube verschüttet, wobei die ein Jahr ältere Cousine Cora Parizot erstickt - ein Erlebnis, das Paula ihr Leben lang prägt und möglicherweise ein Auslöser für Ihre Todesgedanken ist, die sie ihr Leben lang hat.

Die Mädchen zogen ihre Kleider aus, damit sie sich nicht wie am Sonntage so schmutzig machten. Cora hatte bald das allerschönste und tiefste Loch, das Cora sehr gern mit den Schwalbennestern oben am Rande verglich. Parizots mussten bald gehen, deshalb arbeiteten wir desto eifriger an unsern Löchern. Da löste sich eine hohe Sandwand ab und stürzte gerade da, wie Cora ihren Kopf aus dem Loche ziehen wollte, auf uns nieder. Wir waren alle verschüttet. Ich bis fast an den Mund. Milly und Paula bis an die Brust. Milly half uns andern allen, da sie zuerst heraus war. Als wir frei waren, schrie auf einmal Milly: Cora fehlt. Cora ist verschüttet. Ich schickte sie sofort zu Angermann, selbst lief ich ins Dorf und schickte Männer … aber Freddy hatte Dr. Brauer schon geholt. Ich glaubte fest und sicher, Cora müsse noch leben, aber der Dr. sagte anders, der sagte, sie sei tot.

Bericht des überlebenden Cousins Paulas, Kurt Becker, zit. nach Beuys,  S. 10



1888
Die Familie zieht nach Bremen, weil Paulas Vater dort eine Stelle als städtischer Baurat angenommen hat. Die Wohnung liegt in der heutigen Schwachhauser Heerstraße 23. Dort bekommt Paula einen kleinen Raum zum Malen - ihr erstes Atelier. Die Eltern haben Kontakt zu Politik und zu Künstlern und so geht die Bremer Oberschicht im Becker'schen Haus ein und aus.


1892
Weil eine (Stief)Schwester des Vaters, Marie Hill, auf einem Landgut in der Nähe Londons lebt, schicken die Eltern die sechzehnjährige Paula nach der Schule dorthin, damit sie auf ihre spätere Frauenrolle vorbereitet wird, Haushaltsfühurng und Englisch lernt und all dies, was ein junges Mädchen damals zu lernen hat. Der Aufenthalt ist für ein Jahr geplant, doch Paula kommt nach einem halben Jahr zurück, weil sie mit ihrer Tante nicht zurecht kommt. Immerhin hat ihr der Onkel ein halbes Jahr lang täglich acht Stunden Zeichenunterricht bei einer privaten Kunstschule bezahlt und so hat sich der Aufenthalt auf jeden Fall gelohnt.


London, den 11. Oktober 1892
Ich fange mit dem Neuesten an. Tante Marie und ich kommen eben von einer "school of art", in die ich Montag eintrete. Ich habe dort alle Tage Stunden von 10 - 4 Uhr. Zuerst zeichne ich nur, und zwar ganz einfache Arabesken usw. Mache ich darin Fortschritte, so zeichne ich in Kohle nach griechischen Modellen. Ich sah einge Venusse, ich sage Euch, ganz bezaubernd, die Schatten so weich. Sollte ich noch weiter kommen, so zeichne und male ich nach lebendigen Modellen....
zit. nach "Briefe", S.3

1893
Damit aus Paula doch noch etwas Rechtes wird, besucht Paula - wie ihre ältere Schwester zuvor - das Lehrerinnenseminar in Bremen. Das ist mit einer heutigen Ausbildung nicht zu vergleichen, weil die Schulpflicht damals nur bis zum zehnten Lebensjahr geht und so ist die Ausbildung damals weit unter den Erfordernissen, die eine Grundschullehrerin heute können muß - von Pädagogik wird da sowieso nicht geredet. Als Gegenleistung für die von ihr ungeliebte Lehrereinnenausbildung, handelt Paula dem Vater das Versprechen ab, privaten Malunterricht nehmen zu dürfen. Dieser Malunterricht findet bei Bernhard Wiegandt statt und wird für Paula die erste Möglichkeit, nach einem lebenden Modell zu arbeiten. Sie malt - wie alle Malschüler - realistisch und es entstehen Porträts ihrer Geschwister sowie das erste Selbstporträt. In diesem Jahr sieht sie in Bremen auf einer Ausstellung in der Kunsthalle zum erstenmal Bilder der Worpsweder Künstler Otto Modersohn, Fritz Mackensen, Fritz Overbeck, Hans am Ende und Heinrich Vogeler. Ihr gefallen die Bilder zwar, aber sie findet sie nicht umwerfend - bis auf ein Bild Otto Modersohns.


1895 - zu Vogeler
Im April sieht Paula in der Bremer Kunsthalle zum erstenmal Bilder der Worpsweder Künstler. Im Sommer besteht sie das Lehrerinnenseminat mit einem guten Ergebnis. Nun kann sie notfalls in der Schule arbeiten, wenn sich kein Mann findet und der Vater ist beruhigt.


1896 - zu Vogeler
Paula kann - durch eine  Finanzspritze ihrer mütterlichen Familie im Frühjahr nach Berlin fahren, um dort zunächst an einem sechswöchigen Kurs an der Zeichen- und Malschule des Vereins der Berliner Künstlerinnen teilzunehmen. Diese Schule ist renommiert - eine frühere Absolventin, Käthe Kollwitz, wird gerade berühmt - doch wie alle Frauen, kann Paula dort nicht regelrecht studieren, sondern darf nur die Malschule besuchen. Künstlerische Abschlüsse sind für Frauen nicht vorgesehen. Als Paula die Zulassung für einen zweijährigen Kurs bekommt, rückt die mütterliche Familie zusammen, sie als Untermieterin auf und so ist die Ausbildung möglich. Paula verbringt viel Zeit in Museen, beschäftigt sich mit Malern der deutschen und italienischen Renaissance, besonders Albrecht Dürer, Lucas Cranach, Hans Holbein der Ältere, Tizian, Botticelli und Leonardo da Vinci.

Berlin, den 23. April 1896

... Die Tage fliegen dahin! Ich habe keine Zeit mich einsam zu fühlen oder Langeweile zu verspüren. Vier Vormittage der Woche gehören zu meinem Zeichenunterricht, der bildet jetzt den Inhalt meiner Gedanken. Denn auch, wenn ich nicht in der Stunde bin, denke ich, wie ich dieses oder jenes Gedicht zeichnen würde.  So studiere ich auf meinem Wege mit riesigem Vergnügen Physiognomien und versuche, das ihnen Charakteristische schnell zu finden. Wenn ich mit jemandem spreche, so beobachte ich mit Fleiß, was für einen Schatten die Nase wirft, wie der tiefe Schatten auf der Wange energisch ansetzt und doch wieder mit dem Licht verschmilzt...

zit. nach "Briefe", S.9



1897 - zu Vogeler
Weil die Eltern Silberhochzeit haben, unternehmen sie eine "Landpartie" nach Worpswede. Dieses Dorf liegt mitten im Gebiet des "Teufelsmoor" , die Bewohner sind arme "Düwel" (daher der Name), die im Sumpfgebiet versuchen von karger Landwirtschaft und dem Verkauf des gestochenen Torfes irgendwie zu überleben. Das Gebiet um Hamme und Wümme ist absolut flach, die Ufer der Kanäle sind noch nicht bewachsen - wie heute - und weil das Land so flach ist, erscheint der Himmel riesig und verändert sich dauernd. Es ist ein Dorado für Naturfreunde und Landschaftsmaler, für die Bevölkerung damals natürlich nicht.


Die Bäume muß man sich wegdenken - auf alten Fotos sind die Uferränder alle flach. Der Himmel verändert sich immer noch ständig.

Paula ist von der Landschaft aus Birkenwäldern, Moorgebieten und Wolkenformen hingerissen und der dort lebenden Künstlerkolonie tief beeindruckt. Noch vor dem Beginn des Semesters fährt sie mit einer Freundin wieder dorthin, bleibt einige Wochen, wandert durch das Moor, an der Wümme und Hamme entlang und besucht die Maler der Künstlerkolonie. Hier kommt es zu ersten Kontakten mit Heinrich Vogeler, Fritz Mackensen, Hans am Ende und Otto Modersohn - der steht allerdings kurz vor seiner Hochzeit mit der leukämiekranken Helene.

Im Januar hat Paula 600 Mark geerbt und erhält ab da außerdem von ihren kinderlosen Verwandten Arthur und Grete Becker eine auf drei Jahre befristete jährliche Rente von 600 Mark, um ihre Malausbildung weiterzuführen. Das Geld würde für einen Umzug nach Worpswede reichen, eine kleine Wohnung und ein Atelier. Ihre Mutter plant zwar, dass die Tochter nur ein ein paar Wochen bei Fritz Mackensen Mal- und Zeichenunterricht nehmen, und im Herbst eine Au-Pair-Stelle in Paris antreten soll, doch Paula plant insgeheim einen längeren Aufenthalt. Im September sie Paula nach Worpswede, und mietet dort eine Wohnung. Im Unterricht bei Fritz Mackensen lernt Paula eine Bildhauerin kennen: Clara Westhoff, die bei ihm Modellier- und Zeichenunterricht nimmt. Clara Westhoff und Paula Becker werden schnell Freundinnen.

Im November reist Paul nach Wien und studiert im Kunsthistorischen Museum die Renaissance- und Barockmaler (Dürer, Rubens, Tizian).



1898 - zu Rainer Maria Rilke - zu Vogeler
Ab März kommt es zu regelmäßigen Kontakten zu dem Ehepaar Helene und Otto Modersohn und zu Heinrich Vogeler, unter dessen Anleitung Paula im Sommer 1899 ein paar Radierungen anfertigt, doch die Radiertechnik liegt ihr nicht und sie kehrt wieder zur Malerei zurück. Wichtig wird ihre Bekanntschaft mit Rainer Maria Rilke, der eine Liebesbeziehung zu Clara Westhoff beginnt und mit Heinrich Vogeler befreundet ist.

Ein Auftrag des Kölner Schokoladeproduzenten Ludwig Stollwerck zusammen mit Otto Modersohn und den Worpsweder Künstlern Fritz Overbeck und Heinrich Vogeler führt zu einer regelmäßigen Zusammenarbeit der vier Maler. Im Frühsommer spendiert ihr Onkel Wulf v. Bützingslöwen als Belohnung für das erfolgreiche Studium eine Reise nach Norwegen - dort sieht sie wieder Werke des 25jährigen Edvard Munch, der gerade seinen Durchbruch als Maler geschafft hat. Seine Bilder beeindrucken Paula sehr.



1899 - zu Rainer Maria Rilke - zu Vogeler
Ende des Jahres steuert Paula zwei Bilder zu einer Ausstellung bei,  deren Besprechung ein Fiasko wird, denn der für den "Weser-Kurier" schreibende Arthur Fitger verreißt diese Bilder am 20. Dezember gnadenlos:

„Unsere heutigen Notizen müssen wir leider beginnen mit dem Ausdruck tiefen Bedauerns darüber, daß es so unqualifiercirbaren Leistungen wie den sogenannten Studien von Maria Bock und Paula Boecker(!) gelungen ist, den Weg in die Ausstellungsräume unserer Kunsthalle zu finden, ja daß man ihnen ein ganzes Cabinet eingeräumt hat.... daß so etwas hat möglich sein können, ist sehr zu beklagen. Für die Arbeiten der beiden genanten Damen reicht der Wörterschatz einer reinlichen Sprache nicht aus und bei einer unreinlichen wollen wir keine Anleihe machen.

... allein diesen Arbeiten gegenüber... einer primitven Anfängerin...hervorgeholt.. ... können wir unsere schärfste Abweisung nicht ersparen.

... so ist auch uns in diesem Augenblick der Gedanke an unsere Kunsthalle so widerwärtig geworden, daß wir den lebhaften Wunsch nicht mehr unterdrücken können, möglichst bald sie uns aus dem Sinn zu schlagen und uns Erfreulicherem zuzuwenden“
zit. nach "Wendt", S. 184f

Paula reagiert sofort. Wenn die Bremer Presse ihre jahrelange Arbeit so vernichtet, hat sie hier nichts mehr zu suchen. Noch in der Silvesternacht reist sie nach Paris - dort findet sie eher Anerkennung als Malerin. Eine Adresse hat sie über Clara Westhoff, die in Paris hofft, endlich bei Auguste Rodin lernen zu können und mit der Rente als finanziellem Hintergrund wird sich schon etwas finden.


1900 zu Rainer Maria Rilke - zu Vogeler
Paula hat eine Wohnung im Ateliergebäude Nr. 9 in der Rue Campagne Première mit Möbeln vom Trödel (wie so viele Studenten heute auch), studiert  an der Académie Colarossi im Quartier Latin und erlernt die Maltechniken, die in Paris gerade Mode sind. Sie verbringt mit Clara oder auch alleine viel Zeit im Louvre und saugt die künstlerischen Endrücke der Stadt auf wie ein Schwamm. In einer Galerie ist sie von den Gemälden des damals noch unbekannten Paul Cézannes beeindruckt.

Im April beginnt die Weltausstellung 1900, auf der auch Werke des berühmten Auguste Rodin zu sehen sind. Otto Modersohn
kommt im Juni nach Paris . Paula schätzt den elf Jahre älteren Maler sehr. Modersohns kranke Ehefrau Helene ist aufgrund ihres schlechetn Zustands nicht nach Paris gekommen und in Worpswede zurückgeblieben. Während Modersohns Paris-Aufenthalt stirbt seine Frau in Worpswede und sofort
fährt er zurück, läßt Helene auf dem Worpsweder Friedhof begraben und kümmert sich um die gemeinsame Tochter Elsbeth. Zwei Wochen später fahren auch Paula und mit Clara Westhoff nach Worpswede zurück. Das Geld ist aufgebraucht und nun muß etwas geschehen.

Paulas Eltern legen ihr nahe "in Stellung" zu gehen, wie es für unverheiratete Frauen damals üblich ist, doch Paula wehrt sich dagegen. Da paßt es gut, daß bei einem Abend in Barkenhoff eine Freundin Vogelers mit Paula ins Gespräch kommt und ihr ihr altes Atelier anbietet. Es liegt etwas außerhalb, im "Brünjeshof", einem sogenannten "Handtuch-Bauernhof" (ein Hof mit einem vierzig mal tausend Meter breten Landstreifen, mit dem man nicht reich werden, aber überleben kann, so daß die Handtuch-Bauern gerne Zimmer vermieten). Paula sagt zu und mietet zum 1. Juli ein Atelier, das aus dem eigentlichen Raum, einer Bilderkammer, der Milchküche und einer Waschgelegenheit besteht. Der Bauernhof ist damals eine kleine Kate, ohne Kamin, aber mit einem Ofenrohr nach draußen und Paula beklagt sich später ofter, sie würde ganz schön eingeräuchert - der Wind dreht ab und zu und drückt den Rauch wieder ins Haus.




oben: Dieser Hof war 1900 natürlich nicht in diesem Zustand und ist nach dem Krieg wieder neu aufgebaut worden - die Außenmauer ist original. Man erkennt deutlich das später von Otto Modersohn veranlaßte Oberlicht, das in das Dach des Brünjes-Hofes eingesetzt wurde.

Worpswede, 2. Juli 1900
Ich wohne jetzt bei Brünjes in Ostendorf (Heute Ostendorfer Str. 25), schön in der Stille. Da versuche ich alles Eitle, was die Großstadt mit sich brachte, abzustreifen und einen wahren Menschen und eine feinfühlige Seele und eine Frau aus mir zu machen.                
zit. nach "Briefe", S.122

Später läßt Otto Modersohn noch ein Oberlicht einbauen, damit der Raum heller wird. Heute kann man Paulas Atelier als Ferienwohnung mieten und hat damit die Kombination von Wohnung und Museum. Das Haus, der ein Kilometer lange Garten und das nachbarschaftliche Anwesen (Diedrichshof) sind als Ensemble längst denkmalsgeschützt und manche Teile sind bis heute im Originalzustand.

unten:

Innenansicht des ehemaligen Ateliers: helles Nordlicht durchflutet immer noch den Raum. An der Wand ein Foto von Carl Emil Uphoff mit seiner ersten Frau Luise und ein Portrait von Paula Modersohn-Becker. Im Zimmer hängen außerdem zwei Ölbilder Carl Emil Uphoffs, eins davon zeigt den Bauernhof nach Paulas Tod mit übermaltem Oberlicht.




Am 12. September trägt Otto Modersohn in sein Tagebuch ein: 5-2 Uhr nachts verlobt - In Paulas Tagebuch findet man an diesem Tag keinen Eintrag, doch Ende Oktober gibt es Briefe, in denen die Familie in Bremen eingeweiht wird. Paulas Mutter fackelt nicht lange - das Kind muß kochen lernen, damit es eine gute Ehefrau abgibt und so wird Paula zur Vorbereitung auf die kommende Ehe in Berlin in einer Koch- und Haushaltsschule angemeldet. Paula ist allerdings längst klar, daß sie ihr Leben nicht nur als kochende Ehefrau an der Seite eines Malers verbringen wird, sondern sie will gleichberechtigt neben ihm auftreten.


1901
- zu Rainer Maria Rilke - zu Vogeler
Kurz nach der Ankunft in Berlin schreibt Paula an ihren Verlobten:


Berlin, 13. Januar 1901

Ich bin nun in Berlin und fühle mich sehr zahm und sehr eng und möchte die Wände sprengen und ein Stück Himmel sehen. Ich glaube, ich werde diese zwei Monate es doch sehr schwer haben. Ich passe in  solch eine Stadt nicht, hauptsächlich nicht hierher ins elegante Viertel. Da falle ich aus dem Rahmen.
In Paris, das Quartier Latin, das war doch etwas anderes. Die Menschen um mich sind süß und freundlich. Aber ihr Leben spielt sich doch sehr in einer standesgemäßen Veräußerlichung der Dinge ab. Dabei sind es zarte, vibrierende, sensitive Frauen, Gartenblumen, und mein Blühen ist doch so sehr im Felde. Es wird schon alles werden, nur kommt meine arme kleine Seele in einen Käfig. Wenn ich ihr Worpsweder Freiheit ließe, würde sie in ihrer Ungebundenheit in diesem Glasschrank viel Schaden anrichten. [...]
Im Ganzen beherrscht mich stark das Gefühl von beschnittenen Flügeln. Wenn ich mein Leben erst geordnet habe in Kunst und Kochen, dann wird's wohl besser sein. Hier in der Nähe ist eine Kochschule beiderlei Gestalt, einfacher Mittagstisch und Puterbraten. [...]
zit. nach "Briefe", S.140

Nach kurzer Zeit beendet Paula aber die Berlner Episode. Sie findet nicht daß ihr Platz am Herd ist und das bißchen Kochen, das sie gelernt hat, reicht. Glücklich zieht sie wieder nach Worpswede.

Im Februar besucht Rainer Maria Rilke Paul in ihrem "Lilien"-Atelier (wie er es nennt, weil Paula eine Wand mit französischem Stoff mit enem Lilienmotiv verziert hat) und bleibt ganze Nächte bei ihr. Die beiden fühlen sich seelenverwandt, dikutieren bis in den frühen Morgen und nach dieser Begegnung schreibt Rilke dieses Gedicht:

zit. nach "Beuys", S.167

Zu solchen Stunden gehn wir also hin
und gehen jahrelang zu solchen Stunden,
auf einmal ist ein Horchender gefunden-
und alle Worte haben Sinn.

Dann kommt das Schweigen,das wir lang erwarten,
kommt wie die Nacht,von großen Sternen breit:
zwei Menschen wachsen wie im selben Garten,
und dieser Garten ist nicht in der Zeit.

Und wenn die beiden gleich darauf sich trennen,
beim ersten Wort ist jeder schon allein.
Sie werden lächeln und sich kaum erkennen,
aber sie werden beide größer sein...


Am 25. Mai heiraten Paula Becker und Otto Modersohn in der Becker'schen Wohnung in Bremen. Nach dem damaligen Namensrecht müßte sie eigentlich Paula Modersohn heißen (genau wie Clara Rilke), doch da sie als Paula Becker schon einen gewissen Ruf hat, wird daraus der Doppelname Paula Modersohn-Becker.

Die Hochzeitsreise führt beide unter anderem zu Gerhard Hauptmann ins schlesische  Agnetendorf. Nach ihrer Rückkehr muß der Künstlerhaushalt irgendwie organisiert werden, denn es gibt eine Tochter aus erster Ehe , Elsbeth, die betreut werden muß und Paula will malen. Das Problem wird mit einer generalstabsmäßigen Planung und einem Kindermädchen gelöst und so kann Paula vormittags neun Uhr bis mittags um eins malen, ist zum Essen zuhause und nachmittags von drei Uhr bis abends um sechs oder sieben im Atelier - ein Fulltime-Job, wie ihn viele berufstätge Mütter heute auch haben. Elsbeth wird in den Folgejahren ein häufiges Modell für Paula, das Ehepaar erlebt sich gegenseitig als bereichernd und künstlerisch gleichwertig und rückblickend nennt Otto Moderson die Jahre bis 1904 die glücklichsten seines Lebens.


Im Sommer steigen Paula und Clara Westhoff aus
Jux und Dollerei auf den Turm der Worpsweder Kirche, schauen sich erst um und läuten dann aus Übermut die Glocke. Die Worpsweder denken natürlich sofort, es brenne irgendwo, merken aber später, daß die beiden "Malweiber" falschen Alarm ausgelöst gebaut haben und sind entsprechend sauer. Der Kirchenvorstand tagt und kommt zu dem Entschluß, daß die beiden jungen Frauen als Strafe etwas für die Gemeinde tun müssen und erlegen ihnen auf, die Deckenbalken der Kirche zu schmücken. Aus diesem Grunde gibt es eine einzigartige Gemeinschaftsarbeit von Paula und Clara in den Innenräumen der Worpsweder Kirche - bis heute sind noch drei Stellen gut erhalten, an anderen Stellen gibt es noch Farbspuren.


Eine von drei gut erhaltenen Arbeiten der beiden Künstlerinnen am rechten Balken in der Mitte.



1902 - zu Rainer Maria Rilke - zu Vogeler
Paula ist durch die Hochzeit mit Otto Modersohn zwar finanziell abgesichert, doch sie sieht die Ehe ein bißchen kritischer als er:


Tagebucheintrag aus der Osterwoche, März 1902
In meinem ersten Jahre der Ehe habe ich viel geweint und es kommen mir die Tränen oft wie in der Kindheit jene großen Tropfen. Sie kommen mir in der Musik und bei vielem Schönen, was mich bewegt . Ich lebe im letzten Sinnen wohl ebenso einsam als in meiner Kindheit. Diese Einsamkeit macht mich manchmal traurig und manchmal froh... Man lebt nach innen gewendet... Da ist denn mein Erlebnis, daß mein Herz sich nach einer Seele sehnt, und die heißt Clara Westhoff.
...
Ostermontag
„Es ist meine Erfahrung, daß die Ehe nicht glücklicher macht. Sie nimmt die Illusion, die vorher das ganze Wesen trug, daß es eine Schwesterseele gäbe.

Man fühlt in der Ehe doppelt das Unverstandensein, weil das ganze frühere Leben darauf hinausging, ein Wesen zu finden, das versteht …

Dies schreibe ich in mein Küchenhaushaltebuch am Ostersonntag 1902, sitze in meiner Küche und koche Kalbsbraten.“
zit. nach "Briefe", S.169

Otto Modersohn scheint Paulas Unsicherheit aber nicht zu bemerken.
Im Gegenteil schreibt er in seinem Tagebuch, daß er "überrascht durch Paulas Fortschritte" ist, daß Vogeler sich nicht mit Paula auseinandersetzt und sie nie im Brünjes-Atelier besucht und er stellt fest, "Paula malt  heute schon besser wie Vogeler und Mackensen"

(zit. nach "Briefe", S.248f)


1903 - zu Rainer Maria Rilke - zu Vogeler
Von Februar bis März ist Paula das zweite Mal in Paris. Rainer Maria Rilke ist ebenfalls mit Clara und der gemeinsamen Tochter dort. Das gespannte Verhältnis zwischen Paula und Clara verbessert sich wieder, es entstand, weil Clara sich vollends an Rilke angepaßt hatte, während Paula versuchte, trotz ihrer Ehe ihren eigenen Weg zu gehen. Paula und Clara besuchen den Louvre, studieren antike und ägyptische Kunst, altjapanische Rollbilder und Rilke vermittelt ihr den Kontakt zu Auguste Rodin, an dessen Biographie er gerade letzte Hand anlegt. Paula besucht Rodin in seinem Pariser Atelier und in seinem Haus in Meudon, doch für Rodin ist sie lediglich irgendeine deutsche Malerin. Vermutlich hat Paula in Paris auch Gemälde von Paul Gauguin gesehen.

Als Paula nach Hause fährt, hat sich die Freundschaft der beiden Frauen wieder gefestigt, doch die Ehe zwischen Rilke und Clara hat einen Knacks bekommen und Clara zieht im Sommer mit ihrer Tochter nach Fischerhude - Rainer Maria Rilke zieht derweil durch die Welt, schreibt und veröffentlicht, u.a. das Buch über Worpswede, doch darin kommen Clara und Paula nicht vor - sie gelten für Rilke nicht als Künstlerinnen und erst später wird ihm klar, daß er beide falsch eingeschätzt hat.

Im Juli fahren Paula, Otto Modersohn und seine Tochter Elsbeth nach Amrum in die Sommerferien.



1904 - zu Rainer Maria Rilke - zu Vogeler
Für dieses Jahr gibt es nur drei Briefe (18.1., 15.4., 30.4.). Natürlich können durch Kriege viele Briefe und Einträge verlorengegangen sein, aber da Paula bei Kriegsbeginn bereits recht bekannt war und die erste Tagebuch- und Briefausgabe bereits 1917 erfolgte, ist dies nicht sehr wahrscheinlich. Vermutlich hat sich Paula in diesem Jahr eher zurückgezogen, denn die große Anzahl der entstandenen Gemälde spricht dafür (bis Ende 1904 sind ca. 130 Gemälde entstanden). Paula übernachtet nun häufig im Atelier, liest französische Literatur, weil sie die Sprache besser lernen will (z. B. George Sand: "Lettres d'un voyager") aber aus den wenigen Briefen kann man keine Spannungen mit Otto Modersohn herauslesen, eher eine große Vertrautheit.
("Briefe", S.203-206)

Im Sommer fährt Paula mit Otto Modersohn nach Dresden, Kassel und Braunschweig.


1905 - zu Rainer Maria Rilke - zu Vogeler
Von 14. Februar bis April reist Paula gemeinsam mit ihrer Schwester Herma Becker zum dritten Mal nach Paris. Sie belegt dort Aktkurse an der Académie Julian. Otto Modersohn, Milly Becker, Martha und Heinrich Vogeler und dessen Schwester Marie besuchen sie dort und zusammen machen Ausflüge nach Meudon zu Auguste Rodin. Dabei würde Paula viel lieber mit Otto alleine sein. Der wiederum ist nicht so recht in Stimmung, denn am 8. März ist seine Mutter gestorben und so hat Paula das Gefühl, er würde ihr den Paris-Aufenthalt verderben. Immerhin sieht sie wieder Bilder von Paul Cézanne und Paul Gauguin und beschäftigt sich nach ihrer Rückkehr in Worpswede. Sie läßt sich Aufsätze über Gauguin schicken und
die danach entstandenen Bilder mit der "Armenhäuslerin" zeigen inverkennbar einen naiven Einschlag. Außerdem malt sie nun sehr häufig Stilleben mit auf wenige Dinge reduzierte Motive. Die Stilleben sind nach Meinung Otto Modersohns das Beste, was bisher in Worpswede gemalt wurde - ein ziemlich großes Kompliment.


Alte Armenhäuslerin, 1905, Leinwand, Original im Besitz des Von der Heydt-Museum, Wuppertal

Im Dezember
kommt Rainer Maria Rilke nach Worpswede um mit Kind und Frau Weihnachten zu feiern und Paula weiht ihn ein, daß sie nochmal nach Paris möchte und sie hat auch bereits dafür Geld gespart. Außer Rilke weiß nur Clara Westhof und Paulas Mutter davon, daß die Ehe kriselt und Paula weg will. Nun beschäftigt sich Rilke ausgiebig mit Paulas Kunst und rät ihr nach Paris zu gehen - auch wenn Otto Modersohn dies nicht gerne sieht. Notfalls könne sie ihn ja verlassen. Um ihr Mut zu machen kauft er als erster eines ihrer Bilder ("Säuling mit der Hand der Mutter") und rät ihr die besten Bilder mitzunehmen und auf Pariser Ausstellungen zu zeigen. Mitnehmen würde Paula ihre Bilder ja, aber sie in Paris zu zeigen traut sie sich doch noch nicht.


1906
- zu Rainer Maria Rilke - zu Vogeler
Am 22. Februar  verläßt Paula Worpswede und bricht zum viertenmal nach Paris auf. Sie will sich von Otto Modersohn trennen, ist sich aber noch unsicher, ob sie es wirklich tun will. Im Tagebuch schreibt sie zwei Tage später

Paris, den 23. April 1896

Lieber Otto,
...
Laß uns diese Sache, bitte, im Augenblick gar nicht berühren und eine Zeit ruhig vergehen. Die Antwort, die sich dann finden wird, wird die richtige sein...
...
Versuche, Dich an die Möglichkeit des Gedankens zu gewöhnen, daß unsere Leben auseinandergehen können....                                                                   
zit. nach "Briefe", S.224

Im April kommt es zu häufigerem Kontakt mit Bernhard Hoetger, der bei Auguste Rodin studiert und dem sie nach langem Drängen erst am 4. Mai ihre Bilder zeigt. Er ist von ihren Bildern überzeugt, kauft auch eins und ist damit nach Otto Modersohn und Rainer Maria Rilke der dritte, der ihr bescheinigt, daß sie etwas kann. Seine Einschätzung setzt immense Kräfte frei und Paula malt von 1906 bis 1907 etwa neunzig Gemälde. Vor allen Dingen entstehen Aktbilder, viele Stilleben, Mutter-Kind-Bilder und zahlreiche Selbstbildnisse.

Die Trennung von Otto Modersohn dauert an. Auch als dieser im Juni für eine Woche nach Paris kommt und es eine Ausspache gibt, ändert sich nichts. Trotzdem unterstützt Otto Modersohn Paula weiterhin finanziell, was für ihre Familie unzumutbar ist, weil inkonsequent, denn die Beckers fänden eine klare Trennung besser und würden Paula auch finanzieren. Damit es künstlerisch weiter geht, richtet sich Paula in der Avenue du Maine ein einfaches Atelier ein, nimmt weitere  Zeichenkurse, besucht einen Anatomiekurs an der École nationale supérieure der Beaux-arts de Paris und natürlich alle Ausstellungen, die zu sehen sind. Der Anatomiekurs ist nicht für Frauen vorgesehen - man glaubt, der Anblick von Sektionen und präperierten Leichen sei nichts für Frauen, doch Paula setzt sich durch und nimmt teil.

Am 3. September schreibt
Paula
ihrer Mutter, sie habe Otto geschrieben, er solle nicht mehr kommen. Bernhard Hoetger macht ihr aber klar, daß sie ohne Ottos Geld nicht klarkommen würde, so talentiert und produktiv sie auch ist, denn bis jetzt hat sie gerade drei Bilder verkauft. Frauen können damals nicht alleine von der Kunst leben - auch Camille Claudel macht in Paris diese Erfahrung und wird erst nach ihrem Tod berühmt werden. Paula schreibt am 16. September ihrer Schwester (Milly?), Hoetger habe mit ihr geredet und sie überzeugt, es noch einmal zu versuchen.

Im Oktober bittet Paula ihren Mann, nun nach Paris zu kommen, damit sie versuchen, sich wieder zu finden. Otto mietet in derselben Straße wie sie ein Atelier, sie besuchen einander, gehen in Ausstellungen und kommen sich nach einem halben Jahr der Trennung wieder näher. An die Mutter schreibt Paula am 1. November, daß Elsbeth in der Schule das Jahr wiederholen soll ("Briefe" S. 236) - offensichtlich hat Elsbeth unter der Trennung sehr gelitten.

Die Krise scheint aber vorbei zu sein - die Anerkennung folgt: wieder sind in der Bremer Kunsthalle Bilder von ihr ausgestellt und diesmal werden sie von dem Direktor der Kunsthalle, Gustav Pauli, am 11. November positiv besprochen:


"Mit ganz besonderer Genugtuung begrüßen wir diesmal einen nur allzu seltenen Gast in der Kunsthalle in Paula Modersohn-Becker... in Paris lebend... und der Einfluß der dortigen unvergleichlichen Klutur, namentlich Cézanne, ist nicht zum Schaden bei ihr sichtbar."
zit. nach "Beuys", S.282

In einem Brief an  ihre Schwester Milly schreibt sie am 18. November, sie wolle versuchen  den Brünjeshof zu kaufen ("Briefe" S. 236) - offensichtlich ist sie wieder mit sich und den Finanzen im Reinen.



1907 - zu Rainer Maria Rilke - zu Vogeler
Im März kehrt Paula  gemeinsam mit ihrem Mann nach Worpswede zurück. Sie wird endlich schwanger, leidet aber nach wenigen Monaten bereits daran, daß sie nicht mehr wie früher viele Stunden am Tag malen kann.  Am 2. November kommt nach einer schwierigen Geburt die Tochter Mathilde („Tille“ Modersohn, gest. 1998) zur Welt. Wie allgemein in der besseren Gesellschaft üblich, verordnet der Arzt strenge Bettruhe und es kommt nach achtzehn Tagen ständigem Liegen am 20. November beim Aufstehen zu einer Lungenembolie, an der Paula wenige Minuten später stirbt. Ihre letzten Worte, wie Otto Modersohn es überliefert, seien "wie schade" gewesen.



Grabdenkmal auf dem Worpsweder Friedhof "Sterbende Mutter", geschaffen von dem westfälischen Bildhauer Bernhard Hoetger

Paula wird dort begraben, wo auch Otto Modersohns erste Frau Helene liegt (später wird dort auch Elsbeth bestattet). Kurz nach ihrem Tod löst Otto Modersohn seine Wohnung in Worpswede auf und zieht ins ca. 15 km entfernte Fischerhude, weil ihn in in der ersten Wohnung alles an Paula erinnert.

Jahre später soll Bernhard Hoetger, 1914 nach Worpswede umgezogen, das Grabmal gestalten. Doch auch nach einem Jahr ist er noch nicht fertig und es gibt einen Brief Modersohns an Hoetger, in dem er wütend nachfragt, wie lange es noch dauern soll - erst 1919 wird dieses Grabmal aufgestellt.

Paula selbst hatte etwas ganz anderes gewünscht:


Tagebucheintrag vom 24. Februar 1902
...
Ich habe manchmal an mein Grab gedacht und wie ich es mir anders denke als das andere. Es muß gar keinen Hügel haben. Es sei ein viereckig längliches Beet mit weißen Nelken umpflanzt. Darum läuft ein kleiner sanfter Kiesweg, der wieder mit Nelken eingefaßt ist und dazu kommt ein Holzgestell, still und anspruchslos, und da, um die Wucht der Rosen zu tragen, die mein Grab umgeben. Und vorne im Gitter, da sei ein kleines Tor gelassen, durch das die Menschen zu mir kommen und hinten sei eine kleine anspruchslose stille Bank, auf der sich die Menschen zu mir hinsetzten. Es liegt auf unserem Worpsweder Kirchhof, an der Hecke, die an die Felder stößt, im alten Stück, nicht im Zipfel. Auf dem Grab stehen vielleicht zu meinen Häupten zwei kleine Wacholder, in der Mitte eine kleine schwarze Holztafel mit meinem Namen ohne Datum und Worte.


So soll es sein. -
Daß da eine Schale stünde, in die man mir frische Blumen setzte, das wollte ich auch wohl.

zit. nach "Briefe", S.169

1908 fertigt Clara Westhoff eine Überarbeitung der 1899 entstandenen Gipsbüste aus Bronze - die einzige Darstellung, die es von Paula Modersohn-Becker gibt. Zwei Abgüsse davon sind zu besichtigen, die unten abgebildete Skulptur steht in der Großen Kunstschau Worpswede, ein weiterer Abguß mit fast schwarzer Bronze steht im Paula Modersohn-Becker-Museum im Roselius-Haus der Bremer Böttchergasse, einem der wichtigen Museen außerhalb Worpswedes, die das Werk Paulas ausstellen.


Mit freundlicher Genehmigung der Großen Kunstschau Worpswede © 2012


unten: Der Eingang des Museums im Roselius-Haus in der Bremer Böttchestraße




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Literatur zum Einlesen
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Toma Babovic Anna Brenken: Auf Paula Modersohn-Beckers Spuren. Ellert & Richter Verlag, Hamburg 1993/2003, ISBN 3-8319-0021-3



Literatur für Fortgeschrittene
Barbara Beuys: Paula Modersohn-Becker Oder: Wenn die Kunst das Leben ist. insel taschenbuch 3419, Frankfurt am Main und Leipzig, 2009, ISBN 978-3-458-35119-1(zit. als "Beuys")

Paula Modersohn-Becker: Briefe und Tagebuchblätter. Reprint der 1917 bei Leuwer in Bremen verlegten 1. Auflage. Hrgg vom Museum am Modersohn-Haus, Worpswede, o.A. (zit. als "Briefe")

Paula Modersohn-Becker: Briefe und Tagebuchblätter. Gustav Kiepenheuer Verlag, Weimar 1968
Paula Modersohn-Becker: Ein Buch der Freundschaft. Verlag atelier im Bauernhaus, Fischerhude 1996, 2. Aufl.
(parallele Quelle zu "Briefe")

Marina Bohlmann-Modersohn: Paula Modersohn-Becker. Eine Biographie in Briefen, btb-Taschenbuchausgabe, München 1997 (zit. als "Bohlmann-Modersohn")

Gunna Wendt: Clara und Paula. Das Leben von Clara Rilke-Westhoff und Paula Modersohn-Becker. Piper 4643, München 2007/2010, 6. Aufl. ISBN 978-3-492-24642-2 (zit. als "Wendt")


Film
So weit und groß.
Die Natur des Otto Modersohn. Ein Film von Carlo Modersohn, hrgg. vom Otto Modersohn Museum, Fischerhude 2011

Fotos
alle Fotos: Martin Schlu, 2012


Links
http://de.wikipedia.org/wiki/Paula_Modersohn-Becker
http://www.radiobremen.de/kultur/portraets/modersohn-becker/paris118.html
http://www.pmbm.de/de/sammlungen/bernhard-hoetger


Zeitzeugen
Informationen von der Familie Upphoff, den heutigen Besitzern des Brünjeshofes und etlichen Worpswedern, die sich noch an Nachkommen erinnern oder selber welche sind.


Bilder im Internet
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Ausstellungen
mit Werken Paula Modersohn-Beckers:

Museum am Modersohn-Haus

Hembergstr. 19,
27726 Worpswede
Tel.: +49 4792 - 4777
www.museum-modersohn.com.


Große Kunstschau Worpswede

Lindenallee 5
27726 Worpswede
Te.:
+49 4792 - 13 02
http://www.grosse-kunstschau.de

Noch (Oktober 2012) läuft eine phantastische Ausstellung, "Worpsweder Lichtbilder", die Schwarz-Weiß- und Farbfotos der Worpsweder Landschaft und der Künstler 1900 zeigt und hochinteressante Einblicke in die Schaffensweise der Maler gibt. Sehenswert!!!


Paula Modersohn
-Becker-Museum
Museum im Roselius-Haus
Böttcherstraße 6–10
28195 Bremen
Telefon: +49 421 33882-22;
http://www.pmbm.de


Von der Heydt-Museum, Wuppertal
Turmhof 8 
42103 Wuppertal
Tel.: +49 202 5630
http://vdh.netgate1.net/