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Literatur
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- Andersens Kindheit 1805 - 1808 - 1812 - 1816
- Ausbildung in Kopenhagen 1819 - 1822 - 1826 - 1828 - 1829
- Erste Erfolge 1831 - 1833 - 1834 - 1835 - 1836 - 1837 - 1838 - 1839 - 1840
- Die großen Reisen 1841 - 1842 - 1843 - 1844 - 1845 - 1847 - 1848 - 1851 - 1853 - 1857
Andersens Alter 1860 - 1869 - 1872 - 1875
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- 1805
- Hans
Christian Andersen wird am 2. April in Odense (Dänemark) geboren.
Die Eltern sind ausgesprochen arm: der Vater Hans Andersen (1782–1816)
repariert Schuhe, die Mutter Anne Marie Andersdatter (ca. 1775–1833)
ist Wäscherin. In seiner Autobiographie „Das Märchen meines Lebens“ (1) beschreibt er die Wohnung, in der ab dem zweiten Lebensjahr gelebt hat:
Ein
einziges Stübchen, fast ganz ausgefüllt von der Schuhmacher-Werkstatt,
dem Bett und der Kiste oder der Schlafbank, in welcher ich schlief, war
meiner Kindheit Heim; die Wände waren mit Bildern behangen, auf der
großen Commode standen hübsche Tassen, Gläser und Nippessachen und in
der Ecke über der Werkstatt am Fenster befand sich ein Brett mit
Büchern und Liedern. In der kleinen Küche hing über dem Speiseschrank
ein Regal voll Tellern, die kleine Räumlichkeit schien mir groß und
reich ausgestattet, selbst die Thür, in deren Füllung eine Landschaft
gemalt war, hatte damals für mich dieselbe Bedeutung wie jetzt eine
ganze Bildergallerie! Märchen meines Lebens (Mml)

oben:
Die Schusterwerkstatt bestand aus dem Tisch am Fenster, links stand ein
Bett für drei Personen, daneben ein Ofen, eine Spüle und ein kleiner
Tisch für Küchenarbeiten. nach oben
- unten:
Die Wohnung bestand aus zwei Zimmern (hintere Fenster), das Gebäude
links konnte teilweise als Lagerraum benutzt werden, ein Plumpsklo lag
dahinter.

- Fotos: Odense, Munkemøllestræde, Juni 2025)
- Viel Geld ist nicht da und darum reicht es auch nicht
für eine gute Schulbildung. Mangels Geld für Spielzeug baut der Vater selbst etwas, später bastelt sich der
junge Andersen eine eigene Puppenbühne und erlernt die Technik
des Scherenschnittes. Er liest gerne, wenn er Bücher bekommen kann und
entwickelt als Kind bereits ein starkes Interesse fürs Theater. Für mehr als eine Armenschule reicht es nicht
- Mein
Vater, Hans Andersen, ließ mir in Allem meinen Willen; denn ich besaß
seine ganze Liebe; für mich lebte er, und deshalb verwendete er seine
ganze freie Zeit, den Sonntag, dazu, mir Spielzeug und Bilder zu
machen; Abends las er uns oft aus Lafontaine's »Fabeln«, aus Holberg's
»Komödien« und aus » Tausend und Eine Nacht« vor; nur dann, wenn er so
las, entsinne ich mich, ihn lächeln gesehen zu haben; denn in seinem
Lebensziel und als Handwerker fühlte er sich durchaus nicht
glücklich. (MmL)
(1) Das Märchen meines Lebens. Band I , hrgg
von E. Bichteler & Co., Berlin, Hofbuchhandlung 1879, Neu übersetzt
mit Biographie, Einleitungen und Anmerkungen versehen von Emil J.
Jonas. zit nach dem Gutenberg-Projekt und der Ausgabe des Insel-Verlag, Frankfurt 2004, zit. als Märchen meines Lebens. (Mml)
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1808
- Durch die
napoleonischen Kriege kommen Spanier und Franzosen nach Dänemark und
als das königliche Schloß in Kolding niedergebrannt wird, zieht König
Bernadotte nach Fünen. Die Schulen in Odense werden geschlossen und als der dreijährige Hans Christian von einem (katholischen)
Soldaten auf den Arm genommen wird, wehrt sich seine Mutter vehement
dagegen. Die Großmutter kommt täglich ins Haus, denn sie flüchtet vor ihrem
- vermutlich dementen - Mann, über den Andersen später schreibt:
- Vor
dem gemüthskranken Großvater hatte ich nicht wenig Angst; er schnitzte
in Holz gar seltsame Bilder, Menschen mit Thierköpfen, Thiere mit
Flügeln und wunderliche Vögel; diese that er in einen Korb und begab
sich mit demselben auf's Land, wo die Bauersfrauen überall ihn
tractirten, ja, ihm Schinken und Mehl mit heim gaben, weil er ihnen und
ihren Kindern das curiose Spielzeug geschenkt hatte. (Mml)
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1812
- Schweden und Rußland planen als Verbündete eine Invasion auf Seeland um die Dänen zu zwingen, Norwegen an Schweden abzutreten und die Dänen werden dabei von Frankreich unterstützt. Vater Andersen schwärmt für Napoleon, läßt sich zum
Militärdienst überreden, damit endlich Geld in die Familienkasse kommt
und ist den Rest des Krieges weg. Die
Mutter muß Hans
Christian darum alleine erziehen und finanziell reicht es nur für die Klippschule, wie die private Ersatzschule damals heißt.
- Eine alte »Lehrmutter«, die eine Klippschule hielt, lehrte mich die Buchstaben kennen, buchstabiren und ordentlich lesen....
- ...
Die Kriegsbegebenheiten in Deutschland, die <der Vater> in den
Zeitungen eifrig verfolgte, begeisterten ihn. Napoleon war sein Held,
dessen Emporsteigen ihm als das schönste Beispiel zur Nachahmung
erschien. Dänemark alliirte sich damals mit Frankreich, es war nur von
Krieg die Rede, und mein Vater wurde Soldat... (Mml)
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- 1816
- Der
Vater kommt traumatisiert und krank nach dem Krieg wieder und stirbt
kurz darauf. Hans Christian ist mit seinen elf Jahre zuviel alleine,
findet
aber Anschluß bei einer Pfarrerswitwe, die sich um ihn kommert, ihn mit
Literatur bekannt macht und die schlimmsten Bildungslücken auffüllt.
- Auf
dem St. Knud's Kirchhof, der linken Seitenthür, vom Altar aus,
gegenüber, wurde er begraben, Großmutter pflanzte Rosen auf das Grab;
in späteren Jahren sind andere Leichen an derselben Stelle gebettet
worden, jetzt wächst das Gras auch über diese hoch empor...
- ....meine
Mutter wusch für fremde Leute außer dem Hause; ich saß allein daheim
mit dem kleinen Theater, welches mir mein Vater gemacht hatte; ich
nähte Puppenkleider und las Komödienbücher...
- ...In
unserer Nachbarschaft wohnten eine Pfarrerswittwe, Frau Bunkeflod und
die Schwester ihres verstorbenen Mannes; sie ließen mich öfter in ihre
Wohnung kommen und gewannen mich lieb; dies war die erste gebildete
Familie, in welcher ich wie zu Hause war. (Mml)

Sankt Knud ist die Domkirche in Odensee, etwa 300 Meter vom Wohnhaus der Andersens entfernt.
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- 1819
- Die finanzielle
Situation der Familie ist chaotisch und Andersen arbeitet
zeitweise für einen Schneider und einen Weber gleichzeitig, damit seine
Mutter und er über die Runden kommen. Später heiratet die Mutter zum
zweiten Mal, die Familie zieht vor das Stadttor an die Mönchsmühle an
der Odense Å, einem kleinen Bach. Ihnen geht es finanziell zwar besser,
aber viele soziale Kontakte brechen ab. Trotzdem geht Hans Christian in
St. Knuds zur Kinfirmation, auch, weil er so Anschluß an die besseren
Familien findet, weil nur die besser gestellten Familien ihre Kinder
dorthin schicken.
- Noch später
arbeitet er in einer Zigarettenfabrik. Die Mutter organisiert eine
Schneiderlehre für ihn, doch Hans Christian will in die Hauptstadt
Kopenhagen - dreizen taler hat er sich irgendwie zusammengespart. Im
September unternimmt eine die erste Reise nacht Kopenhagen um „berühmt“
zu werden, wie er später sagt. Sein
Berufswunsch ist damals Schauspieler. Ein befreundetet Handwerker kennt
eine Tänzerin des Königlichen Balletts und verfaßt ein
Empfehlungsschreiben über Andersen für sie. Die Abreise geht über
Kutsche und Schiff - zwischen Fünen, Seeland und Kopenhagen gibt es
noch keine Brücke..
- "Montag
morgen, den 5. September 1819 , erblickte ich zum erstenmal von der
Anhöhe bei Friedrichsberg Kopenhagen. Dort stieg ich ab und mit meinem
kleinen Bündel ging ich durch den Schloßgarten, die lange Allee und die
Vorstadt zur Stadt hinein....Mit kaum 10 Talern in der Tasche kehrte
ich in einem der kleinen Gasthäuser ein. Meine erste Wanderung war nach
dem Theater; ich ging mehrere Male um dasselbe herum, blickte die
Mauern hinauf und betrachtete es fast als eine Heimat" (MmL, 33f, 223)
<In Wirklichkeit war es der 6. September, doch Andersen paßt ab und zu seine Biographie etwas an. Immerhin hat er jahrelang den 5. September als seinen zweiten Geburtstag gefeiert>
- Andersen schnorrt sich die ersten Tage
irgendwie durch mehrere Bekanntschaften und könnte eine Tischlerlehre
anfangen, schlägt sie aber aus. Mit etwas Glück bekommt er den Kontakt
zum Theaterchef der Oper, Giuseppe Siboni,
der ihn fördert, ausbildet und ihm im Opernchor eine bezahte Stelle
gibt - als Sopran. Etwa neun Monate ist er bei ihm im Unterricht, und
weil Siboni viel von ihm hält, ist das irgendwie zu finanzieren. In der
freien Zeit schreibt Andersen ein Bühnenstück nach dem anderen, nervt
die Schauspieler mit - für sie - dämlichen Fragen und saugt das Wissen
auf wie ein Schwamm das Wasser. Er arbeitet eigentlich rund um die Uhr.
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- 1822
- Als
Andersen mit siebzehn Jahren als Chorsänger nicht mehr zu
gebrauchen ist, weil er endlich in den Stimmbruch gekommen ist fällt
eine Lebensentscheidung, denn er fällt mit zwei Bühnenstücken sehr positiv auf. Eines dieser Stücke heißt "Gjenfærdet ved Palnatokes Grav", also etwa "Die Erscheinung an Palnatokes Grab",
eine Geschichte aus der dänischen mittelalterliche Sagenzeit, ein
furchtbares Zeug, das pubertierende Jungen auch damals verschlungen
haben wie meine Generation die grünen Karl-May-Bände...
- Diese Bühnenstücke werden im Juni jedenfalls veröffentlicht, sind der erste schriftstellerische Erfolg für Andersen und für seinen väterlichn Freund, Geheim-Conferenzrath Jonas Collin, ist es der Anlaß zur Schulleitung nach
Slagelsen zu gehen und sie zu überzeugen, diesen Jungen am Gymnasium aufzunehmen. Danach geht Collins noch zu König Friedrich VI. und überzeugt ihn, dafür auch zu bezahlen.
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- 1826
- Nach
dem Abschluß der ersten Lateinschule finanziert der König noch einmal
drei Jahre die weitere Ausbildung in Helsingør und Andersen kann die
Universität besuchen. Parallel arbeitet Andersen an der Vervollkomnung
seiner Scherenschntt - eine Begabung, die er schon als Kind hatte und
die er zeitlebens pflegte.
(Näheres lese man bei "http://www.scherenschnitt.org/v_kuenstler/andersen.html")
- Am
Ende der Schulzeit entsteht das Gedicht „Das sterbende Kind“, in der
Andersen sich in die Perspektve des Kindes hineinversetzt - etwas Neues
in der Literatur und fortan eins seiner Stilmittel:
-
Det døende Barn
Moder, jeg er træt, nu vil jeg sove,
Lad mig ved dit Hjerte slumre ind;
Græd dog ei, det maa Du først mig love,
Thi din Taare brænder paa min Kind.
Her er koldt og ude Stormen truer,
Men i Drømme, der er Alt saa smukt,
Og de søde Englebørn jeg skuer,
Naar jeg har det trætte Øie lukt.
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Das sterbende Kind
Mutter, ich bin müde, nun will ich schlafen
laß mich in deinen treuen Armen schlummern,
Doch versprich mir erst nicht mehr zu weinen;
denn deine Tränen brennen auf meiner Wange.
Hier ist es kalt und draußen wehen Stürme
Aber im Traum ist alles so schön
ich habe dort Engelkinder gesehen, aber nur, wenn mein Auge geschlossen war.
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Moder, seer Du Englen ved min Side?
Hører Du den deilige Musik?
See, han har to Vinger smukke hvide,
Dem han sikkert af vor Herre fik;
Grønt og Guult og Rødt for Øiet svæver,
Det er Blomster Engelen udstrøer!
Faaer jeg ogsaa Vinger mens jeg lever,
Eller, Moder, faaer jeg naar jeg døer?
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Mutter, siehst du schon die Engel an meiner Seite?
Hörst du die herrliche Musik?
Guck, die haben so schöne weiße Flügel,
die haben sie von unserm Herrgott. Vor meinen Augens schweben grüne, goldene und rote Blumen,
die die Engel streuen
Sag, Mama, bekomme ich im Leben auch Flügel,
oder erst , wenn ich tot bin?
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Hvorfor trykker saa Du mine Hænder?
Hvorfor lægger Du din Kind til min?
Den er vaad, og dog som Ild den brænder,
Moder, jeg vil altid være din!
Men saa maa Du ikke længer sukke,
Græder Du, saa græder jeg med Dig.
O, jeg er saa træt! - maa Øiet lukke - - Moder - see! nu kysser Englen mig! |
Warum drückst Du meine Hand so fest?
Warum legst du meine Wange an deine?
Sie ist naß, und brennt doch so wie die Flammen,
Mama, bei dir bleibe ich doch mein Leben lang. Aber jetzt sollst du nicht mehr länger weinen,
denn ich muß auch weinen, wenn Du traurig bist.
O wie bin ich müde! - mir fallen jetzt die Augen zu
Mutter, sieh - jetzt küssen mich die Engel.
- Übersetzung: Martin Schlu © 2010
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- 1828
Die satirische Erzählung "Fodreise fra Holmens Kanal
Til Østpynten af Amager", etwa "Spaziergang vom Holmen-Kanal bis zum
östlichen Punkt von Amager" wird sehr positiv aufgenommen und Andersen
steht auf einmal in einer Reihe mit Ernst Theodor Amadeus Hoffmann oder
den Gebrüdern Grimm.
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- 1829
- Nach
dem Univeritätsabschluß kann Andersen seinen Lebenstraum ein weiteres
Stück verwirklichen und arbeitet als freier Schriftsteller.
- Im
gleichen Jahr erscheinen die ersten beiden Hefte der "Märchen für
Kinder". Darin enthalten ist das Märchen , "Den lille Idas Blomster"
(Die Blumen der kleinen Ida). Man kann bereits erkenne, daß Andersen
sehr viele eigene Biographie in seine Erzählungen packt:
- Meine
armen Blumen sind ganz tot, sagte die kleine Ida. Die waren gestern so
schön, und nun hängen alle Blätter welk herab, weshalb tun sie das?
fragte sie den Studenten, der auf dem Sofa saß, denn sie hatte ihn sehr
gern: er konnte die allerschönsten Geschichten erzählen und schnitt so
drollige Bilder aus: Herzen mit kleinen Frauen darin, die tanzten;
Blumen und große Schlösser, an denen Türen geöffnet werden konnten; es
war ein lustiger Student.
- Nur
mit den Frauen klappt es nicht. Die Verlobung mit Riborg Voigt, der
Schwester eines Studienfreundes, kommt zwar zustande, wird aber nach
kurzer Zeit gelöst und Riborgs Abschiedsbrief trägt Andersen sein Leben
lang bei sich. Manche wollen belegen, daß er schwul gewesen sei - es
ändert nichts an seinen erzählerischen Qualitäten, würde allerdings
einige Verhaltensweisen erklären.
- Sobald Andersen
Geld hat, investiert er es in Reisen: im Laufe seines Lebens werden es
knapp dreißig Auslandsreisen nach Deutschland, Frankreich und Italien,
allerdings auch nach Asien und Afrika und er findet Freunde überall.
Hilfreich dabei ist sein Sprachtalent, denn Andersen spricht Englisch,
Niederländsch und Deutsch bald genauso gut wie seine Muttersprache und
als Däne versteht man Schwedisch und Norwegisch sowieso. Besonders oft
ist Andersen in Dresden bzw. in einem Vorort (Maxen), wo er Freunde,
die Mäzenen Friederike und Friedrich Anton Serre oft besucht und
darüber knittelverst:
Des Herzens Sonnenschein in Sachsen,
er strahlt am schönsten doch in Maxen“.
- <die Märchen sind doch besser....MS>
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- 1831
Andersen
lernt den Dichter und Naturforscher Adelbert von Chamisso kennen, der
einige seiner Gedichte auf Deutsch nachdichtet.
<Von Übersetzungen kann man da sowieso nicht sprechen - höchstens von Übertragungen.>
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- 1833
Durch
eine Zuwendung des staatlichen Fonds "Fond ad usos publicos" kann
Andersen eine größere Bildungsreise unternehmen. Sie führt ihn
anderthalb Jahre nach Italien und Deutschland, insbesondere an die
Adriaküste, und macht es ihm möglich neue Idee und Stoffe zu sammeln.
-
"Am
5. September ging ich über den Simplon nach Italien. Gerade an dem
Tage, an dem ich vor 14 Jahren arm und hilflos nach Kopenhagen gekommen
war, sollte ich dieses Land meiner Sehnsucht und meines Dichterglücks
betreten... Alles war Sonnenschein, alles war Frühling. Die Trauben
hingen in langen Gewinden von Baum zu Baum - nie habe ich Italien
später so schön gesehen..."
(<Hier war es der 19. September und Andersen hat wieder etwas geschoben. Quelle: "Märchen meines Lebens", 85f, 223)

Foto: Martin Schlu 2009
- Im
Oktober kommt Andersen in Rom an und bleibt dort ein paar Wochen. Dort
erreicht ihn die Nachricht vom Tod seiner Mutter. Einer derjenigen, die
ihn trösten können ist der Bildhauer Thorwaldsen, den Andersen zwar
schon früher kenengelernt hat, mit dem er sich aber nun eng befreundet.
Weitere Ziele in Italien sind Neapel, Capri (die "Blaue Grotte" ist
gerade entdeckt worden und ein absolutes Muß für die
Italien-Touristen), wieder ein paar Wochen in Rom, von dort aus reist
er nach Florenz....
-
bleibt
etwas in Venedig.... ...
...
fährt von da nach Wien, wo er ebenfalls etwas bleibt...
fährt von dort aus nach München und erst 1834 ist Andersen wieder in Dänemark.
(Fotos: Venedig Canal Grande und Wien, Hofburg © Martin Schlu 2008)
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- 1834
Andersens
finanzielle Situation ist ab der zweiten Hälfte des Jahres nicht mehr
so gut. Er hat zwar im roten Haus Nr. 20 eine relativ billige Wohnung am "Nyhavn", die nicht mehr als acht Taler (2) pro Woche
kostet und ausgiebig Zeit das Leben der Huren, Seeleute und Händler auf
der anderen Kanalseite zu betrachten, die auf der Seite mit den
ungeraden Hausnummern ihrem Gewerbe nachgehen, doch der Rest des
Stipendiums ist bald aufgebraucht. Zweimal
zieht Andersen innerhalb des Nyhavn noch um, erst für zwei Jahre in die
Nr. 18 daneben, dann, für zwanzig Jahre in die Nr. 67. (3)

- Nyhaven mit Andersen Wohnung (rotes Haus Nr. 20). Mäz, 2010
- (2) Zum
Vergleich: eine Hose kostet etwa 15 Reichstaler, eine neue Jacke etwa
40 Taler, eine Schiffsreise von Kopenhagen nach Fünen etwa 50
Taler. (Jens Andersens Biographie, S. 287 ff)
- (3) Der Nyhavn („neuer Hafen“), wurde von König Friedrich III. und Christian V. ab 1661 als Stichkanal in die Innenstadt gebaut, um den Hafen zu erweiteren.
- Ende
November hat Andersen allein bei der Familie Collin 100 Taler Schulden
und bittet um weitere einhundert um sich die nötigsten Dinge kaufen zu
können. Er hat zwar jede Menge Material gesammelt, muß es aber nun in
erfolgreiche Literatur umwandeln und beginnt darum mit der
Niederschrift der ersten Märchen - aus einem dieser Stoffe wird
später "Die kleine Meerjungfrau". Nun arbeitet Andersen über mehrere
Jahre (bis 1842) an dieser ersten Märchensammlung.
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- 1835
- Es
entstehen „Lille Claus og store Claus“ (Der kleine und der große Klaus)
, „Prindsessen paa Ærten“ (Die Prinzessin auf der Erbse),
„Tommelise“ (Däumelinchen) und „Den uartige Dreng“ (Der
unartige Knabe). Für eine erste Veröffentlichung einiger Märchen im Mai
erhält Andersen 30 Taler, für einen Nachdruck im Dezember noch einmal
soviel. Außerdem erscheint die Novelle und Reiseerzählung "Der
Improvisator“ und wird ein Erfolg - merkwürdigerweise erst in
Deutschland und dann, viel später, später in Dänemark. Die
Auflage wird mehrmals nachgedruckt, ist schnell vergriffen und endlich
kommt ein bißchen mehr Geld in die Kasse.
-
"Nur
von einer Seite ist die Insel Capri zugänglich; ringsum steile
senkrechte Felsenmauern, nach Neapel zu senken sie sich
amphitheatralisch mit Weingärten, Orangen- und Olivenhainen. Unten am
Strande liegen einige Fischerhütten und ein Wachthaus. Höher hinauf
blickte zwischen den grünen Gärten das Städtchen Anna Capri hervor;
eine ganz kleine Zugbrücke und ein Tor führen hinein. In Pagani's
[recte: Paganos] Wirtshause, vor dessen Türe eine hohe Palme steht,
hielten wir Rast.
Auf Eseln gedachten wir
nach der Mittagsmahlzeit zu den Ruinen der Villa des Tiberius hinauf zu
reiten; jetzt jedoch erwartete uns das Frühstück, und zwischen diesem
und dem folgenden Mittagsessen wollten sich Francesca und Fabiani
ausruhen, um Kräfte für den bevorstehenden Ausflug zu sammeln. Gennaro
und ich fühlten kein Bedürfnis dazu. Die Insel kam mir nicht größer
vor, als dass wir sie nicht ganz gut in ein paar Stunden umrudern und
uns die hohen Felsentore ansehen könnten, die sich gegen Süden isoliert
aus dem Wasser hervorheben.
Wir nahmen ein Boot und
zwei Ruderer; ein leichter Wind hatte sich erhoben, so dass wir
ungefähr während des halben Weges die Segel gebrauchen konnten. Die See
brach sich an den niedrigen Schären. Zwischen denselben lagen
Fischnetze ausgespannt, so dass wir, um diese nicht zu verletzen,
zunächst ein Stück weiter hinaus in das Meer stechen mussten. Es war
eine köstliche lustige Fahrt in dem kleinen Boote. Bald sahen wir vom
Meere nach dem Himmel zu nur die senkrechten Felsen, die grauen
Steinmassen, hier und da in den Spalten eine Aloe oder eine wilde
Levkoje, aber nicht einmal so viel festen Boden, dass er auch nur für
einen Steinbock genügt hätte. Unten in der Brandung, die wie ein
bläuliches Feuer in die Höhe schlug, wuchsen an den Felsen die
blutroten Seeäpfel, die, feucht vom Wasser, einen doppelten Glanz
hatten. Es schien, als blutete der Felsen bei jedem Wellenschlage."
zit. nach: http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=capri_3
- Vermutlich hat Andersen mit den
italienischen Reisebeschreibungen einfach den Nerv der Zeit getroffen -
seit der Goethezeit ist Italien ein Sehnssuchtsziel.
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- 1836
Mitte des Jahres ist Andersen schuldenfrei und kann nun monatlich etwas Geld zurücklegen.
- Die Erzählung „Den lille havfrue“ (Die kleine Meerjungfrau) wird fertiggestellt und nimmt Bezug auf den Kopenhagener Hafen.
<Die
Meerjungfrau, Kopenhagens Wahrzeichen, wollte ich eigentlich am Hafen
fotografieren , doch sie wurde Mitte März 2010 als Highlight des
dänischen Pavillons zur Expo nach Schanghai verfrachtet. An der leeren
Stelle - blöderweise hatte die Stadtverwaltung noch nicht mal eine
Erklärungstafel aufgestellt - traf ich dann eine Chinesin aus
Schanghai, die auf der Suche nach ihr war.....MS >
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- 1837
Die
„Eventyr, fortalte for Børn“ (Abenteuer.. für Kinder), erscheinen,
darunter „Kejserens nye klæder“ (Des Kaisers neue Kleider) und
andere berühmte Märchen. Andersen reist nach Schweden und Norwegen und
verarbeitet seine Eindrücke in Gedichten über Skandinavien. Weitere
Märchen werden in späteren Ausgaben aufgenommen, bis 1842 der erste
Teil abgeschlossen wird.
- Die
Märchen „Den standhaftige tinsoldat“ (Der standhafte Zinnsoldat) und
„De vilde svaner“ (Die wilden Schwäne) werden geschrieben. König
Frederik VI. setzt Andersen eine jährliche Zuwendung von 400
Reichstalern aus, so daß die Miete und die Lebenshaltungskosten schon
mal abgedeckt sind. Nun hat Andersen keine Geldsorgen mehr und
kann ganz entspannt schreiben.
- "Es
war als ob von diesem Tage an die Frühlingssonne in meinem Leben
beständiger scheinen sollte; ich empfand ene größerer Sicherheit, denn
schaute ich zurück über die Jahre
meines Lebens, so sah ich klarer, daß eine liebevolle Vorsehung über
mir wachte, daß alles, wie durch höhere Gewalt für mch zum besten
gelenkt wurde..." (zit nach Nielsen, 1995, S. 86)
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1838
- Die Märchen „Die Galoschend des Glücks“ und „Den standhaftige tinsoldat“ (Der standhafte Zinnsoldat) werden veröffentlicht.
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- 1839
In
diesem Jahr werden "Andersens Märchen" ins Deutsche übersetzt und
bleiben bis heute ein unglaublicher Erfolg. Diese Kunstmärchen sind
ausgefeilte Erzählungen von teilweise ganz eigenen Stoffen, die
Andersen so formuliert, wie er als Kind gerne Märchen gehört hätte.
Vieles in diesen Stoffen ist autobiographisch, auf die Herkunft in
Odensee bezogen oder auf das Leben in Kopenhagen und viele Szenen ,
z.b. aus dem „Fyrtøjet“ (Feuerzeug) aus diesem Jahr, kann man sich auch heute noch in Kopenhagen vorstellen.
- Andersen
fährt im Juli nach Fünen und verarbeitet seinen Eindruck im Gedicht
„Jeg er en Skandinav“ (Ich bin ein Skandinavier), das der Komponist
Otto Lindblad 1840 vertont und das ein paar Jahre recht populär ist. Ab
diesem Jahr erhält er weiterhin ein etwas höheres Gehalt - auch der
neue dänische König Christian VIII. weiß, was er an Andersen hat.
Dieser benutzt die höhere Zuwendung wieder für eine große Reise und
plant schon mal.
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- 1840
Am 31. Oktober verläßt Andersen Kopenhagen um
seine große Reise anzutreten. Seine erste Station ist Hamburg, wo er im
Hotel "Stadt London" ein Konzert Franz Liszt'
besucht und ihm fällt zweierlei auf: erstens die unglaubliche Aura, die
von Liszts Spiel ausgeht und die entsprechende Wirkung auf dessen
weiblichen Fans:
- ...
Es klang mir wie die Orgeltöne von Deutschlands alten Domen, die
Gletscher flossen von den Alpen, Italien tanzte im Karnevalskostüm und
schlug mit seiner Peitsche, und sein Herz dachte dabei an Cäsar, Horaz
und Raffael. Vesuv und Ätna flammten, die letzte Posaune erschallte von
Griechenlands Bergen, auf denen die alten Götter gestorben; Töne, die
ich nicht kannte, für die ich keine Worte habe, bedeuteten den Orient,
das Land der Phantasie, des Dichters zweites Vaterland.
Als Liszt sein Spiel beendet hatte, regnete es Blumen auf ihn nieder,
reizende junge Mädchen, alte Damen, die auch einmal reizende Mädchen
gewesen waren, warfen ihre Sträuße - er hatte ihnen ja tausend Sträuße
aus Tönen in Herz und Kopf geworfen. Von Hamburg aus wollte Liszt nach
London eilen... wie muß er glücklich sein, der so sein ganzes Leben
reisen kann.
(Quelle: Andersen: Eines Dichters Basar, S. 19)

Hamburger Hafen (Landungsbrücken) am Abend, Juli 2008
- Andersen wird später Liszt näher kennenlernen und auch nach London kommen.
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- 1841
Im
Mai ist Andersen in Istanbul, das damals noch "Konstantinopel" heißt
und sammelt wieder Eindrücke und Ideen für Erzählungen. Eine dieser
Erzählungen ist „Der fliegende Koffer“. Einen Teil der Heimreise reist er u.a. über die Donau.
- Das Märchen „Svinedrengen“ (Der Schweinehirte) erscheint.
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- 1842
Die Istanbulreise von 1841 findet ihren
Niederschlag in der Veröffentlichung von "Eines Dichters Basar", das
die Reiseerlebnisse der letzten Jahre verarbeitet und in Kapiteln
zusammenfaßt („Deutschland“, „Italien“, „Griechenland“, „Der Orient“,
„Die Donaufahrt“ und „Heimreise“).
- Andersen ist wieder auf Fünen, hält sich auf dem Herrensitz Glorup auf und besucht von dort aus das Schloß Egeskov. Er schreibt in seinem Tagebuch darüber und beschreibt die Geschichte und die Ausstattung des Gebäudes. - zum Schloß Egeskov

Schloß Egeskov bei Kværndrup/Fünen
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- 1843
Das erste Heft der „Neuen Märchen“ erscheint am 11. November und enthält die Märchen „Die Engel“, „Nattergalen“ (Die Nachtigall) , „Die Brautleute“ und die „Geschichte vom häßlichen Entlein"
. „Nattergalen“ ist dabei eine Anspielung auf die „schwedische
Nachtigall“ Jenny Lind, in die sich Andersen schon seit längerem
verliebt hat. Jenny Lind andererseits sieht in ihm eher einen großen
Bruder, bei dem man sich auch ausweinen kann.
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- 1844
Jenny Lind beendet in
einem Brief die Beziehung zu Andersen und nennt ihn einen "Bruder im
Geiste" - nicht eben das, was Andersen von ihr erhofft hatte.
- „Sneedronningen“ (Die Schneekönigin) und „Die Glocke“ erscheinen. -
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-
- 1845
„De røde Sko“ (Die roten Schuhe) erscheint.
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- 1847
In Leipzig erscheint die deutsche Übersetzung
„Gesammelte Werke“, eine Sammlung mehrerer veröffentlichter Märchen,
die ein sehr großer Erfolg in Deutschland wird. Nun müssen die Kritiker
Andersen endlich ernst nehmen und die Durststrecke ist vorbei. Der
Kritiker Georg Brandes fragt Andersen später, ob er denn seine
Lebensgeschichte aufschreiben würde und dieser erwidert sinngemäß, das
sei längst geschehen und nennt den Titel „Geschichte vom häßlichen Entlein" ("The Ugly Ducking") - ein Hinweis darauf, wie er sich von der dänischen Kritik behandelt gefühlt haben muß.
- Andersen
leistet sich im Juni die Überfahrt nach England und wird in den
englischen Gesellschaften herumgereicht, wie er es sich nicht hat
träumen lassen. Die Countess of Blessington lädt ihn auf ihre
Gesellschaften ein, dort lernt er die englischen Intellktuellen und
Schöngeister kennen und die reichen ihn wieder weiter. So trifft er in
London auch mit Charles Dickens zusammen und ist von ihm tief
beeindruckt.
- In diesem Jahr schreibt er „Historien om en Moder“ (Die Geschichte einer Mutter). Der Fünener Maler Fritz Syberg illustriert das Buch 1869.

Die Mutter und der Tod. Ausgabe von 1869
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- 1848
Die
Erzählung „Die beiden Baroninnen“ erscheint - eine literarischen
Verarbeitung der englischen Erlebnisse des Vorjahres. Außerdem wird das
Märchen „Den lille Pige med Svovlstikkerne“ (Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern) geschrieben.
- Andersen besucht wieder Schloß Egeskov und schreibt in seinem Tagebuch noch einmal darüber.
- zum Schloß Egeskov
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- 1851
Die Übersetzung einiger Reiseerzählungen erscheinen auf Schwedisch.
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- 1853
- Die erste Gesamtausgabe „Samlede Skrifter“ (Gesammelte Schriften) erscheint in Kopenhagen.
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- 1857
Charles Dickens wird von Andersen regelrecht heimgesicht, denn er bleibt über fünf Wochen, so daß Dickens' Tochter stöhnt:
- "He was a bony bore, and stayed on and on."
(...hat wahnsinnig gestört und ging einfach nicht..).
- Immerhin
gibt es auch hier ein literarisches Ergebnis, denn Dickens
veröffentlicht kurz darauf seinen „David Copperfield“ und die Figur des
„Uriah Heep“ <nein, nicht die Rockband, die hat sich nur danach
benannt> ist maßgeblich von Andersen mit entwickelt worden. Als er
wieder nach Kopenhagen reist, atmet die Famile auf, Charles Dickens
beantwortet keinen Brief an Andersen mehr und der versteht überhaupt
nicht, warum.
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- 1860
- Andersen
entwirft für die Pfarrerstochter Amelie Madelung eine kleine
Papierpuppe (Auguste Snorifass) und viele, viele Anziehsachen aus
Papier. Ein Teil davon ist heute auf Schloß Egeskov zu sehen.
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- 1869
Aus diesem Jahr existieren zwei Fotos von Andersen:
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Andersen auf einer Photographie aus dem Jahre 1869
auf dem Landsitz "Rolighed" (= "Ruhe") |
Andersen auf einer Photographie aus dem Jahre 1869
von Tore Hallager
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- 1872
Im Frühling fällt Andersen aus
dem Bett und verletzt sich dabei erheblich. Die Verletzungen verheilen
nie mehr richtig und den Rest seines Lebens hat er körperliche
Beschwerden und ist nur eingeschränkt bewegungsfähig. Die Schmerzen
wird er bis zu seinem Tod nicht mehr los.
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- 1875
- Andersen
stirbt am 4. August auf dem Landsitz „Rolighed“ bei Kopenhagen als
berühmter Mann. Kurz vor seinem Tod läßt er einen Komponisten kommen
und beauftragt ihn mit einer Trauermusik, die so ausgelegt sein soll,
daß auch Kinder mit kleinen Schritten dem Sarg folgen können. Er
erwartet zu seiner Beerdigung viele Kinder - offenbar sieht er sich als
Kindergeschichtenschreiber, was er definitiv nicht ist.
- Bei
seiner Beisetzung auf dem Assistens Kirkegård (Friedhof) im
Stadtteil Nørrebro sind Könige und Prominente unter den Trauernden und
wenige Wochen nach der Beisetzung wird Andersen zum dänischen
Nationaldenkmal erklärt. Sein Denkmal in Kopenhagen wird später
zwischen Rathaus und Tivoli aufgestellt, am
„Hans-Christian-Andersen-Boulevard“.
 - Andersen-Denmal von Henry Luckow-Nielsen (1961), ein weiteres wichtiges Denmal steht in New York
Foto: 2010
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- Was
bleibt sind die etwa 165 Märchen, etwa 1000 Gedichte, ungezählte
Adaptionen seiner Stoffe als Ballett, Vertonung oder Verfilmungen und
die Tatsache, daß seine Märchen heute jedes Kind kennt. Auch aus diesem Grund sind weltweit Hunderte Schulen nach ihm benannt.
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