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Kulturgeschichte - 19. Jahrhundert


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Die Judenbuche

Inhaltsangabe - Hintergrund

1 Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen 

2 Das Dorf B. galt für die hochmütigste, schlauste und kühnste Gemeinde

3 Das zweite Jahr dieser unglücklichen Ehe ward mit einem Sohne...

4 Er war zwölf Jahre alt, als seine Mutter einen Besuch von ihrem....

5 Margreth stand ganz still und ließ die Kinder gewähren.

6 Um diese Zeit wurden die schlummernden Gesetze

7 Um Mittag saß Frau Margreth am Herd und kochte Tee.

8 Die gerichtliche Untersuchung hatte ihren Anfang genommen,

9 Am nächsten Sonntage stand Friedrich sehr früh auf,

10 Es war sieben Uhr abends und alles in vollem Gange;

11 Herr von S. war auf dem Heimwege verstimmt,

12 Die Juden der Umgegend hatten großen Anteil gezeigt.

13 In der Küche befanden sich außer dem Manne eine Frau

14 Herr von S. hatte das innigste Mitleiden mit dem armen Schelm

Die Judenbuche (1828 - 1840)
Hintergrund
Stand: Juni 2007, erstellt von Martin Schlu

Inhaltsangabe des Droste'schen Textes - Seitenanfang
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Einführung 
Die Novelle von Annette von Droste-Hülshoff beruht auf einer wahren Begebenheit, die sich kriminologisch nachweisen läßt und zwar in vielen Details: Man kennt bis auf einige Meter genau auf den Tatort, es existieren Verhörprotokolle, es gibt zahlreiche Augenzeugenberichte und letztendlich ist der Hintergrund so interessant, daß bis heute zahlreiche Forscher über die "Judenbuche" gearbeitet haben. Im Wesentlichen fasse ich die Inhalte der "Mordsache Soistmann Berend" zusammen, dem aktuellen Stand der Forschung, der von dem Lokalhistoriker Horst-D. Krus (Höxter 1990/97) vorgelegt wurde (ISBN 3-9805700-0-2).
 
Ein "Droste" ist ein Amt (daher die Bezeichnung "Droste zu Hülshoff"), dem eine niedere Gerichtsbarkeit zugrunde liegt. Ein Vorfahre Annettes war als "Droste" in diese Mordsache involviert und ihr Onkel August von Haxthausen hatte 1818 in der Göttinger Zeitschrift "Wünschelruthe" unter dem Titel "Geschichte eines Algerier-Sklaven" über diesen Fall berichtet, wobei er ausdrücklich betonte, es handele sich um einen Tatsachenbericht. Annette wird dies nicht verborgen geblieben sein, auch wenn sie nach 1819 nicht mehr nach Bökerndorf gekommen ist.
(
zum historischen Quelltext)
 
 
Lektürehilfen
Brauchbar zum Parallellesen und zur Vorbereitung auf etwaige Klassenarbeiten ist die Klett-Hilfe "Lektüre easy" von Manfred Eisenbeis (ISBN 3-12-928104-5), die sich ebenfalls auf den Reclam-Text bezieht, auch wenn man nicht alles braucht, was drin steht - aber das ist bei mir ja auch so.
 
 
 Hintergründe
1.Text 2.Text 3.Text 4.Text 5.Text 6.Text 7.Text 8.Text 9.Text 10.Text - zum Inhalt - Seitenanfang
In diesem Bericht, den es in zwei (leicht) unterschiedlichen Varianten gibt, werden die Personen benannt: Friedrich Mergel aus Annettes Novelle wird als Hermann Georg (oder Johannes) Winckelhan identifiziert (getauft am 22. 8. 1764), der 1782 vom jüdischen Händler Soistmann-Berens (genannt "Pinnes") Stoff für ein Hemd ("Camisol") bekommen, aber nicht bezahlt hat. Am 10. Februar 1783 kommt es zu einem von Pinnes gegen ihn angestrengten Prozeß unter Leitung des Drosten zu Haxthausen, den Winckelhan verliert, damit die Rechnung bezahlen muß und Morddrohungen gegen den Juden ausstößt. Am Abend dieses Tages sieht der Förster Schmidts, wie sich Hermann/Johannes Winckelhan einen Knüppel von einem Baum abschneidet und damit im Wald verschwindet. Auf dem Rückweg trifft Schmidts den Juden Pinnes, der danach ebenfalls in diese Richtung geht.
 
11. Text - Seitenanfang - zum Inhalt
Zwei Tage später wird Soistmann-Berens/Pinnes von seiner Frau im Wald erschlagen aufgefunden, nachdem sie ihn nach seinem Verschwinden zwei Tage lang gesucht hat. Der Fundort liegt unweit der Stelle, an der der Förster Hermann mit einem Knüppel in den Wald gehend gesehen hat, so daß Hermann dringend tatverdächtig ist, zumal Pinnes siebzehn noch sichtbare Schläge erhalten hat und ein blutverschmierter Knüppel hundert Schritte von der Leiche entfernt gefunden wird. Als der Drost Freiherr von Haxthausen ihn verhaften will, findet man Hermann (oder Johannes) im Elternhaus nicht mehr an.
 
12. Text - Seitenanfang - zum Inhalt
Die Mitglieder der jüdischen Gemeinde bitten den Drosten, in den Baum, an dem die Leiche Pinnes' gefunden worden ist, ihr Zeichen hineinschneiden zu lassen, was ihnen auch gestattet wird. Allerdings kann keiner außer ihnen Hebräisch und so sind die Schriftzeichen für die Dorfbevölkerung unverständlich.
 
Hermann ist unterdessen nach Werl, später nach Holland geflüchtet, hat sich als Matrose anheuern lassen und ist nach einigen Schiffsreisen auf italienischen oder spanischen Schiffen in Gefangenschaft und Sklaverei geraten. 1788 erhält der Droste zu Haxthausen einen Brief von Hermann/Johannes Winckelhan, in dem dieser von der Gefangenschaft und Sklaverei berichtet. Der Droste delegiert die Angelegenheit an den Landesfürsten und der entscheidet, man werde Winckelhan nur befreien, um ihn wegen Mordes anzuklagen und daher geschieht nichts, was diesen aus algerischer Sklaverei befreien würde.
 
Im April 1807 erfährt der Droste zu Haxthausen (Annette v. Droste-Hülshoff ist mittlerweile zehn Jahre alt), daß in Bellersen der seit 24 Jahren verschollene Hermann Winckelhan wieder eingetroffen sei und er wird befragt, ob man ihn wegen der vergangenen Mordsache noch inhaftieren lassen solle. Der Droste mag dies nicht sofort entscheiden, bespricht sich mit dem Regierungspräsidenten von Coninx und der entscheidet, den Verdächtigen ungeschoren zu lassen - 24 Jahre Sklaverei in Algerien seien mit der Todesstrafe vergleichbar. Von Haxthausen läßt dies Winckelhan ausrichten und bittet ihn dabei, gelegentlich doch mal nach Bökendorf zu kommen und zu berichten, wie es ihm ergangen sei.
 
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Winckelhan kann zu diesem Zeitpunkt keine Sprache mehr richtig, spricht aber ein Gemisch aus Deutsch, Niederländisch, Französisch, Spanisch, Türkisch/Arabisch und ist erst in der Lage sich verständlich zu äußern, als er einige Monate in Bellersen gelebt hat. Aus seinen späteren Erzählungen läßt sich detailliert der Hergang ableiten, denn er hat keine Strafe mehr zu befürchten und kann alles wahrheitsgemäß berichten. Danach wurde er lange Jahre schwer mißhandelt, erlitt Brüche verschiedener Knochen, die durch fehlende medizinische Versorgung schief zusammenwuchsen und ihm eine verkrüppeltes Aussehen geben. Er wurde als Sklave von einem Regierungsmitglied gekauft (Casnaci, in welcher Schreibweise auch immer) und, nach dessen Ermordung, als "öffentlicher Sklave" zur Schwerstarbeit eingesetzt. Erst durch die Besetzung Napoleons 1806 sei die algerische Regierung gezwungen worden, die christlichen Sklaven freizulassen und habe diese an der italienischen Küste abgesetzt, von wo aus sie zu Fuß in ihre Heimat gelaufen seien.
 
Anmerkung (MS): Im Gegensatz dazu kann die Angabe, Friedrich Mergel/Johannes Niemand sei 1761 (oder 1760) in türkische Kriegsgefangenschaft geraten, nicht stimmen, weil in diesem Jahr Friedrich II. zwar die Türkei zum Krieg gegen Rußland überreden wollte (es tobte gegenwärtig der "Siebenjährige Krieg"), es jedoch nicht zu Kampfhandlungen zwischen der Türkei oder Rußland oder Ungarn gekommen ist und damit kann es auch nicht zu einer Kriegsgefangenschaft 1761 gekommen sein
(http://www.holiday-reiseberichte.de/tuerkei-zahlen-und-fakten.phtml) .
 
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Die letzten Monate seines Lebens verbringt Winckelhan als Bettler und Abhängiger von der Güte anderer. Im Spätherbst 1806 bitte er den Drosten um eine Arbeitsstelle, bekommt sie jedoch nicht mit der Begründung, man wolle keinen Mörder einstellen. Winckelhan ist danach verschwunden und wird zwei Tage später an dem Baum erhängt aufgefunden, in den die Juden 1783 die Schriftzeichen eingeritzt haben. Als Selbstmörder könnte er zwar kein normales Begräbnis bekommen, jedoch setzt der Droste durch, daß Winckelhan ein normales katholisches Begräbnis bekommt. Er wird am 18. September 1806 auf dem Friedhof in Bellersen beigesetzt. Zwei Jahre danach wird der Baum mit den hebräischen Schriftzeichen umgehauen.
 
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