Homepage Martin Schlu
Peenemünde

zurück nach Usedom

Einführung

Ahlbeck
Bansin
Heringdorf
Peenemünde
Usedom (Stadt)

Wolgast

Den Namen „Peenemnde“ hörte ich das erste Mal, als ich elf war. Im Sommer war der erste Mensch auf dem Mond gelandet und ich bekam ein Buch über „Das Abenteuer der Mondlandung“ geschenkt, in dem es ein Kapitel über Werner von Braun gab. Der hatte sozusagen den Vorläufer der Saturn V- Rakete mit entwickelt, war nach dem Krieg in die USA ausgewandert und hatte dort Arbeit bei der NASA gefunden. Mittlerweile war er dort sowas wie ein Abteilungsleiter und mehr verstand ich ja auch nicht - ich wußte nur, daß also ein Deutscher an der Mondlandung beteiligt war. Später, in der Oberstufe, sprachen wir über Hitler und mein Vater, Ingenieur und bis an sein Lebensende überzeugter Nazi, lobte Werner von Braun und seine Arbeit in Peenemünde in den höchsten Tönen (was ihn  mir schon wieder suspekt machte). Später fand ich heraus, daß von Braun, wie mein Vater, an der TU Aachen studiert hatte und sowas verbindet offenbar ein Leben lang. Ich habe dann irgendwann, nach dem Studium,  in der ARD eine Doku über Peenemünde gesehen und da fiel immerhin das Wort „Zwangsarbeit“ und daß die Arbeiter aus dem KZ Ravensbrück stammten, wurde immerhin auch gesagt. Mit diesem Wissenstand wußte ich, daß ich mir das selbst mal angucken wollte.

Nun ist das „Historisch-Technische Museum“ ab Peenemünde gut ausgeschildert und man kann es nicht verfehlen. Seit 2014 ist alles gut beschildert (deutsch/polnisch/englisch) und wenn man auf das Gelände kommt, sieht man zuerst eine Rakete, einen Zug und große Gebäude und ist etwas enttäuscht, doch das ändert sich.

Erster Eindruck im Peenemünder Museum
Erster Eindruck im Peenemünder Museum - große Wiese mit wenig drauf...

Man geht natürlich zur Rakete erfährt etwas über die Daten und wundert sich über eine Flughöhe von über 80 Kilometer Höhe (Weltraumhöhe) im Jahr 1942. Man kommt an der Abschußeinrichtung der V1 vorbei, erfährt bei der Eisenbahn, daß in Peenemünde das dritte S-Bahn-System Deutschlands nach Berlin und Hamburg eingeführt wurde, liest etwas von einem Großkraftwerk, das den S-Bahn-Verkehr und die Forschungs- und Produktionshallen in Peenemünde mit Strom und Heizung versorgt hat und auf einmal wird klar, daß hier Zigtausende gearbeitet und gelebt haben und nicht nur ein paar bekloppte Forscher und Obernazis. Die Fahrpläne von 1942 haben den gleichen Aufbau wie die Pläne des ÖPNV, die Anweisungen der NS-Ministerien haben den gleichen Schreibstil wie die heutigen Bescheide des Finanzamtes oder des Jobcenters und stände da nicht das Datum 1942 und das Hakenkreuz-Logo, wüßte man nicht sofort, dass es keine aktuellen Schreiben sind, sondern Geschichte - lange, lange her. Eben nicht!


An einem Beispiel kann man es beschreiben: Der gelb-rote Zug oben hat das Zeichen DB der Deutschen (Bundes)Bahn und wurde bis in die 1970er Jahre u.a. auf der Strecke Köln-Neuwied eingesetzt und ich bin mit ihm noch ab und zu gefahren (uch fand auf dem Boden eine Fahrkahrte aus dem Jahr 1974). Man ließ nach dem Krieg ja nichts verkommen und ob hier nun Zwangsarbeiter, Strafgefangene, normale Arbeiter oder später normale Reisende transportiert wurden, war der Bahn ja wurscht. Die Hinweise auf Frontsoldaten wurden einfach überklebt.

Diese Bahn verkehrte jedenfalls mit vierzehn anderen Zügen regelmäßig auf Usedom, diente als Werkbahn und brachte Tausende von Arbeitern und Zwangsarbeitern in die Heeresversuchsanstalt Peenemünde. Etwa 8.000 zivile Arbeiter starben bei Bau und Angriffen, 4.500 Zwangsarbeiter sind nachgewiesen, etwa 28.000 Häftlinge kamen beim Bau ums Leben, vermutlich waren es mehr. In Spitzenzeiten arbeiteten Zigtausende auf dem Gelände. Die Bauleitung hatte ein gewisser Heinrich Lübke, der nach dem Ende des Krieges von den Entnazifierungsbehörden nicht weiter behelligt wurde, in die CDU eintrat und es noch bis zum Bundespräsidenten brachte.

Das Kraftwerk versorgte das Peenemünder S-Bahn-Netz und die gesamte Anlage mit Strom und Wärme.
Das Kraftwerk versorgte das Peenemünder S-Bahn-Netz und die gesamte Anlage mit Strom und Wärme -
links das Kohleförderband vom Hafen, rechts das Kraftwerk.

Nachdem die ca. 150 Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler festgestellt hatten, daß eine Rakete mit Flüssigtreibstoff weiter und höher fliegen konnte und damit unangreifbar wurde, wurde eine Version des  „Aggregat 4“ (V2) produziert, die weltraumtauglich war und bis Sommer 1943 zur Serienreife entwickelt. In der Nacht vom 17. auf den 18. August 1943 flogen 600 Bomber einen Großangriff auf die Heeresversuchsanstalt mit dem Ziel, die Anlagen zu vernichten und die Köpfe der Entwicklung zu töten (Werner von Braun, Walther Thiel und Erich Walther). Die Bombardierung richtete nur bedingt Schaden ein, denn weil die Vorhut das Zielgebiet falsch markierte, landete der größte Teil der Bomben im Strandgebiet um den Peenemünder Haken und da liegt es größtenteils heute noch. Werner von Braun überlebte, die Pläne der V2 waren längst ausgelagert und diese Rakete wurde nun woanders produziert. Man hatte noch Zeit 3.200 Raketen gegen englische Ziele zu starten, die für 5.000 Todesopfer sorgten. Die Herstellung dieser Waffe forderte dagegen mehr als 40.000 Opfer - militärisch gesehen auch deshalb ein Irrsinn.

Nach Kriegsende teilten sich die USA, die UdSSR und Frankreich die Raketentechniker auf. Werner von Braun bekam von den USA eine weiß gewaschene Biographie, damit er in Huntsville für die NASA künftige Raketen entwickeln konnte und die UdSSR und Frankreich taten Ähnliches. Die Weiterentwicklungen der beiden Großmächte auf der Grundlage der von Thiel und von Braun entwickelten Konzepte führten letztendlich nicht nur zu den Sojus und Saturn-Raketen, sondern in letzter Konsequenz auch zu den russischen SS20 und SS25-Typen und zu Pershing- und Stinger-Modellen, die ohne die Vorarbeit der Nazis nicht denkbar wären.

Die DDR setzte das Kraftwerk wieder in Gang, machte aus dem Peenemünder Gelände einen Truppenübungsplatz und veranstaltete bis zur Wiedervereinigung Zielschießen auf die deutschen Schiffswracks im Peenemünder Haken. Bis heute gilt das Abwurfgebiet als extrem munitionsverseucht, ist immer noch nicht sauber geräumt und für den Schiffsverkehr Sperrgebiet. Immer mal wieder werden Phosphorstücke aus alten Bomben und Granaten angespült und von Bernsteinsammlern für Bernstein gehalten und aufgesammelt. Trocknet der Phosphor, entzündet er sich - meisten in den Hosentaschen der Sammler - und sorgt für erheblich Verbrennungen (Ostsee-Zeitung v. 18. 10.2916, S.9). 

Das alte Flughafengelände ist ebenfalls größtenteils Sperrgebiet, doch Teile davon werden für Rundflüge genutzt, ein Motorsportclub hat dort sein Domizil und entlang eines alten Hafenabschnittes entsteht ein Yachthafen mit Ferienwohnungen. Über manche Sachen wächst Gras, über andere nicht...

Reste der S-Bahn-Verbindung nach Peenemünde - im Lauf der Zeit von Birken überwuchert.
Reste der S-Bahn-Verbindung nach Peenemünde - im Lauf der Zeit von Birken überwuchert.

Links zu Peenemünde
https://de.wikipedia.org/wiki/Peenem%C3%BCnde
http://www.peenemuende.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Peenem%C3%BCnder_Schnellbahnz%C3%BCge
https://de.wikipedia.org/wiki/Heeresversuchsanstalt_Peenem%C3%BCnde
http://www.ostsee.de/insel-usedom/historisch-technisches-museum.html
fast sechsmal mehr Opfer
http://www.ndr.de/kultur/geschichte/schauplaetze/Bomben-auf-Hitlers-Raketenschmiede,operationhydra101.html
nach oben