Homepage Martin Schlu Koserow, Lüttenort und das Ateliermuseum
Text und Fotos: Martin Schlu,    Stand: 11. Mai 2025

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Koserow ist ein Dorf auf einer schmalen Landenge zwischen Zinnowitz und Ückeritz. Wie die Namen nahelegen, ist es kein mondänes Badeparadies, aber die Lage spricht die stilleren Besucher an. Der Ostseestrand ist der gleiche wie in Heringsdorf, doch das Hinterland ist interessanter.

Strand bei Lüttenort - am besten mit dem Fahrrad erreichbar
Strand bei Lüttenort - am besten mit dem Fahrrad erreichbar

Das Achterwasser, eine Mischung aus Peene- und Oderwasser mit ein bißchen Ostsee, ist ein Paradies für Naturschützer und Paddler und weil es abseits der Hauptstraße keinen Trubel gibt, ist es wie geschaffen für stillere Menschen. Natürlich gibt es für Grundschulkindfamilien auch die übliche Bespaßung mit Karls Erlebnisdorf und in Zinnowitz das umgedrehte Haus und die Tauchgondel, aber dem kann man ja aus dem Weg gehen. Interessant ist in Koserow etwas ganz Anderes.

Weg vom Lüttenorter Museum zum Mellsee
Weg vom
Lüttenorter Museum zum Mellsee

Zwischen Koserow und Zempin an der B111 gibt es den kleinen Ort Lüttenort (= kleiner Ort). Dort liegt das Museumsatelier des Malers Otto Niemeyer-Holstein (1896-1984), der bei der Machtergreifung der Nazis 1933 schon ein arrivierter Maler war und internationale Kunstausstellungen gehabt hatte. Er war mit u. a. Alexej von Jawlensky und Lyonel Feininger bekannt, malte im Prinzip expressionistisch und lebte seit 1926 in Berlin. Nach der Machtergreifung der Nazis wurde Niemeyer-Holstein klar, daß sein Malstil umstritten war und so zog er im Sommer 1933 das erste Mal nach Usedom. Dort kaufte er sich an dieser extremen Verengung des Landstreifens zwischen Ostsee und Mellsee ein Stück Brachland, besorgte sich einen alten Straßenbahnwagen aus Berlin, ließ ihn auf dem Grundstück aufstellen und wohnte den Sommer über darin.

Die nächsten Jahre machte er sein Stück Sandfläche urbar, schaufelte Schlick aus dem See auf seine Parzelle und nahm alles an organischem Dünger, was er auftreiben konnte - Pferdäpfel eingeschlossen. Bis 1939 hatte er noch etliche Ausstellungen in Deutschland, Österreich und in der Schweiz,
obwohl einige seiner Werke als „entartet“ galten und beschlagnahmt wurden. Bis zum Kriegsbeginn war er gut im Geschäft und so konnte er es sich leisten seine Ferienwohnung als Atelier und Hauptwohnsitz auszubauen und ab 1939 dort zu wohnen. Ein angelegter, großer Garten bot ausreichend Platz für Skulpturen befreundeter Künstler.

Das Atelier im Skulpturengarten
Obern: Das Atelier im Skulpturengarten

Unten: Skulpturen im Garten
, im Hintergrund das Museum.
Skulpturen im Garten

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Niemeyer-Holstein war mit einer Halbjüdin verheiratet, hatte ein Kind mit ihr und hoffte, daß man ihn auf diesem Fleck der Insel in Ruhe malen lassen würde. Dies ging bis 1943 auch gut. Dann steckte man ihn in eine Eisenbahnuniform, machte einen Schaffner aus ihm und ließ ihn als Eisenbahner arbeiten. Ein Jahr später starb der Sohn Peter (aus erster Ehe) bei einem Aufklärungsflug über dem Skagerrak.

Nach dem Krieg konnte Otto Niemeyer-Holstein wieder seine Bilder ausstellen, verkaufen und die Erträge in sein Haus investieren, das immer mehr um den Eisenbahnwaggon gebaut wurde, bis der nicht mehr zu erkennen war. Zu seinen Freunden zählten u.a. Oskar Kokoschka, Marc Chagall und viele von den Nazis verfemten Maler und Bildhauer, deren Werke er kaufte (und die im Museum ausgestellt werden).

Die DDR wurde gegründet und Niemeyer-Holstein arrangierte sich mit ihr und hatte in den Folgejahren viele Austellungen im In- und Ausland, obwohl 1953 alle seine Bilder für die Kunstausstellung in Dresden abgelehnt worden waren. 1964 wurde
Niemeyer-Holsteinzum Professor ernannt, 1969 wurde er er Mitglied der Akademie der Künste und galt ab da bis zu seinem Tod 1984 als einer der bedeutendsten deutschen Maler. Dies hinderte die Stasi allerdings nicht daran, ihn ab 1970 fortgesetzt zu observieren.

1974 bekam
Niemeyer-Holstein den Nationalpreis der DDR der II. Klasse in Höhe von Mk 50.000, der es ihm ermöglichte, die alte Holländermühle in Benz zu kaufen und als Rückzugsraum zu benutzen. Heute kann man das Untergeschoß als Ausstellungsraum erleben - eine Kopie des 1910 entstandenen Feininger-Gemäldes dieser Mühle hängt dort ebenfalls.

Die Holländer-Mühle in Benz
Die Holländer-Mühle in Benz


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Eine 1982 gedrehte Filmbiographie beschreibt Niemeyer-Holstein als Arbeitstier, der jeden Tag am Ostseestrand spazieren ging und malte. Teile dieses Filmes hat das Museum auf youtube veröffentlicht.

Die große Ausstellungshalle des Museums
Die große Ausstellungshalle des Museums

Otto
Niemeyer-Holstein liegt mit seiner - kurz nach ihm verstorbenen - Frau Anneliese auf dem Benzer Friedhof, in zweiter Reihe hinter der Altarwand der Friedhofskapelle. Die Statue neben dem gemeinsamen Grab weist auf den Standort der Holländermühle, die bis an sein Lebensende ein weiterer wichtiger Zufluchtsort für ihn war.

Das gemeinsame Grab von Anneliese und Otto Niemyer-Holstein
Das gemeinsame Grab von Anneliese und Otto Niemyer-Holstein. Zur Ansicht von  Ottos Grabstein auf das Bild klicken.

Nach seinem Tod in Lüttenort 1984 wurden Haus und Garten im Wesentlichen so belassen, wie sie waren. Das Museum wurde eingerichtet und hier hat man die Möglichkeit viele Bilder an ihrem Entstehungsort zu betrachten

Bilder von Otto Niemeyer-Holstein auf artnet

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