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Hamburg - St. Pauli und die Reeperbahn
Text und Fotos: Martin Schlu,     Stand: 30. Mai 2024

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Reeperbahn
Beatles-Platz
Etablissements
Michel
Bunker


St. Pauli ist eigentlich der Inbegriff von Hamburg, auch wenn es dort viel mehr gibt als die Sexmeile und die Reeperbahn. (Geschichte) Ab 1633 war dieses Gebiet das Viertel der Seilmacher- (Reepschläger) und Seemannsviertel der Stadt, zwar an der Elbe gelegen, aber nicht von den Hamburger Wallanlagen umschlossen und daher nicht zur Stadt gehörig. Deswegen durften dort Vergnügungsbetriebe angesiedelt werden. Der erste Betrieb fand am „Spielbudenplatz“ statt, den es heute noch gibt, unweit der weltberühmten „Davidswache“.

Wir fahren mit der Reeperbahn
Wir fahren mit der Reeperbahn - alle Linien halten dort und das Aussteigen lohnt sich


Reeperbahn
Weil die Elbe nur wenige Meter entfernt liegt, war die Lage für die Seeleute sehr zeitsparend, denn sie mußten nicht lange nach weiblicher Unterhaltung suchen und für die Damen des horizontalen Gewerbes gab es immer Laufkundschaft, denn der Hafen wuchs ja damals schon. Im Laufe der Jahrzehnte bildete sich entlang der Seilmacherstraße (Seil = Reep) an der Reeperbahn eine Rotlichtszene heraus, die dazu führte, daß St. Pauli der Einnahmen wegen 1833 unter Hamburger Verwaltung gestellt und 1894 eingemeindet wurde, denn die Hamburger waren schon immer Geschäftsleute und wollten an den sprudelnden Einnahmen beteiligt werden.  In New Orleans gab es eine ähnliche Entwicklung, ebenso in Amsterdam, in Den Helder (Festland vor Texel) - eigentlich überall, wo Seeleute an Land gingen, die wochen- und monatelang kein weibliches Wesen mehr gesehen hatten.

Nun ist eine Straße, in der es nur Bordelle und Saufkneipen gibt, auch nicht so interessant - selbst wenn sie in Hamburg liegt. Sehr schnell etablierten sich Theater und Ausstellungsräume und bis heute ist St. Pauli deswegen auch eine Kulturmeile. Die Beatles spielten hoer am Anfang Ihrer Karriere 1961 jeden Tag acht Stunden auf kleinsten Bühnen (im Kaiser-Keller und im Star-Club) und als sie 1962 in Engand ihre internationale Karriere starteten, glaubten viele englische Fans, sie seien eine deutsche Band. Das Hamburger Operettentheater brachte 1968 „Anatevka“ auf die Meile und spielte das Musical jahrelang (ich habe es um 1995 das letzte Mal hier gesehen), danach spielte man ein paar Jahre „Cats“. Freddy Quinn begann hier seine Karriere und die Hamburger Szene (Otto, Lindenberg, Kunze) wären ohne die Reeperbahn nicht denkbar.

2011 wurde das Theater an den Betrieb „Stage“ verkauft  und heißt nun „Stage Operettenhaus“. Seit dem Verkauf läuft dort ein ausverkauftes Musical nach dem anderen - etwa wie in Köln im Musicalzelt - im  Oktober 2017 lief z.B.  „Kinky Boots“ eine Show, für die Cindy Lauper die Musik schrieb.


„Kinky Boots“ im ehemaligen Hamburger Operettenhaus
„Kinky Boots“ im ehemaligen Hamburger Operettenhaus

Eine andere Theaterlegende ist Schmidts „Tivoli“ .Es sind eigentlich mehrere Gebäude: Schmidts Tivoli ist ein Musicaltheater, in dem z.B. die „Heiße Ecke“ gespielt wurde - aber es ging da nicht um eine Würstchenbude. Schmidts Theater spielt Lustspiele á la Ohnesorg, nur auf die Reeperbahn angepaßt und das Schmidtchen spielt eher experimentelles Theater.

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Beatles-Platz
Alle drei S-Bahnlinien halten übrigens an der Reeperbahn und wenn man die Geschichte der Beatles kennt (die sich ja auf St. Pauli mit eiserner Disziplin die Routine erspielten, die ihnen später half professionell aufzutreten), ist klar, daß es einen Beatles-Platz geben muß, dort, wo die „Große Freiheit“ in die Reeperbahn mündet. In der Großen Freiheit 36 liegt immer noch der Kaiser-Keller, in dem sie bis zu acht Stunden täglich spielten und auch heute noch spielt dort die Musik, wenn es dort auch keine Bands im Format der Beatles mehr gibt. Der Beatles-Platz hat die Form einer LP und an der äußeren „Rille“ sind bekannte Titel der Band aufgelistet.

Der Beatles-Platz in Hamburg
Der Beatles-Platz in Hamburg

Das Denkmal selbst zeigt die Mitglieder als stählerne Silhouette: Paul MacCartney (rechts) ist als Linkshänder mit der Form seines Höfner-Violin-Basses recht gut auszumachen, John Lennon ebenfalls, links außen steht George Harrison mit seiner Gretsch. Am Schlagzeug sitzt nicht Ringo Starr, der hatte eine andere Körperhaltung. In der Hamburger Zeit war Pete Best der Drummer, bis er durch Ringo ersetzt wurde. Etliche Meter außerhalb steht ein fünfter Beatle. Hier handelt es sich um Stuart Sutclffe, der solange Baß spielte, bis er kank wurde und Paul den Baß übernahm. In London sind die Beatles um 1962 als Wachsfiguren zu sehen - bei Madame Tussaud's. Auch ein Wachsfigurenkabinett findet sich an der Reeperbahn. Es heißt „Panoptikum“ liegt nebem dem Musikcalhaus und warb im letzten Jahr mit Udo Lindenberg (natürlich mit Hut).


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Etablissements
Geht man die Reeperbahn vom Millerntor-Stadion  stadteinwärts (die „Tanzenden Türme“ haben die Adresse „Reeperbahn 1“ und sind eine ästhetisch und gewagten Hochhauskonstruktion, die einen Anflug von Leichtigkeit vermittelt), verdichten sich die Abfolgen von Restaurants und Etablissements der Horizontalen. Immer wieder faszinierend finde ich die Kombination von Juniortüte und Sexclub - wenn man böse denkt, reicht ein Fuffi für den Familienausflug - seit 2012 unverändert, wie mir der Vergleich mit alten Fotos zeigt. Was da für die Frauen übrigbleibt, mag man sich gar nicht ausrechnen. Mein Lieblingsmotivkann ich leider nicht zeigen: links stand der Papa, rechts die Kinder und alle drückten sich die Nase platt.

Faszinierend die Kombination von Juniortüte und Sexclub
Seit 2012 besteht diese Kombination von Bordell, Festpreis und MacDonald

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St. Michaelis („Michel“)
Vor allem aber gehört der Michel zu Sankt Pauli, die zentrale Kirche, die die Seefahrer oft als erstes gesehen haben, wenn sie die Elbe aufwärts nach Hamburg schipperten. Immer noch (seit drei Jahrhunderten schon) gibt es einen Türmer, der dreimal am Tag einen Choral mit der Trompete von oben bläst und für eine Konstanz sorgt, die es so kaum noch gibt, denn die Türmer waren im 16. Jahrhundert Tradition, als „Stadtpfeifer“ von der  Stadt angestellt und sie hatten Zeitsignale zu geben, waren die Feueraufsicht und hängten, wenn sie ein Feuer sahen, die Fahne an die Seite des Turms, die ihm am nächsten lag. Dann wußte die Bürgerwehr, wohin sie laufen mußte. Jedes Mal, wenn Hamburg wieder abgebrannt war, gab es danach eine Verbesserung des Feuerschutzes: die Brandmauer, das steinerne Baugebot, das Verbot von Strohdächern etc.. Selbst im 19. Jahrhundert war alles noch nicht perfekt, als man erkennen mußte, daß bei Bränden in der Speicherstadt die Metallstreben durchschmelzen konnten - aber das ist eine andere Geschichte. Der Türmer auf dem Michel ist ein schöner Anachronismus und ich freue mich immer, wenn ich ein zartes Trompetlein von unten höre - auch, weil ich mit dem Posaunenchor von St. Pauli schon oben gespielt habe.


Der Michel von der Elbe aus
Der Michel von der Elbe aus

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Ein bißchen anarchisch ist der Stadtteil aber geblieben, wie die Vorfälle um die Hafenstraße (Hausbesetzungen) in den 1980er/1990er Jahre zeigten und der Status der 1. FC Sankt Pauli, der weniger Fußballverein als vielmehr eine Lebenseinstellung ist - aber das ist bei Hansa Rostock ja ähnlich. Der eine zentrale Punkt in St. Pauli sind die Landungsbrücken und elbabwärts der Fischmarkt, auch wenn man dort heute weniger Fisch kaufen kann als alles Andere. Immerhin gibt es noch ein paar gute Fischrestaurants, aber des Zentrum hat sich längst zu den Landungsbrücken verlagert. Dort sind die Freßbuden, abends steppt der Bär und alle wichtigen Bus und Bahnlinien halten dort.

Wenn man an der „Hafentreppe“ aussteigt und Richtung Schiffsmasten geht, kommt man an den Gebäuden der Hafenstraße vorbei, von denen einige noch so aussehen wie in den 1980er Jahren. Die etwas besser in Schuß gehaltenen Häusern gehören längst den nun Etablierten, wurden mit Eigenmitteln und Zuschüssen der Stadt saniert und die Hafenstraße gilt mittlerweile als hippe Gegend.

Geht man weiter, kommt man zur Schiffanlegestelle 5 , wo die Busse der Stadtrundfahrt halten. Ob man die gelbe, die blaue oder die rote Linie nimmt, ist egal. Alle Reiseführer erzählen in etwa die gleichen Dönekes: im Hafenviertel wird gezeigt, welches Penthouse sich die Klitschko-Brüder gekauft haben und wo Helene Fischer wohnt, bei der Tour an der Alster entlang beim Harvestehuder Weg hört man, welcher Promi wo wohnt und das ist manchmal ganz kurzweilig, aber nicht die ganze Zeit. Ab den Landungsbrücken fährt die S-Bahnlinie 1 übrigens oberirdisch und man hat einen schönen Blick auf die Skyline und den Hafen, ehe die Bahn hinter dem Rödingsmarkt wieder abtaucht.

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Kulturbunker
St. Pauli hat aber auch das Heiliggeistfeld, auf dem der „Dom“ stattfindet, so etwas wie der Wiener Prater, wenn auch nicht eine ganzjährige Kirmes, doch dreimal im Jahr mit allem Drum und Dran. Da ist es aber möglich sich auch in Hamburg „in Köln auf dem Dom“  zu verabreden, also auf dem Vergnügunsgplatz am Riesenrad in der Gondel „Köln“, wie es eine Kinderbuchperson tut (Lola-Reihe von Isabel Abdi, deren Heldin Lola im Hamburg zwischen Altona und Sankt Pauli agiert). Der Bunker daneben ist immer noch Künstlerbunker mit Ausstellungen, einem großen Musikgeschäft, einer Radiostation und vielem mehr. Das Musikgeschäft hatte ich mir angesehen, weil es damit warb, alles besorgen zu können. Ich fand es nicht so günstig wie das, was ich in Köln kenne und teurer als die Treppendorfer Firma war es auch. Dafür war jedes Instrument mehrere Male vertreten. Das Preisniveau orientierte sich aber offenbar an dem Mietniveau in Hamburg und nach fünf Minuten war ich wieder draußen und konnte mit der U-Bahn und der S-Bahn nach Hause.

Der Bunker auf dem Heiliggeistfeld in Sankt Pauli gilt als Musikbunker
Der Bunker auf dem Heiliggeistfeld in Sankt Pauli gilt als Musikbunker

Eine andere Ikone der Reeperbahn, Hans Albers, wurde übrigens in St. Georg geboren. Am Haus Lange Reihe 71 ist eine Gedenktafel angebracht, die die Graffiti-Sprayer bislang in Ruhe gelassen haben.

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Sankt Pauli wird fortgesetzt